21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil25.03.2015

Längerer Ausland­s­auf­enthalt führt zum Verlust des assoziations­recht­lichen Aufent­halts­rechtsFast einein­halb­jähriger Ausland­s­auf­enthalt zerstört erreichten Integra­ti­o­ns­zu­sam­menhang im Bundesgebiet

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass ein türkischer Staats­an­ge­höriger, der das Bundesgebiet verlässt und über ein Jahr bei seiner Familie in der Türkei lebt, sein assoziations­recht­liches Aufent­haltsrecht verliert.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein türkischer Staats­an­ge­höriger, reiste erstmalig im Juli 1988 in das Bundesgebiet zu seiner türkischen Ehefrau, die als Arbeitnehmerin beschäftigt war. Nach Scheidung der Ehe heiratete er erneut. Da seine zweite Ehefrau Deutschland mit dem gemeinsamen Sohn nach einem erfolglosen Asylverfahren verlassen musste und auch kein Visum zum Familiennachzug erhielt, reiste der Kläger Anfang Oktober 2004 in die Türkei und hielt sich dort bis Ende März 2006 bei seiner Familie auf.

Aufent­haltsrecht des Assozia­ti­o­ns­be­rech­tigten erlischt bei Verlassen des Mitgliedstaates für längeren Zeitraum ohne berechtigte Gründe

Nach erneuter Einreise in das Bundesgebiet stellte die Auslän­der­behörde fest, dass der Kläger sein Aufent­haltsrecht aus Art. 7 ARB 1/80 durch den fast 18-monatigen Ausland­s­auf­enthalt verloren habe und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Die Klage hatte vor dem Verwal­tungs­gericht Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) erlösche das Aufent­haltsrecht, wenn der Assozia­ti­o­ns­be­rechtigte das Gebiet des Mitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Entgegen der Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts sei zur Konkretisierung in zeitlicher Hinsicht nicht auf die Zweijahresfrist des Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG (Unions­bür­ger­richtlinie), sondern auf die für dauer­auf­ent­halts­be­rechtigte Dritt­staats­an­ge­hörige in Art. 9 Absatz 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/109/EG (Dauer­auf­ent­halts­richtlinie) geregelte Frist von 12 aufein­an­der­fol­genden Monaten abzustellen.

12-Monatsfrist der Dauer­auf­ent­halts­richtlinie kommt gewichtige Indizwirkung für rechts­ver­nichtende Verlagerung des Lebens­mit­tel­punkts zu

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zur Konkretisierung des Zeitraumes, ab dem ein türkischer Staats­an­ge­höriger sein assozia­ti­o­ns­recht­liches Aufent­haltsrecht zu verlieren droht, kann entgegen der Auffassung der Revision nicht die Zweijahresfrist der Unions­bür­ger­richtlinie herangezogen werden. Denn der EuGH betont im Zusammenhang mit der anderen Fallgruppe des Erlöschens assozia­ti­o­ns­recht­licher Aufent­halts­rechte nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, dass das Assozia­ti­o­ns­ab­kommen EWG - Türkei nur wirtschaftliche Zwecke verfolge (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08). Demgegenüber formt die Unions­bür­ger­richtlinie über rein wirtschaftliche Zwecke hinaus die Unions­bür­ger­schaft mit ihren unmittelbar aus dem Vertrag erwachsenden elementaren Rechten der Unionsbürger aus, sich in jedem Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten. Mit dieser starken Rechtsstellung ist die eines assozia­ti­o­ns­be­rech­tigten türkischen Staats­an­ge­hörigen nicht vergleichbar. Daher liegt es nahe, bei dieser Personengruppe die Maßstäbe der Dauer­auf­ent­halts­richtlinie als unions­recht­lichen Bezugsrahmen nicht nur für die Bestimmung des Abschie­bungs­schutzes heranzuziehen. Für das Erlöschen nach einer Ausreise ist aber maßgeblich, ob der Betroffene das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Für die Konkretisierung dieses Erlöschens­grundes kommt der 12-Monatsfrist des Art. 9 Abs. 1 Buchst c der Dauer­auf­ent­halts­richtlinie eine gewichtige Indizwirkung für die rechts­ver­nichtende Verlagerung des Lebens­mit­tel­punkts zu.

Ausland­s­auf­enthalt erweist sich aus dem Blickwinkel des Assozia­ti­o­ns­rechts als nicht gerechtfertigt

So nachvollziehbar die Gründe des Klägers für seinen fast einein­halb­jährigen Aufenthalt bei seiner Familie in der Türkei erscheinen, erweisen sie sich doch aus dem Blickwinkel des Assozia­ti­o­ns­rechts als nicht gerechtfertigt. Denn Art. 7 ARB 1/80 bezweckt die Förderung der dauerhaften Integration des Familien­an­ge­hörigen durch Verschaffung eines autonomen Arbeits- und Aufent­halts­rechts im Aufnah­me­mit­gliedstaat. Durch Aufgabe seines Lebens­mit­tel­punktes im Bundesgebiet und den über einjährigen Ausland­s­auf­enthalt hat der Kläger den erreichten Integra­ti­o­ns­zu­sam­menhang jedoch selbst zerrissen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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