Dokument-Nr. 17772
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- NJW 2014, 2218Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2218
Bundesverwaltungsgericht Urteil27.02.2014
Streikverbot für Beamte vorerst weiterhin gültigGesetzgeber muss die Kollision mit Europäischer Menschenrechtskonvention auflösen
Beamtete Lehrer dürfen sich auch weiterhin nicht an Streiks beteiligen, zu denen die Gewerkschaften ihre angestellten Kollegen aufrufen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Lehrerin, die in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit dem beklagten Land stand, blieb im Jahr 2009 dreimal dem Unterricht fern, um an Warnstreiks teilzunehmen, zu denen die Gewerkschaft GEW während der auch von ihr geführten Tarifverhandlungen aufgerufen hatte. Die Gewerkschaft wollte ihrer Forderung nach einer Gehaltserhöhung von 8 % und deren anschließender Übernahme in die Beamtenbesoldung Nachdruck verleihen.
Land verhängt Geldbuße gegen Lehrerin
Die Klägerin hatte ihr Fernbleiben der Schulleiterin angekündigt, die sie auf das beamtenrechtliche Streikverbot hingewiesen hatte. Die Beklagte verhängte gegen die Klägerin durch Disziplinarverfügung eine Geldbuße von 1.500 Euro wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst. Die Anfechtungsklage ist in der Berufungsinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht erfolglos geblieben.
Deutsches Verfassungsrecht sieht für alle Beamten generelles statusbezogenes Streikverbot vor
Die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht dem Grunde nach zurückgewiesen; es hat jedoch die Geldbuße auf 300 Euro ermäßigt. Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Nach deutschem Verfassungsrecht gilt für alle Beamten unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich ein generelles statusbezogenes Streikverbot, das als hergebrachter Grundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG Verfassungsrang genießt. Dieses Streikverbot gilt auch für Beamte außerhalb des engeren Bereichs der Hoheitsverwaltung, der nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten vorbehalten ist. In der deutschen Rechtsordnung stellt das Streikverbot einen wesentlichen Bestandteil des in sich austarierten spezifisch beamtenrechtlichen Gefüges von Rechten und Pflichten dar. Es ist Sache der Dienstherren, diese Rechte und Pflichten unter Beachtung insbesondere der verfassungsrechtlichen Bindungen zu konkretisieren und die Arbeitsbedingungen der Beamten festzulegen.
Nach Auslegung des EGMR gehören deutsche öffentliche Schulen und dort beschäftigte Lehrkräfte nicht zur Staatsverwaltung im Sinne der Menschenrechtskonvention
Demgegenüber entnimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als authentischer Interpret der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) deren Art. 11 Abs. 1 ein Recht der Staatsbediensteten auf Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen und ein daran anknüpfendes Streikrecht. Diese Rechte können von den Mitgliedstaaten des Europarats nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK nur für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staatsverwaltung generell ausgeschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des EGMR gehören nur solche Staatsbedienstete - unabhängig von ihrem Rechtsstatus - der hoheitlichen Staatsverwaltung an, die an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt sind. Die deutschen öffentlichen Schulen und die dort unterrichtenden, je nach Bundesland teils beamteten, teils tarifbeschäftigten Lehrkräfte, gehören nicht zur Staatsverwaltung im Sinne der EMRK. Die Bundesrepublik ist völkervertrags- und verfassungsrechtlich verpflichtet, Art. 11 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR in der deutschen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen.
Gesetzgeber muss Statusrecht der Beamten aufgrund der Kollisionslage zwischen deutschem Verfassungsrecht und EMRK neu regeln und fortentwickeln
Damit enthält die deutsche Rechtsordnung derzeit einen inhaltlichen Widerspruch in Bezug auf das Recht auf Tarifverhandlungen und das Streikrecht derjenigen Beamten, die außerhalb der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind. Zur Auflösung dieser Kollisionslage zwischen deutschem Verfassungsrecht und der EMRK ist der Bundesgesetzgeber berufen, der nach Art. 33 Abs. 5, Art. 74 Nr. 27 GG das Statusrecht der Beamten zu regeln und fortzuentwickeln hat. Hierfür stehen ihm voraussichtlich verschiedene Möglichkeiten offen. So könnte er etwa die Bereiche der hoheitlichen Staatsverwaltung, für die ein generelles Streikverbot gilt, bestimmen und für die anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung die einseitige Regelungsbefugnis der Dienstherren zugunsten einer erweiterten Beteiligung der Berufsverbände der Beamten einschränken. Die Zuerkennung eines Streikrechts für die in diesen Bereichen tätigen Beamten würde einen Bedarf an Änderungen anderer, den Beamten günstiger Regelungen, etwa im Besoldungsrecht, nach sich ziehen.
Besoldungsgesetzgeber sind verfassungsrechtlich an Abkopplung der Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklungen gehindert
Für die Übergangszeit bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung verbleibt es bei der Geltung des verfassungsunmittelbaren Streikverbots. Hierfür ist von Bedeutung, dass den Tarifabschlüssen für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes aufgrund des Alimentationsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 5 GG maßgebende Bedeutung für die Beamtenbesoldung zukommt. Die Besoldungsgesetzgeber im Bund und in den Ländern sind verfassungsrechtlich gehindert, die Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung, die in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck kommt, abzukoppeln.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.02.2014
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online
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