21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil04.09.2012

Sprach­er­for­dernis beim Nachzug zu Deutschen nur eingeschränkt erforderlichBemühungen zum Erwerb einfacher Sprach­kenntnisse innerhalb eines Jahres nicht möglich: Visum zum Ehegat­ten­nachzug muss dennoch erteilt werden

Das gesetzliche Erfordernis des Nachweises deutscher Sprach­kenntnisse beim Nachzug ausländischer Ehegatten zu Deutschen gilt nur eingeschränkt. Anders als beim Nachzug zu ausländischen Staats­an­ge­hörigen muss hier das Visum zum Ehegat­ten­nachzug schon dann erteilt werden, wenn Bemühungen zum Erwerb einfacher Sprach­kenntnisse im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder nicht innerhalb eines Jahres erfolgreich sind. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist eine afghanische Staats­an­ge­hörige. Sie heiratete einen Landsmann, der 1999 nach Deutschland eingereist war und mittlerweile neben der afghanischen auch die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt. Im Mai 2008 beantragte sie bei der Deutschen Botschaft in Kabul die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrem Ehemann. Den Antrag lehnte die Botschaft ab, da die Klägerin, die vorträgt, Analphabetin zu sein, keine ausreichenden deutschen Sprach­kenntnisse nachgewiesen habe.

VG erklärt vorübergehende Rückkehr des Ehemanns nach Afghanistan zur Führung der Ehe für zumutbar

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hat ihre Klage abgewiesen. Es hält die Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, wonach das Sprach­er­for­dernis beim Nachzug zu einem ausländischen Ehepartner mit dem Grundgesetz vereinbar ist, für übertragbar auf den Ehegattennachzug zu einem Deutschen. Es sei nicht erkennbar, warum es dem eingebürgerten Ehemann unzumutbar sein sollte, vorübergehend zur Führung der Ehe nach Afghanistan zurückzukehren.

Sprach­er­for­dernis dient Integration und Verhinderung von Zwangsehen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts auf die Sprungrevision der Klägerin aufgehoben. Nach dem Aufent­halts­gesetz ist beim Ehegat­ten­nachzug zu einem Deutschen das für den Nachzug zu einem ausländischen Ehegatten geltende Sprach­er­for­dernis lediglich entsprechend anzuwenden (§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Allerdings setzt auch ein Anspruch auf Nachzug zu einem deutschen Ehepartner nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich voraus, dass der nachziehende Ehegatte bereits vor der Einreise über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dies dient vor allem der Integration, aber auch der Verhinderung von Zwangsehen und ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG verpflichtet aber zu einem schonenden Ausgleich dieser öffentlichen Interessen mit dem privaten Interesse der Betroffenen an einem ehelichen und familiären Zusammenleben im Bundesgebiet.

Zur Erlangung der Aufent­halt­s­er­laubnis müssen erforderliche Sprach­kenntnisse umgehend nach Einreise in Deutschland erworben werden

Bei dieser Inter­es­se­n­ab­wägung fällt ins Gewicht, dass von einem Deutschen grundsätzlich nicht verlangt werden darf, die Ehe im Ausland zu führen. Vielmehr gewährt ihm - anders als einem Ausländer - das Grundrecht des Art. 11 GG das Recht zum Aufenthalt in Deutschland. Eine verfas­sungs­konforme Anwendung der gesetzlichen Regeln zum Sprach­er­for­dernis ist daher geboten. Ihre lediglich „entsprechende“ Anwendung, die § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG vorsieht, gebietet daher, dass von dem ausländischen Ehepartner nur zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb verlangt werden dürfen, die den zeitlichen Rahmen von einem Jahr nicht überschreiten. Sind entsprechende Bemühungen im Herkunftsstaat zumutbarerweise nicht möglich oder führen sie innerhalb eines Jahres nicht zum Erfolg, ist dem ausländischen Ehegatten ein Einreisevisum zu erteilen. Die erforderlichen Sprach­kenntnisse müssen dann allerdings nach der Einreise in Deutschland erworben werden, um eine Aufent­halt­s­er­laubnis als Ehegatte zu erhalten. Unerheblich ist, dass der Ehemann der Klägerin neben der deutschen auch die afghanische Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt. Das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts enthält keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob der Klägerin das Erlernen der deutschen Sprache unter Berück­sich­tigung ihrer konkreten Lebens­ver­hältnisse in Afghanistan in zumutbarer Weise innerhalb eines Jahres möglich war. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat den Rechtsstreit daher zur weiteren Aufklärung an das Verwal­tungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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