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Bundesverwaltungsgericht Urteil30.09.2009
Bundesverwaltungsgericht zu Transparenzregeln des Parlaments: Abgeordnete müssen Einkünfte aus Nebentätigkeiten offenlegenSchily und Kröning müssen Nebeneinkünfte bis in Detail offen legen - Richter heben aber Festsetzung von Ordnungsgeldern auf
Das Bundesverwaltungsgericht, das in erster und letzter Instanz für Klagen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegen Maßnahmen nach den sog. Transparenzregeln des Parlaments zuständig ist, hat den Klagen zweier Abgeordneter gegen Sanktionen wegen einer Verletzung dieser Regelungen teilweise stattgegeben.
Nach den im Abgeordnetengesetz und in der Geschäftsordnung des Bundestages festgelegten Transparenzregeln müssen die Abgeordneten dem Bundestagspräsidenten entgeltliche Tätigkeiten, die sie neben dem Mandat ausüben, und die dafür erhaltenen Einkünfte anzeigen, wenn die Einnahmen bestimmte Freibeträge übersteigen. Unterliegen die Abgeordneten bei ihrer beruflichen Tätigkeit einer Pflicht zur Verschwiegenheit, können sie ihren jeweiligen Vertragspartner oder Auftraggeber in anonymisierter Form angeben. Die Angaben der Abgeordneten werden im amtlichen Handbuch und auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Dabei werden die angezeigten Einkünfte nicht als konkrete Beträge, sondern in Gestalt einer von drei Einkommensstufen (von 1 000 bis 3 500 €, von 3 501 bis 7 000 € bzw. über 7 000 € monatlich) ausgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 4. Juli 2007 die Transparenzregelungen für mit dem verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten im Grundsatz vereinbar erklärt.
Otto Schily und Volker Kröning berufen sich auf anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit
In den nunmehr von dem Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen hatten sich Otto Schily MdB und Volker Kröning MdB, die neben ihrem Mandat als Einzelanwälte tätig sind, darauf berufen, ihre anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit verbiete ihnen, dem Präsidenten des Deutschen Bundestages die genauen Beträge der Honorare anzugeben, die sie für die von ihnen in den Jahren 2006 und 2007 wahrgenommenen einzelnen Mandate erhalten hatten. Außerdem würden durch die Ausgestaltung und Anwendung der Anzeigepflichten die als Einzelanwälte arbeitenden Abgeordneten gegenüber ihren in Anwaltssozietäten tätigen Kollegen benachteiligt. Daraufhin hatte zunächst das Präsidium des Deutschen Bundestages jeweils festgestellt, dass die Kläger ihre Pflichten nach den Transparenzregelungen verletzt hätten. Diese Feststellungen waren als Bundestagsdrucksachen veröffentlicht worden. Weiterhin hatte der Präsident des Deutschen Bundestages von ihnen per Bescheid Ordnungsgelder gefordert, die zuvor durch das Präsidium festgesetzt worden waren.
BVerwG weist die Klagen ab - hebt aber die Ordnungsgeldbescheide auf
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen gegen die Feststellungen der Pflichtverletzung abgewiesen, die Ordnungsgeldbescheide hat es aufgehoben.
BVerwG: Transparenzregeln verletzten nicht die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit
Die Kläger waren an der Erfüllung der Anzeigeerfordernisse nicht durch ihre anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit gehindert. Die Transparenzregeln enthalten hinreichende Vorkehrungen dafür, dass die Verschwiegenheit im Regelfall gewahrt bleibt. Soweit es ausnahmsweise zu einer Beeinträchtigung der Verschwiegenheitspflicht kommen kann, ist dies durch den Zweck der Transparenzregeln gerechtfertigt.
Richter sehen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Dagegen rügen die Kläger zu Recht, dass die Einzelanwälte unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Vergleich zu den in einer Anwaltssozietät tätigen Abgeordneten benachteiligt werden, weil von diesen Anwälten die Angabe einzelner Mandate oder erzielter Einkünfte nicht gefordert wird. Diese Praxis widerspricht den Transparenzregeln. Diese sind nach ihrem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass grundsätzlich alle neben dem Mandat ausgeübten entgeltlichen Tätigkeiten und die daraus fließenden wirtschaftlichen Vorteile angezeigt werden müssen. Mit diesem Zweck ist nicht vereinbar, gerade die wirtschaftlich sehr erfolgreichen Partner großer Anwaltssozietäten von den Anzeigepflichten auszunehmen.
Keine Gleichbehandlung im Unrecht - Keine Ordnungsgelder
Was die Feststellungen der Pflichtverletzungen anbelangt, können sich die Kläger auf die gleichheitswidrige Verwaltungspraxis nicht berufen. Denn sie haben insoweit keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht. Das Präsidium und der Präsident des Deutschen Bundestages sind jedoch gehalten, die Praxis umgehend zu ändern und die Sozietätsanwälte in die Transparenzregeln einzubeziehen. Wegen der bislang unvollkommenen Anwendung der Transparenzregeln stellt sich die mit einer zusätzlichen Prangerwirkung verbundene Auferlegung von Ordnungsgeldern über die förmlichen Feststellungen von Pflichtverstößen hinaus als ermessensfehlerhaft dar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.10.2009
Quelle: ra-online, Bundesverwaltungsgericht
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