21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil28.03.2019

Entstehen eines abgeleiteten unions­recht­lichen Aufent­halts­rechts auch nach Aufhebung einer ehelichen Lebens­ge­mein­schaft mit einem Unionsbürger möglichEhegatte eines Unionsbürgers muss für abgeleitetes Aufent­haltsrecht nicht notwen­di­gerweise ständig beim Unionsbürger wohnen

Ein abgeleitetes unions­recht­liches Aufent­haltsrecht kann bei einem dritt­staats­angehörigen Ehegatten eines in Deutschland lebenden freizügigkeits­berechtigten Unionsbürgers auch nach Aufhebung der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft entstehen kann. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein nigerianischer Staats­an­ge­höriger, heiratete 2008 in Griechenland eine bulgarische Staats­an­ge­hörige. Die Eheleute reisten 2012 gemeinsam zum Zwecke der Erwer­b­s­tä­tigkeit in das Bundesgebiet ein. Im Jahr 2014 trennten sie sich, und die Ehefrau des Klägers verzog allein nach Bulgarien. Seit August 2015 lebt sie - vom Kläger weiterhin getrennt - wieder in Deutschland. Im Jahr 2016 wurde die Ehe geschieden. Nach dem Wegzug der Ehefrau stellte die Auslän­der­behörde fest, dass der Kläger sein Freizü­gig­keitsrecht nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) in Verbindung mit der Richtlinie 2004/38/EG (sogenannte Unionsbürger-Richtlinie) verloren hat.

OVG: Aufent­haltsrecht des Klägers als Ehegatte einer Unionsbürgerin nach deren Wegzug erloschen

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungs­gericht ist davon ausgegangen, dass das Aufent­haltsrecht des Klägers als Ehegatte einer Unionsbürgerin mit deren Wegzug erloschen und mit ihrer Wiedereinreise mangels Wiederaufnahme einer ehelichen Lebens­ge­mein­schaft nicht neu entstanden ist.

Aufent­haltsrecht als dritt­staa­ten­an­ge­höriger Ehegatte entstand durch erneuten Aufenthalt der Ehefrau im Bundesgebiet neu und wurde durch Scheidung eigenständig

Auf die Revision des Klägers hob das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Entscheidung des Berufungs­ge­richts auf. Zwar sei in Anwendung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) das mit dem gemeinsamen Zuzug entstandene abgeleitete Aufent­haltsrecht des Klägers als dritt­staats­an­ge­höriger Ehegatte einer freizü­gig­keits­be­rech­tigten Unionsbürgerin mit dem Wegzug seiner Ehefrau erloschen. Es sei aber mit ihrer erneuten Aufent­haltsnahme im Bundesgebiet neu entstanden, wenn und soweit die Ehefrau nach ihrer Rückkehr (weiterhin) freizü­gig­keits­be­rechtigt war. Unter dieser Voraussetzung gehe es mit der Scheidung der Ehe nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG in ein eigenständiges Aufent­haltsrecht über.

Unions­recht­liches Aufent­haltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers nicht gleichzusetzen mit nationalem Nachzugsrecht

Dem stehe nicht entgegen, dass die Eheleute nach der Rückkehr der Ehefrau weiterhin getrennt lebten. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH müsse der Ehegatte eines Unionsbürgers nicht notwen­di­gerweise ständig bei dem Unionsbürger wohnen, um Inhaber eines abgeleiteten Aufent­halts­rechts zu sein. Für ein "Begleiten" bzw. "Nachziehen" im Sinne des Unionsrechts genüge es vielmehr, dass sich beide Eheleute in dem Mitgliedstaat aufhalten, in dem der Unionsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Dies gelte bis zur Grenze des Rechts­miss­brauchs oder Betrugs (einschließlich des Eingehens einer Scheinehe). Damit unterscheide sich das unions­rechtliche Aufent­haltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers vom nationalen Nachzugsrecht, nach dem Aufent­halt­s­er­laubnisse aus familiären Gründen (nur) zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebens­ge­mein­schaft erteilt werden. Es bedürfe auch für das unions­rechtliche Aufent­haltsrecht bei getrennt lebenden Eheleuten nicht einer im Sinne des Ehe- und Famili­en­schutzes über das formale Band der Ehe hinausgehenden schutzwürdigen Beziehung.

Rückweisung der Sache an das Berufungs­gericht

Da das Berufungs­gericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die Ehefrau des Klägers bei Scheidung der Ehe freizü­gig­keits­be­rechtigt gewesen sei, konnte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht abschließend entscheiden und wies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurück.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm)

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