15.11.2024
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Dokument-Nr. 28775

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Urteil27.05.2020BundesverwaltungsgerichtBVerwG 6 C 1.19
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Bundesverwaltungsgericht Urteil27.05.2020

Erhöhung des Entgelts von Standardbriefen für den Zeitraum von 2016 bis 2018 rechtswidrig2015 erlassene Bestimmungen der Postentgelt­regulierungs­verordnung durch Vergleichs­markt­be­trachtung unwirksam

Die Erhöhung des Entgelts für die Beförderung von Standardbriefen von ,62 € auf ,70 € für den Zeitraum von 2016 bis 2018 war rechtswidrig. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht in Leipzig entschieden.

Die Bundes­netz­agentur hat der beigeladenen Deutschen Post AG die beantragten Erhöhungen der Entgelte für verschiedene Standa­rd­brief­dienst­leis­tungen für den Zeitraum von 2016 bis 2018 genehmigt (sog. Price-Cap-Verfahren). Die beklagte Bundesrepublik ist verfassungs- und unionsrechtlich verpflichtet sicherzustellen, dass diese Leistungen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet in einer bestimmten Qualität und zu erschwinglichen Preisen erbracht werden (Universaldienst). Die Deutsche Post AG hat sich gegenüber der Bundesrepublik rechts­ver­bindlich verpflichtet, den Universaldienst wahrzunehmen. Als Rechts­nach­folgerin der Deutschen Bundespost verfügt sie über die Infrastruktur, die für eine flächendeckende Brief­be­för­derung notwendig ist. Ihr Umsatzanteil im Briefmarkt liegt nach wie vor bei mehr als 80 %.

Standa­rd­brief­dienst­leis­tungen sind laut Postgesetz geneh­mi­gungs­pflichtig

Aufgrund der markt­be­herr­schenden Stellung der Deutschen Post AG schreibt das Postgesetz vor, dass die Entgelte für Standa­rd­brief­dienst­leis­tungen geneh­mi­gungs­pflichtig sind. Maßstab ist das Entgelt, das ein vernünftig wirtschaftendes Unternehmen in einem funkti­o­nie­renden Wettbewerb unter Markt­be­din­gungen erzielen würde (Wettbe­wer­b­spreis). Hierfür sind die Kosten, die das regulierte Unternehmen tatsächlich aufwendet, um die Leistungen zu erbringen, mit den fiktiven Kosten, die bei Vornahme der gebotenen Innovationen und Ratio­na­li­sie­rungen im Regulie­rungs­zeitraum anfielen, zu vergleichen (Kosten der effizienten Leistungs­be­reit­stellung). Bestandteil der Effizienzkosten ist ein angemessener Gewinnzuschlag.

Kosten für Erbringung der Leistungen aus gesetzlichen Verpflichtungen zu berücksichtigen

Darüber hinaus sind Kosten zu berücksichtigen, die dem regulierten Unternehmen entstehen, weil es bei der Erbringung der Leistungen gesetzliche Verpflichtungen beachten muss. Hierbei handelt es sich insbesondere um Kosten für die Erfüllung der rechts­ver­bind­lichen Anforderungen an den Universaldienst, die ein effizient wirtschaftendes Unternehmen nicht eingehen würde. Das so ermittelte Kostenniveau ist mit dem Ausgangs­ent­gelt­niveau zu vergleichen. Die genehmigten Entgel­t­er­hö­hungen für die Jahre 2016 bis 2018 sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung als Verord­nungsgeber im Jahr 2015 einen neuen Maßstab für die Ermittlung des Gewinnzuschlags eingeführt hat. Sie hat die Postent­gelt­re­gu­lie­rungs­ver­ordnung dahingehend geändert, dass sich der Gewinnzuschlag nicht mehr nach dem unter­neh­me­rischen Risiko, d.h. nach der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, bemisst, sondern Ergebnis einer Vergleichs­ma­rkt­be­trachtung ist. Maßgebend sind die Gewinnmargen solcher Unternehmen, die in anderen europäischen Ländern auf vergleichbaren Märkten tätig sind. Die Briefmärkte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind ausnahmslos dadurch gekennzeichnet, dass die früheren staatlichen Monopol­un­ter­nehmen nach wie vor eine markt­be­herr­schende Stellung innehaben. Dementsprechend hat die Bundes­netz­agentur auf die nach dem Geschäftsumfang gewichteten Umsatzrenditen dieser Unternehmen abgestellt.

Durch Sprungrevision angefochtene Entgelt­ge­neh­migung aufgehoben

Die Klage eines Vereins, in dem andere Postunternehmen zusam­men­ge­schlossen sind, gegen die Genehmigung der Entgelterhöhung für die Beförderung von Standardbriefen hat das Verwal­tungs­gericht abgewiesen. Auf die Sprungrevision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil geändert und die angefochtene Entgelt­ge­neh­migung aufgehoben. Die Entgelt­ge­neh­migung ist rechtswidrig und verletzt daher den Kläger als Kunden der Beigeladenen in seinem grundgesetzlich geschützten Recht, den Inhalt von Verträgen autonom auszuhandeln.

Ermittlung des unter­neh­me­rischen Gewinns durch Vergleichs­ma­rkt­be­trachtung unwirksam

Die Rechts­wid­rigkeit folgt daraus, dass die im Jahr 2015 erlassenen Bestimmungen der Postent­gelt­re­gu­lie­rungs­ver­ordnung über die Ermittlung des unter­neh­me­rischen Gewinns durch eine Vergleichs­ma­rkt­be­trachtung unwirksam sind. Sie sind nicht durch eine Verord­nungs­er­mäch­tigung des Postgesetzes gedeckt. Denn der seit 1998 unverändert geltende postgesetzliche Entgeltmaßstab der Effizienzkosten für den Gewinnzuschlag stellt auf die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals des regulierten Unternehmens ab. Dieser Kostenbegriff erfasst keinen Gewinnzuschlag, der sich an Gewinnmargen vergleichbarer Unternehmen auf vergleichbaren anderen Märkten orientiert.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ku)

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