21.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 27607

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Bundesverwaltungsgericht Urteil04.07.2019

Prüfung von Abschiebungs­verboten: Bei "gelebter" Kernfamilie ist von gemeinsamer Rückkehr auszugehenGrundsatz gilt auch bei bereits zuerkanntem Abschie­bungs­schutz für einzelne Famili­en­mit­glieder

Bei der Prüfung von Abschiebungs­verboten nach nationalem Recht wegen der Verhältnisse im Herkunftsland hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) für die Gefah­ren­prognose im Regelfall davon auszugehen, dass Eltern und die mit ihnen zusam­men­le­benden minderjährigen Kinder ("gelebte" Kernfamilie) gemeinsam zurückkehren. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Famili­en­mit­glieder bereits Abschie­bungs­schutz genießen. Das geht aus einer Entscheidung des Bundes­verwaltungs­gerichts.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist afghanischer Staats­an­ge­höriger. Er reiste im Dezember 2015 zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellten einen Asylantrag, den das Bundesamt ablehnte.

OVG bejaht Abschie­bungs­verbot nur für Ehefrau und Kinder

Die auf Schutzgewähr gerichtete Klage wies das Verwal­tungs­gericht ab. Der allein wegen des Begehrens auf Feststellung von Abschie­bungs­verboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zugelassenen Berufung gab das Oberver­wal­tungs­gericht nur in Bezug auf die Ehefrau und die Kinder statt. Bei der gebotenen individuellen Betrachtung läge für sie ein Abschie­bungs­verbot vor, weil die Mutter wegen der Betreuungs- und Erzie­hungs­aufgaben mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit das Existenzminimum für sich und ihre Kinder nicht werde erwirtschaften können. Der Kläger indes werde als (alleinstehender) gesunder, leistungs­fähiger Mann in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt auch ohne soziales Netzwerk auf niedrigem Niveau sicherzustellen. Für die Prüfung möglicher trennungs­be­dingter Verstöße gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als inlands­be­zogenes Vollstre­ckungs­hin­dernis sei die Auslän­der­behörde und nicht das Bundesamt zuständig.

Rückkehr einzelner Famili­en­mit­glieder ins Heimatland unwahr­scheinlich

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht verpflichtete das Bundesamt, auch für den Kläger ein Abschie­bungs­verbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ansatz des Oberver­wal­tungs­ge­richts, dass Abschie­bungs­verbote für jeden Schutzsuchenden gesondert zu prüfen sind. Bei der Prognose, welche Gefahren oder Schwierigkeiten im Herkunftsland drohen, ist indes auf eine zwar hypothetische, aber realitätsnahe Rückkehr­si­tuation abzustellen. Bei einer im Bundesgebiet tatsächlich "gelebten" Kernfamilie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern ist dabei im Regelfall davon auszugehen, dass deren Mitglieder entweder nicht oder nur gemeinsam zurückkehren. Nicht zu unterstellen ist, dass der Familienverband zerrissen wird und einzelne Famili­en­mit­glieder für sich allein in das Herkunftsland zurückkehren. Dies gilt auch dann, wenn einzelnen Mitgliedern der Kernfamilie bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für diese ein nationales Abschie­bungs­verbot festgestellt worden ist. Die bisherige Rechtsprechung, die in solchen Fällen eine Ausnahme vom Grundsatz der Rückkehr im Familienverband angenommen hatte, wird aufgegeben. Nicht zu entscheiden war, ob dieser Grundsatz auch dann greift, wenn eine Famili­en­trennung ausnahmsweise mit dem besonderen Familienschutz nach Art. 6 GG/Art. 8 EMRK vereinbar wäre.

Den Entscheidungen in den Verfahren BVerwG 1 C 49.18 und BVerwG 1 C 50.18 lagen im Kern vergleichbare Sachverhalte und Erwägungen zugrunde.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm/kg)

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