18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 12669

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Bundesverwaltungsgericht Urteil23.11.2011

BVerwG: Keine Haftungs­be­schränkung für Kosten eines Feuer­wehr­ein­satzes bei SchiffsunfallKoste­n­er­stat­tungs­ansprüche stellen keine Ansprüche wegen Sachschäden im Sinne des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes dar

Ein Schiffseigner kann seine ordnungs­rechtliche Haftung für die Kosten eines Einsatzes der Feuerwehr, die aus Anlass eines Schiffsunfalls angefallen sind, nicht nach den Vorschriften des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes beschränken. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hervor.

Nach dem Binnenschifffahrtsgesetz kann ein Schiffseigner seine Haftung unter anderem für Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes eingetreten sind, auf einen Betrag beschränken, der sich grundsätzlich an den technischen Merkmalen seines Schiffes orientiert. Die Haftungs­be­schränkung wird bewirkt durch die Errichtung eines Fonds, in den der Schiffseigner die Haftungssumme einzuzahlen hat. Sie wird auf der Grundlage der Schiff­fahrts­recht­lichen Vertei­lungs­ordnung auf die Gläubiger verteilt.

Sachverhalt

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls war Eigentümerin eines Motor­t­ank­schiffs, aus dem im August 2004 im Rhein-Hafen von Gernsheim eine Partie von 651 Tonnen Xylol gelöscht wurde. Während des Löschvorgangs schob der Steuermann versehentlich den Fahrhebel nach vorne. Das dadurch in Fahrt gesetzte, mit der Löschanlage verbundene Schiff riss den Löscharm aus der landseitigen Verankerung, der daraufhin ins Hafenbecken fiel. Das Schiff konnte zwar sofort wieder zum Stehen gebracht werden, so dass die Löschlei­tungs­ver­bindung insgesamt standhielt. Auch konnte der Löschvorgang durch Auslösen der Notstop­p­ein­rich­tungen (Abschaltung der Pumpen und Schließen der Sicher­heits­schieber) unterbrochen werden. Nach dem Abschluss­bericht der Hessischen Wasser­schutz­polizei tropfte aber eine Menge von (höchstens) fünf Litern durch ein Leck am Rohrlei­tungs­system auf die Uferbefestigung. Soweit weiteres Xylol auslief, wurde dieses durch eine Wanne aufgefangen. Die in dem Löscharm verbliebene Menge konnte in das Schiff zurückgepumpt werden. Am Unfallort kamen zahlreiche Hilfskräfte zum Einsatz, unter anderem die Freiwilligen Feuerwehren der beklagten Städte Gernsheim, Riedstadt und Groß-Gerau. Wegen der Kosten des Einsatzes verlangten die beklagten Städte von der Klägerin jeweils Erstattung. Auf Antrag der Klägerin eröffnete das Amtsgericht Mainz ein schiff­fahrts­recht­liches Vertei­lungs­ver­fahren.

Schiffseignerin beruft sich auf beschränkte Haftung nach Vorschriften des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes

Die Klägerin hat gegen die Koste­n­er­stat­tungs­be­scheide der beklagten Städte Gernsheim, Riedstadt und Groß-Gerau beim Verwal­tungs­gericht Darmstadt jeweils Klage erhoben und unter anderem beantragt, festzustellen, dass ihre Haftung nach den Vorschriften des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes beschränkt ist und den Beklagten über den Betrag hinaus, der in dem schiff­fahrts­recht­lichen Vertei­lungs­ver­fahren zu ihren Gunsten festgestellt wird, kein weitergehender Anspruch zusteht. Das Verwal­tungs­gericht hat die Klagen abgewiesen, der Verwal­tungs­ge­richtshof Kassel hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Drohende Gewäs­ser­ver­un­rei­nigung stellt keine Sache im Sinne der Definition des Sachschadens nach dem Binnen­schiff­fahrts­gesetz dar

Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat angenommen, dass die Koste­n­er­stat­tungs­ansprüche der beklagten Städte nicht der Haftungs­be­schränkung nach dem Binnen­schiff­fahrts­gesetz unterliegen. Es handelt sich nicht um Ansprüche wegen Sachschäden im Sinne des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes. Ansprüche wegen Sachschäden sind nach der insoweit einschlägigen Vorschrift des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes solche wegen des Verlustes oder der Beschädigung von Sachen, wegen der Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck sowie sonstige Vermö­gens­schäden wegen der Verletzung nicht­ver­trag­licher Rechte. Ansprüche wegen Sachschäden sind ferner Ansprüche wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. Der Feuerwehreinsatz diente hier zwar der Abwendung eines Schadens, aber nicht der Abwendung eines Sachschadens im Sinne des Binnen­schiff­fahrts­ge­setzes. Nach den tatsächlichen, im Revisi­ons­ver­fahren bindenden Feststellungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs diente der Einsatz der Feuerwehr dazu, einen Schaden für das Gewässer abzuwenden, nämlich ein Einlaufen größerer Mengen Xylol in das Hafenbecken zu verhindern. Die drohende Gewäs­ser­ver­un­rei­nigung ist aber kein Sachschaden, insbesondere stellt sie keine Beschädigung einer Sache im Sinne der Definition des Sachschadens nach dem Binnen­schiff­fahrts­gesetz dar. Denn das Wasser im Hafenbecken ist kein körperlicher Gegenstand und damit keine Sache.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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