03.12.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil21.01.2010

BVerwG zum Anspruch auf gleiche Förderung von Kindergärten mit überörtlichem EinzugsbereichVerstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz – Zuschuss­pau­schale für Kindergärten mit verlängerten Öffnungszeiten zu niedrig bemessen

Die Regelungen des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2006 bis 2008 zur Förderung von Kindergärten, die Kinder von anderen Gemeinden als der Stand­ort­ge­meinde aufgenommen haben und nicht in deren Bedarfsplanung einbezogen waren, ist teilweise unwirksam. Dies geht aus einem Urteil des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hervor.

Die Zuschuss­pau­schale für solche Kindergärten mit verlängerten Öffnungszeiten in der baden-württem­ber­gischen „Verordnung des Kultus­mi­nis­teriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales über die Förderung von Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen mit gemein­de­über­grei­fendem Einzugsgebiet" (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 KiTaGVO*) war unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) zu niedrig bemessen.

Sachverhalt

Die Antragsteller des Ausgangs­ver­fahrens vor dem Verwal­tungs­ge­richtshof Mannheim sind in Baden-Württemberg Träger von Waldorf-Kindergärten und als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Ihre Kindergärten wurden außer von Kindern aus der jeweiligen Stand­ort­ge­meinde auch von Kindern aus benachbarten Gemeinden besucht. Die Kinder­gar­ten­plätze waren entweder nicht oder nur teilweise in die Bedarfsplanung der jeweiligen Stand­ort­ge­meinde aufgenommen. Das Kinder­ta­ges­be­treu­ungs­gesetz 2006 (KiTaG) sah für solche Kinder­gar­ten­plätze einen Anspruch auf Förderung nur durch pauschale Zuschüsse der Wohnsitz­ge­meinden vor, soweit in der Wohnsitz­ge­meinde kein gleichwertiger Platz zur Verfügung stand. Die Höhe dieser platzbezogenen Zuschüsse war durch Verordnung festzulegen**. Die angegriffene Platzpauschale erreichte höchstens 30 % der Betriebskosten und blieb damit deutlich hinter der gesetzlichen Förderquote von 63 % für solche Kinder­gar­ten­plätze zurück, die in die Bedarfsplanung der Stand­ort­ge­meinde aufgenommen waren.

Normen­kon­trol­lantrag durch VGH im Wesentlichen abgewiesen

Mit einem Normen­kon­trol­lantrag (nach § 47 VwGO) wandten sich die Antragsteller gegen diese Verordnung aus dem Jahre 2006 (KiTaGVO). Sie machten geltend, die Förder­re­ge­lungen verstießen gegen Bundesrecht (Achtes Buch Sozial­ge­setzbuch [Kinder- und Jugendhilfe] - SGB VIII). Die Kinder­gar­ten­för­derung hätte nicht auf die Gemeinden übertragen werden dürfen. Der Verord­nungsgeber habe den angefochtenen platzbezogenen Zuschuss für Einrichtungen mit gemein­de­über­grei­fendem Einzugsbereich, die nicht in der Bedarfsplanung enthalten seien, zu niedrig bemessen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat den Normen­kon­trol­lantrag im Wesentlichen abgewiesen und das System und die Höhe der Förderung als rechtmäßig bewertet. Die Antragsteller hätten nicht zuletzt die Möglichkeit gehabt, die Aufnahme in die Bedarfsplanung der Stand­ort­ge­meinde notfalls einzuklagen und dadurch in den Genuss einer höheren Förderung zu gelangen.

Förderanspruch bestand weder gegen Stand­ort­ge­meinden noch gegen Wohnsitz­ge­meinden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat § 1 Abs. 1 Nr. 3 KiTaGVO für unwirksam erklärt und der Revision der Antragsteller stattgegeben. Die Höhe des platzbezogenen Zuschusses der Wohnsitz­ge­meinden gewährleistete den Trägern solcher gemein­de­über­grei­fenden Kindergärten keine gleich­heits­gemäße Förderung. Die Antragsteller hatten für ihre mit auswärtigen Kindern belegten Plätze weder einen rechtlich gesicherten Förderanspruch gegen die Stand­ort­ge­meinden durch Aufnahme in deren Bedarfsplanung noch einen annähernd gleich hohen Förderanspruch gegen die Wohnsitz­ge­meinden.

Grundrecht auf Gleich­be­handlung gebietet Förderung durch Wohnort­ge­meinden

Der Verwal­tungs­ge­richtshof ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Länder die Finanzierung von Tages­ein­rich­tungen nach dem Bundesrecht (§ 74 a SGB VIII) eigenständig regeln und eine Förderung allein durch die Gemeinden vorsehen durften. Die Antragsteller hatten zwar keinen Anspruch auf eine nach Form und Höhe identische Förderung. Ihr Grundrecht auf Gleich­be­handlung gebot aber eine Förderung in etwa gleicher Höhe durch die Wohnort­ge­meinden, solange sie eine entsprechende Förderung durch die Stand­ort­ge­meinde nicht durchsetzen konnten. Denn auch Kinder­gar­ten­plätze mit einem alternativen pädagogischen Konzept, die in der Wohnsitz­ge­meinde nicht angeboten wurden, erfüllten einen Bedarf, der nach den allgemeinen Prinzipien des SGB VIII (Gewährleistung eines pluralen Leistungs­an­gebots, Achtung der Auswahlfreiheit der Eltern und Kinder sowie Vorrang der Angebote freier Träger vor staatlichen Einrichtungen) zu decken war. Dann aber durfte der Träger einer solchen Einrichtung bei der Höhe der Förderung nicht benachteiligt werden. Die Benachteiligung der Antragsteller ist für die Vergangenheit auszugleichen.

*§ 1 Abs. 1 KiTaGVO vom 19. Juni 2006 lautet

(1) Der platzbezogene Zuschuss der Wohnsitz­ge­meinden beträgt pro Kalenderjahr für jedes Kind in

1. Halbtags­kin­der­gärten 600 Euro,

2. Regel­kin­der­gärten 720 Euro,

3. Kindergärten mit verlängerten Öffnungszeiten 840 Euro,

4. Tages­ein­rich­tungen mit alters­ge­mischten Gruppen 984 Euro,

5. Ganztags­kin­der­gärten 1.320 Euro.

**§ 8 Abs. 3 KiTaG 2006 bestimmte hierzu

(3) Träger von Einrichtungen im Sinne von Absatz 2 mit gemein­de­über­grei­fendem Einzugsgebiet, die nicht oder nicht bezüglich aller Plätze in die Bedarfsplanung aufgenommen sind, erhalten von der Wohnsitz­ge­meinde des jeweiligen Kindes einen jährlichen platzbezogenen Zuschuss für jeden nicht in der Bedarfsplanung enthaltenen Platz, soweit in der Wohnsitz­ge­meinde kein gleichwertiger Platz zur Verfügung steht. Die Höhe des jährlichen platzbezogenen Zuschusses für die verschiedenen Betreuungs- und Betriebsformen wird durch Rechts­ver­ordnung des Kultus­mi­nis­teriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales festgelegt. Änderungen der Rechts­ver­ordnung bedürfen der Zustimmung des zuständigen Ausschusses des Landtags. Die Stand­ort­ge­meinde kann gleichzeitig auch Wohnsitz­ge­meinde sein.

Quelle: ra-online, BVerwG

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