14.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil27.02.2014

Streikverbot für Beamte vorerst weiterhin gültigGesetzgeber muss die Kollision mit Europäischer Menschen­rechts­konvention auflösen

Beamtete Lehrer dürfen sich auch weiterhin nicht an Streiks beteiligen, zu denen die Gewerkschaften ihre angestellten Kollegen aufrufen. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Lehrerin, die in einem Beamten­ver­hältnis auf Lebenszeit mit dem beklagten Land stand, blieb im Jahr 2009 dreimal dem Unterricht fern, um an Warnstreiks teilzunehmen, zu denen die Gewerkschaft GEW während der auch von ihr geführten Tarif­ver­hand­lungen aufgerufen hatte. Die Gewerkschaft wollte ihrer Forderung nach einer Gehaltserhöhung von 8 % und deren anschließender Übernahme in die Beamten­be­soldung Nachdruck verleihen.

Land verhängt Geldbuße gegen Lehrerin

Die Klägerin hatte ihr Fernbleiben der Schulleiterin angekündigt, die sie auf das beamten­rechtliche Streikverbot hingewiesen hatte. Die Beklagte verhängte gegen die Klägerin durch Diszi­pli­na­r­ver­fügung eine Geldbuße von 1.500 Euro wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst. Die Anfech­tungsklage ist in der Berufungs­instanz vor dem Oberver­wal­tungs­gericht erfolglos geblieben.

Deutsches Verfas­sungsrecht sieht für alle Beamten generelles statusbezogenes Streikverbot vor

Die Revision der Klägerin hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht dem Grunde nach zurückgewiesen; es hat jedoch die Geldbuße auf 300 Euro ermäßigt. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Nach deutschem Verfas­sungsrecht gilt für alle Beamten unabhängig von ihrem Tätig­keits­bereich ein generelles statusbezogenes Streikverbot, das als hergebrachter Grundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG Verfassungsrang genießt. Dieses Streikverbot gilt auch für Beamte außerhalb des engeren Bereichs der Hoheits­ver­waltung, der nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten vorbehalten ist. In der deutschen Rechtsordnung stellt das Streikverbot einen wesentlichen Bestandteil des in sich austarierten spezifisch beamten­recht­lichen Gefüges von Rechten und Pflichten dar. Es ist Sache der Dienstherren, diese Rechte und Pflichten unter Beachtung insbesondere der verfas­sungs­recht­lichen Bindungen zu konkretisieren und die Arbeits­be­din­gungen der Beamten festzulegen.

Nach Auslegung des EGMR gehören deutsche öffentliche Schulen und dort beschäftigte Lehrkräfte nicht zur Staats­ver­waltung im Sinne der Menschen­rechts­kon­vention

Demgegenüber entnimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als authentischer Interpret der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) deren Art. 11 Abs. 1 ein Recht der Staats­be­diensteten auf Tarif­ver­hand­lungen über die Arbeits­be­din­gungen und ein daran anknüpfendes Streikrecht. Diese Rechte können von den Mitgliedstaaten des Europarats nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK nur für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staats­ver­waltung generell ausgeschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des EGMR gehören nur solche Staats­be­dienstete - unabhängig von ihrem Rechtsstatus - der hoheitlichen Staats­ver­waltung an, die an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt sind. Die deutschen öffentlichen Schulen und die dort unterrichtenden, je nach Bundesland teils beamteten, teils tarif­be­schäf­tigten Lehrkräfte, gehören nicht zur Staats­ver­waltung im Sinne der EMRK. Die Bundesrepublik ist völkervertrags- und verfas­sungs­rechtlich verpflichtet, Art. 11 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR in der deutschen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen.

Gesetzgeber muss Statusrecht der Beamten aufgrund der Kollisionslage zwischen deutschem Verfas­sungsrecht und EMRK neu regeln und fortentwickeln

Damit enthält die deutsche Rechtsordnung derzeit einen inhaltlichen Widerspruch in Bezug auf das Recht auf Tarif­ver­hand­lungen und das Streikrecht derjenigen Beamten, die außerhalb der hoheitlichen Staats­ver­waltung tätig sind. Zur Auflösung dieser Kollisionslage zwischen deutschem Verfas­sungsrecht und der EMRK ist der Bundes­ge­setzgeber berufen, der nach Art. 33 Abs. 5, Art. 74 Nr. 27 GG das Statusrecht der Beamten zu regeln und fortzu­ent­wickeln hat. Hierfür stehen ihm voraussichtlich verschiedene Möglichkeiten offen. So könnte er etwa die Bereiche der hoheitlichen Staats­ver­waltung, für die ein generelles Streikverbot gilt, bestimmen und für die anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung die einseitige Regelungs­be­fugnis der Dienstherren zugunsten einer erweiterten Beteiligung der Berufsverbände der Beamten einschränken. Die Zuerkennung eines Streikrechts für die in diesen Bereichen tätigen Beamten würde einen Bedarf an Änderungen anderer, den Beamten günstiger Regelungen, etwa im Besoldungsrecht, nach sich ziehen.

Besol­dungs­ge­setzgeber sind verfas­sungs­rechtlich an Abkopplung der Beamten­be­soldung von der Einkom­men­s­ent­wick­lungen gehindert

Für die Übergangszeit bis zu einer bundes­ge­setz­lichen Regelung verbleibt es bei der Geltung des verfas­sungs­un­mit­telbaren Streikverbots. Hierfür ist von Bedeutung, dass den Tarif­ab­sch­lüssen für die Tarif­be­schäf­tigten des öffentlichen Dienstes aufgrund des Alimen­ta­ti­o­ns­grund­satzes nach Art. 33 Abs. 5 GG maßgebende Bedeutung für die Beamten­be­soldung zukommt. Die Besol­dungs­ge­setzgeber im Bund und in den Ländern sind verfas­sungs­rechtlich gehindert, die Beamten­be­soldung von der Einkom­men­s­ent­wicklung, die in den Tarif­ab­sch­lüssen zum Ausdruck kommt, abzukoppeln.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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