15.11.2024
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Dokument-Nr. 13771

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Bundesverwaltungsgericht Urteil10.07.2012

Keine Ausweisung mehr ohne BefristungWirkungen der Ausweisung muss mit Erlass der Auswei­sungs­ver­fügung befristet werden

Ein Ausländer, der ausgewiesen wird, kann beanspruchen, dass die Wirkungen der Ausweisung bereits mit dem Erlass der Auswei­sungs­ver­fügung befristet werden. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden.

Der Kläger des Ausgangs­ver­fahrens, ein 1964 geborener türkischer Staats­an­ge­höriger, zog mit zwölf Jahren zu seinen Eltern in das Bundesgebiet und erhielt 1987 eine Aufent­halts­be­rech­tigung. Er war verheiratet und hat zwei Töchter. Im November 2000 wurde er wegen Vergewaltigung seiner damaligen Ehefrau zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Zwischen 2005 und 2009 verbüßte er eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten u.a. wegen sexuellen Missbrauchs seiner älteren Tochter. Klage und Berufung gegen die von der Auslän­der­behörde ohne Befristung angeordnete Ausweisung und Abschie­bung­s­an­drohung hatten in den Vorinstanzen u.a. wegen der erhöhten Rückfa­ll­ge­fährdung des Klägers keinen Erfolg.

EuGH: Ausweisung bei bestehender schwerer Gefahr für Grundinteresse der Gesellschaft zulässig

Auf die Revision des Klägers hatte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Verfahren im Jahre 2009 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg die Frage vorgelegt, ob der in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Rates der Europäischen Union (Unions­bür­ger­richtlinie) geregelte Auswei­sungs­schutz von Unionsbürgern auf assozia­ti­o­ns­be­rechtigte und damit privilegierte türkische Staats­an­ge­hörige zu übertragen ist. Der EuGH hat die Frage in einem Paral­lel­ver­fahren verneint und entschieden, dass Art. 14 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegensteht, sofern das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnah­me­mit­glied­staats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08 - Ziebell).

BVerwG verpflichtet Auslän­der­behörde zur Befristung des mit der Ausweisung verbundenen Einreise- und Aufent­halts­verbots

Im Anschluss an diese Entscheidung hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nun festgestellt, dass die Ausweisung des Klägers diesen Maßstäben entspricht und deshalb die Revision insoweit zurückgewiesen. Zugleich hat er aber den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung zu befristen. Denn während des Revisi­ons­ver­fahrens ist das Richt­li­ni­e­n­um­set­zungs­gesetz 2011 in Kraft getreten, das u.a. der Umsetzung der unions­recht­lichen Richtlinie 2008/115/EG (Rückfüh­rungs­richtlinie) dient. Nach § 11 des Aufent­halts­ge­setzes (AufenthG) in der Fassung des Richt­li­ni­e­n­um­set­zungs­ge­setzes haben Ausländer einen Anspruch darauf, dass mit einer Ausweisung zugleich deren Wirkungen befristet werden. Dies entnimmt der Senat insbesondere der Rückfüh­rungs­richtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes und der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention. Hat die Auslän­der­behörde - wie hier unter der früheren Rechtslage - keine Befristung verfügt und erweist sich die Ausweisung ansonsten als rechtmäßig, ist über den Befris­tungs­an­spruch im gerichtlichen Verfahren gegen die Ausweisung mit zu entscheiden; der Behörde steht bei der Bemessung der Fristlänge kein Ermessen zu. Auf der Grundlage der für die tatsächliche Beurteilung maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungs­ge­richts hat der Senat die Auslän­der­behörde verpflichtet, das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufent­halts­verbot auf sieben Jahre zu befristen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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