Bundesverwaltungsgericht Urteil10.12.2014
Ausländer muss Kosten einer rechtswidrigen Sicherungshaft nicht tragenVerwaltungsgerichte müssen bei Überprüfung eines Kostenerstattungsbescheides auch Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung prüfen
Ein Ausländer haftet nicht für die Kosten einer rechtswidrigen Sicherungshaft. Bei der Überprüfung eines Kostenerstattungsbescheides müssen die Verwaltungsgerichte inzident auch die Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung prüfen, auf der die Haftunterbringung beruhte. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht.
Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein nigerianischer Staatsangehöriger, wurde im August 2009 von Beamten der Bundespolizei in Eisenhüttenstadt kontrolliert und gab sich unter Nennung falscher Personalien als kamerunischer Staatsangehöriger aus. Wegen des Verdachts der illegalen Einreise verfügte die Bundespolizei die Zurückschiebung des Klägers nach Kamerun und beantragte die Verhängung von Sicherungshaft. Aufgrund amtsgerichtlicher Anordnungen befand sich der Kläger von August 2009 bis zu seiner krankheitsbedingten Entlassung Ende Februar 2010 in Sicherungshaft. Die Bundespolizei forderte den Kläger zur Erstattung der aus Anlass der eingeleiteten Zurückschiebungsmaßnahmen entstandenen Kosten einschließlich der bis 5. Februar 2010 angefallenen Haftkosten auf.
OVG: Haftanordnung nicht rechtmäßig - Kläger haftet nicht für angefallenen Haftkosten
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen teilweise Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nicht für die in der Zeit vom 5. November 2009 bis 5. Februar 2010 angefallenen Haftkosten in Höhe von 11.590,09 Euro haftet. Für diesen Zeitraum fehle es an einer rechtmäßigen Haftanordnung, da dem Kläger im November 2009 anlässlich der Entscheidung des Amtsgerichts über die Verlängerung der Sicherungshaft nicht der Haftantrag der Bundespolizei ausgehändigt worden sei.
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BVerwG: Bei rechtswidriger gerichtlicher Haftanordnung besteht kein Anspruch auf Kostenersatz
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zwar muss ein Ausländer die Kosten, die durch eine Zurückschiebung entstehen, nach § 66 Aufenthaltsgesetz selbst tragen. Davon werden auch Kosten für vorbereitende Maßnahmen wie eine Haftunterbringung zur Sicherung einer beabsichtigten Zurückschiebung erfasst. Ein Anspruch auf Kostenersatz besteht allerdings nicht, wenn die Haftunterbringung auf einer rechtswidrigen gerichtlichen Haftanordnung beruht. Unerheblich ist in dem der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesenen Kostenerstattungsverfahren, dass die Anordnung einer Freiheitsentziehung zur Sicherung einer Zurückschiebung den ordentlichen Gerichten obliegt und der Ausländer gegen den Haft(verlängerungs)beschluss des Amtsgerichts keine Beschwerde beim Landgericht eingelegt hat. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies schließt auch rechtswegfremde Vorfragen ein, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist und die an sich zuständigen Gerichte über die streitige Vorfrage nicht mit materieller Rechtskraft entschieden haben. Für einen gesetzlichen Ausschluss der Inzidentkontrolle in Bezug auf Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen ist nichts ersichtlich. Auch erwachsen diese Entscheidungen nicht in materielle Rechtskraft, so dass andere Gerichte an die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes nicht gebunden sind.
Maßgeblichem Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts lag kein hinreichend begründeter Haftantrag zugrunde
Hier beruhte die Haftunterbringung ab dem 5. November 2009 schon deshalb auf einer rechtswidrigen Haftanordnung, weil dem maßgeblichen Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts kein hinreichend begründeter Haftantrag zugrunde lag.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.12.2014
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online