23.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.06.2013

Keine Berich­t­er­stattung über bloße Verdachtsfälle im Verfassungs­schutz­bericht des BundesBundes­ver­fas­sungs­schutz­gesetz lässt Berich­t­er­stattung über bloßen Verdacht verfas­sungs­feind­licher Bestrebungen nicht zu

Das Bundes­verfassungs­schutz­gesetz ermächtigt das Bundes­mi­nis­terium des Innern nicht, in seinen Verfassungs­schutz­bericht auch solche Vereinigungen aufzunehmen, bei denen zwar tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, solche Bestrebungen aber noch nicht sicher festgestellt werden können (so genannte Verdachtsfälle). Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, die Bürgerbewegung pro Köln, beteiligt sich in der Stadt Köln an Kommunalwahlen. Seit 2004 ist er mit einer Fraktion im Rat der Stadt Köln vertreten. Das beklagte Bundes­mi­nis­terium des Innern erwähnte den Kläger in den von ihm herausgegebenen und auch im Internet veröf­fent­lichten Verfas­sungs­schutz­be­richten der Jahre 2008, 2009 und 2010 im Kapitel "Recht­s­ex­tre­mis­tische Bestrebungen und Verdachtsfälle" bzw. "Recht­s­ex­tre­mismus". Unter Überschriften wie "Wahlkampfthema Islamisierung Europas" oder "Europaweite Anti-Islami­sie­rungs­kampagne" wird über das Bündnis "Städte gegen Islamisierung" und im Zusammenhang damit über vom Kläger organisierte Kongresse gegen den Bau von Moscheen und gegen "islamische Paral­lel­ge­sell­schaften" ("Anti-Islamisierungs-Kongress", "Anti-Minarett-Kongress") berichtet. Hierbei ist teilweise vermerkt, dass der Kläger aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte für recht­s­ex­tre­mis­tische Bestrebungen unter Beobachtung des Verfas­sungs­schutzes stehe. Den einschlägigen Passagen ist jeweils die fettgedruckte Randbemerkung "Bürgerbewegung pro Köln e.V. (Verdachtsfall)" beigefügt.

Kläger beantragt Unterlassung der weiteren Verbreitung der Verfas­sungs­schutz­be­richte 2008, 2009 und 2010 ohne Richtig­stel­lungen

Der Kläger hat gegen seine Aufnahme in die Verfas­sungs­schutz­be­richte Klage erhoben mit den Anträgen, das beklagte Bundes­mi­nis­terium des Innern zu verurteilen, die weitere Verbreitung der Verfas­sungs­schutz­be­richte 2008, 2009 und 2010 zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über ihn - den Kläger - entfernt oder unleserlich gemacht werden sowie im nächsten Verfassungsschutzbericht richtig zu stellen, dass die Berichte über ihn rechtswidrig gewesen sind.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Der Kläger ist vor dem Verwal­tungs­gericht Berlin und dem Oberver­wal­tungs­gericht Berlin- Brandenburg erfolglos geblieben. Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht der Klage stattgegeben.

Bundes­mi­nis­terium des Innern nicht ausreichend für Berich­t­er­stattung ermächtigt

Das Bundes­ver­fas­sungs­schutz­gesetz lässt eine Berichterstattung über den bloßen Verdacht verfas­sungs­feind­licher Bestrebungen nicht zu. Wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits entschieden hat, bestehen grundsätzlich keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken dagegen, dass das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht verfas­sungs­feind­licher Bestrebungen für die Aufnahme in den Verfas­sungs­schutz­bericht ausreicht. Vorausgesetzt ist allerdings, dass der Gesetzgeber die zuständige Stelle zu einer Berich­t­er­stattung über bloße Verdachtsfälle ermächtigt hat und dass die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfas­sungs­feindliche Bestrebungen hinreichend gewichtig sind, um die Veröf­fent­lichung in Verfas­sungs­schutz­be­richten auch angesichts der nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen zu rechtfertigen. Der einschlägigen Bestimmung des Bundes­ver­fas­sungs­schutz­ge­setzes über den Verfas­sungs­schutz­bericht lässt sich bereits nicht mit ausreichender Bestimmtheit entnehmen, dass das Bundes­mi­nis­terium des Innern ermächtigt sein soll, über die Fälle hinaus, in denen Gewissheit über verfas­sungs­feindliche Bestrebungen besteht, auch über solche Fälle zu berichten, in denen tatsächliche Anhaltspunkte erst einen Verdacht solcher Bestrebungen ergeben. In diesen Fällen darf der Verfas­sungs­schutz die Vereinigung zwar weiter beobachten und Informationen über sie sammeln, ihre Aufnahme in den Bericht ist aber noch nicht zulässig.

Klage bereits wegen des Fehlens einer ausreichenden Rechtsgrundlage für Verdachts­be­rich­t­er­stattung begründet

Weil die Klage bereits wegen des Fehlens einer ausreichenden Rechtsgrundlage für eine Verdachts­be­rich­t­er­stattung begründet war, brauchte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht zu entscheiden, ob hier überhaupt tatsächliche Anhaltspunkte für verfas­sungs­feindliche Bestrebungen des Klägers vorlagen und ob diese gegebenenfalls das hinreichende Gewicht gehabt hätten, um eine Aufnahme des Klägers in den Verfas­sungs­schutz­bericht zu rechtfertigen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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