18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.01.2017

Verpflich­tungsgeber haftet auch nach Zuerkennung der Flüchtlings­eigenschaft für Lebens­unterhalts­kosten von Bürger­kriegs­flüchtlingenErstattungs­forderung des Jobcenters nicht unver­hält­nismäßig

Das Aufent­halts­gesetz ermöglicht die Einreise von Ausländern, bei denen sich ein Dritter verpflichtet hat, die Kosten des Lebens­un­terhalts zu tragen (§ 68 Aufent­halts­gesetz - AufenthG). Wird eine solche Verpflichtungs­erklärung zur Ermöglichung der Einreise syrischer Bürger­kriegs­flüchtlinge im Rahmen einer Landes­aufnahme­anordnung und damit zu einem humanitären Schutzzweck abgegeben, führt die Anerkennung als Flüchtling unter Erteilung einer entsprechenden Aufenthalts­erlaubnis nicht zu einem anderen Aufent­haltszweck und verpflichtet weiterhin zur Erstattung von Sozia­l­leis­tungen, die Begünstigte in der Folgezeit bezogen haben. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verwaltungs­gerichts hervor.

Die Kläger sind die Erben eines in Deutschland lebenden syrischen Staats­an­ge­hörigen, der sich durch Unterzeichnung formularmäßiger Erklärungen verpflichtet hatte, für den Lebensunterhalt seiner Nichte, ihres Ehemannes und deren Kindes "bis zur Beendigung des Aufenthalts … oder bis zur Erteilung eines Aufent­halt­s­titels zu einem anderen Aufent­haltszweck" aufzukommen. Dies sollte deren Einreise ermöglichen. Die Verwandten reisten im Juni 2014 mit einem Visum aus Syrien in das Bundesgebiet ein und erhielten Aufent­halt­s­er­laubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der Aufnah­me­a­n­ordnung des Ministeriums für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen betreffend syrische Bürger­kriegs­flüchtlinge. Im Dezember 2014 erkannte ihnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf die von ihnen gestellten Asylanträge die Flücht­lings­ei­gen­schaft zu. Das beklagte Jobcenter forderte mit Leistungs­be­scheid vom 3. September 2015 von dem Verpflich­tungsgeber die Erstattung von 8.832,75 Euro, die es für seine drei Verwandten im Zeitraum vom 11. Februar 2015 bis 31. August 2015 nach dem SGB II aufgewendet hatte. Das Verwal­tungs­gericht hat die Klage gegen den Erstat­tungs­be­scheid abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg.

"Aufent­haltszweck" im Sinne der abgegebenen Verpflich­tungs­er­klärung ist nicht notwendig auf jeweiligen "Aufent­halt­stitel" beschränkt

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht stützt seine Entscheidung darauf, dass die nach der Flüchtlingsanerkennung erteilten Aufent­halt­s­er­laubnisse gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht zu einem "anderen Aufent­haltszweck" erteilt worden sind. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, der seit August 2016 ein Erlöschen der Verpflich­tungs­er­klärung in diesen Fällen ausdrücklich ausschließt. Denn diese Vorschrift ist auf den Streitfall noch nicht anwendbar. "Aufent­haltszweck" im Sinne der abgegebenen Verpflich­tungs­er­klärung ist indes in einem weiteren Sinne zu verstehen und nicht notwendig auf den jeweiligen "Aufent­halt­stitel" beschränkt. Die durch die Verpflich­tungs­er­klärung ermöglichte Aufent­halt­s­er­laubnis nach § 23 AufenthG hat mit dem Schutz vor den bürger­kriegs­be­dingten Lebens­ver­hält­nissen in Syrien ebenso humanitären Schutzzwecken gedient wie die der Gewährung internationalen Schutzes durch Flücht­lings­a­n­er­kennung nachfolgende Aufent­halt­s­er­laubnis. Im Rahmen der Verpflich­tungs­er­klärung ist für die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem "Aufent­haltszweck" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels II des Aufent­halts­ge­setzes auszugehen. "Aufent­haltszweck" im Sinne der Verpflich­tungs­er­klärung umfasst daher jeden Aufenthalt aus völker­recht­lichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie - unter dieser Überschrift - vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufent­halts­ge­setzes zusammengefasst sind. Die Unterschiede der einzelnen Aufent­halt­s­er­laubnisse bei den Gewäh­rungs­vor­aus­set­zungen und den Rechtsfolgen verändern hier qualitativ nicht den gemeinsamen, übergreifenden Aufent­haltszweck. Auch sonst sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in der Erklärung ein hiervon abweichender, engerer Zweckbegriff verwendet worden wäre. Das Unionsrecht steht der Inanspruchnahme des Verpflich­tungs­gebers nicht grundsätzlich entgegen. Die Erstat­tungs­for­derung ist im konkreten Fall auch nicht unver­hält­nismäßig.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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