15.11.2024
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Dokument-Nr. 18298

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Urteil28.05.2014BundesverwaltungsgerichtBVerwG 6 A 1.13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AnwBl 2014, 1055Zeitschrift: Anwaltsblatt (AnwBl), Jahrgang: 2014, Seite: 1055
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Bundesverwaltungsgericht Urteil28.05.2014

Klage gegen strategische Tele­kommunikations­über­wachung durch den BND erfolglosBloße Möglichkeit einer erfolgten Überwachung des E-Mail-Verkehrs für Feststel­lungsklage nicht ausreichend

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat die Klage eines Rechtsanwalts abgewiesen, der sich gegen die strategische Tele­kommunikations­über­wachung im Jahre 2010 durch den Bundes­nachrichten­dienst gewandt hat.

Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmel­de­ge­heim­nisses ist der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, die Telekom­mu­ni­kation zu überwachen und aufzuzeichnen. Bei der so genannten strategischen Telekommunikationsüberwachung werden bestimmte internationale Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­be­zie­hungen anhand vorher festgelegter Suchbegriffe durchsucht. Nach dem Bericht des Parla­men­ta­rischen Kontroll­gremiums wurden dabei aufgrund der im Jahre 2010 verwendeten Suchbegriffe (3.752 Suchbegriffe im Bereich "Internationaler Terrorismus", 26.147 Suchbegriffe im Bereich "Proliferation und konventionelle Rüstung" sowie 634 Suchbegriffe im Bereich "Illegale Schleusung") 37 Mio. "Treffer" erzielt, die weiter bearbeitet wurden. Sie betrafen fast ausschließlich den E-Mail-Verkehr. Von den so genannten Treffern wurden schließlich 213 (davon zwölf E-Mails) als nachrich­ten­dienstlich relevant eingestuft.

Rechtsanwalt rügt Verletzung des Fernmel­de­ge­heimnises durch strategische Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung durch den Bundes­nach­rich­ten­dienst

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist Rechtsanwalt und Mitglied verschiedener (deutscher und internationaler) Anwalts­or­ga­ni­sa­tionen. Nach seinen Angaben kommuniziert er seit vielen Jahren per E-Mail häufig mit ausländischen Mandanten, Kollegen und anderen Gespräch­s­partnern, vielfach in Angelegenheiten, die dem Anwalts­ge­heimnis unterliegen. Er müsse damit rechnen, dass auch seine anwaltliche Korrespondenz erfasst und gelesen worden sei. Der Kläger hält die Vorschriften des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmel­de­ge­heim­nisses für verfas­sungs­widrig, soweit sie die strategische Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung betreffen, weil sie nicht geeignet seien, die Menge insbesondere der erfassten E-Mails wirksam auf das Maß zu begrenzen, das für eine legitime Ausland­sauf­klärung erforderlich sei. Jedenfalls hätten die im Jahre 2010 verwendeten Suchbegriffe wegen ihrer Weite eine unver­hält­nis­mäßige Erfassung des E-Mail-Verkehrs zur Folge gehabt. Der Kläger hat deshalb beim erstinstanzlich zuständigen Bundes­ver­wal­tungs­gericht Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass der Bundes­nach­rich­ten­dienst durch die strategische Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung im Jahre 2010 insbesondere bezogen auf den E-Mail-Verkehr sein Fernmel­de­ge­heimnis verletzt hat.

Feststel­lungsklage nur bei tatsächlich erfolgter Erfassung des Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­verkehrs zulässig

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Nach der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung muss die Feststellungsklage sich auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen. Mit der Feststel­lungsklage kann nicht allgemein, also losgelöst von einer eigenen, konkret feststehenden Betroffenheit die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen einer verwal­tungs­ge­richt­lichen Überprüfung zugeführt werden. Die erhobene Feststel­lungsklage wäre deshalb nur zulässig gewesen, wenn der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­verkehr des Klägers, insbesondere sein E-Mail-Verkehr im Jahre 2010 im Zuge der strategischen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung durch den Bundes­nach­rich­ten­dienst tatsächlich erfasst worden wäre. Hingegen genügt es nicht, wenn sich nur die Möglichkeit nicht ausschließen lässt, dass auch von ihm versandte oder an ihn gerichtete E-Mails von der Überwachung erfasst waren. Dass der E-Mail-Verkehr des Klägers im Jahre 2010 von der strategischen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung tatsächlich erfasst war, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht feststellen können. Die Wahrschein­lichkeit einer Erfassung des Klägers war zudem begrenzt, weil die strategische Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung durch den Bundes­nach­rich­ten­dienst fragmentarisch ist.

Konkrete Betroffenheit muss als Voraussetzung einer zulässigen Klage feststehen

Aufgrund der einschlägigen Vorschriften des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmel­de­ge­heim­nisses, die für sich verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden sind, sind alle 2010 erfassten, aber nachrich­ten­dienstlich irrelevanten E-Mails, gelöscht. Dasselbe gilt für die Daten über die vorgeschriebene Protokollierung dieser Löschung. Zwar gerät ein Kläger durch die Heimlichkeit der Überwachung einerseits, die gesetzlichen Löschungs­vor­schriften andererseits in eine Beweisnot, für den Fall seiner tatsächlichen Betroffenheit diese belegen zu können. Dennoch ist es nicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise geboten, von dem Erfordernis abzusehen, dass die konkrete Betroffenheit des Klägers selbst als Voraussetzung einer zulässigen Klage feststehen muss. Weil sich die bloße Möglichkeit einer Betroffenheit schwerlich ausschließen lässt, würde damit letztlich eine allgemeine Kontrolle durch die Verwal­tungs­ge­richte eröffnet. Diese Kontrolle wird jedoch nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmel­de­ge­heim­nisses schon durch die unabhängige und mit effektiven Kontroll­be­fug­nissen ausgestattete G-10-Kommission des Bundestages gewährleistet.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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