18.10.2024
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Dokument-Nr. 30909

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Bundesverwaltungsgericht Urteil06.10.2021

Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes gilt auch gegenüber dem neuen Träger einer öffentlichen Schmutzwasser­beseitigungs­einrichtungBeitrags­er­hebung rechtswidrig

Der Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes gilt auch gegenüber dem neuen Träger einer öffentlichen Schmutzwasser­beseitigungs­einrichtung. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht in zwei Verfahren aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt entschieden.

Die Klägerin des Verfahrens 9 C 9.20 ist Eigentümerin eines bereits 1990 an die damalige Schmutz­was­ser­be­sei­ti­gungs­anlage angeschlossenen Grundstücks in Seddiner See (Brandenburg). Anfang der 1990er Jahre ersetzten die Gemeinde Seddiner See und die Vorgän­ger­ge­meinden der heutigen Stadt Beelitz ihre Kläranlagen durch eine gemeinsam betriebene zentrale Kläranlage. Die erste Beitragssatzung der Gemeinde Seddiner See wurde 1994 bekannt gemacht. Beiträge wurden für das Grundstück der Klägerin nicht erhoben. Zum 1. Januar 2006 gründeten die Gemeinde Seddiner See und die Stadt Beelitz den Wasser- und Abwas­ser­zweck­verband "Nieplitz", der die Schmutz­was­ser­be­sei­ti­gungs­anlage im Wesentlichen unverändert fortführte.

Streit um hypothetisch festset­zungs­ver­jährte Anschluss­beiträge

2013 setzte der beklagte Wasserverband für das Grundstück der Klägerin einen Anschluss­beitrag fest. Das Verwal­tungs­gericht hob den Beitrags­be­scheid mit der Begründung auf, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, dass der Beklagte gezahlte, nicht aber - wie im Falle der Klägerin - hypothetisch festset­zungs­ver­jährte Herstel­lungs­beiträge für die früheren gemeindlichen Einrichtungen auf den Anschluss­beitrag anrechne. Im Berufungs­ver­fahren änderte das Oberver­wal­tungs­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil und wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass hypothetisch festset­zungs­ver­jährte Beiträge weder aus Gleichheits- noch aus Vertrau­ens­schutz­gründen anzurechnen seien.

BVerwG: Beitrags­er­hebung nicht mit Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes vereinbar

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Berufungs­ent­scheidung wegen einer Verletzung des bundes­ver­fas­sungs­recht­lichen Grundsatzes des Vertrau­ens­schutzes und des Gleich­heits­satzes aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Der Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes gilt auch bei einem Wechsel des Einrich­tungs­trägers. Eine Beitragserhebung durch den neuen Einrich­tungs­träger ist mit diesem Grundsatz nicht vereinbar, soweit sie sich auf Herstel­lungs­aufwand bezieht, für den der Beitrags­pflichtige durch den früheren Einrich­tungs­träger nach der in Brandenburg bis zum 31. Januar 2004 geltenden Rechtslage wegen hypothetischer Festset­zungs­ver­jährung nicht mehr zu Beiträgen hätte herangezogen werden können.

Verstoß gegen Gleichheitssatz

Soweit der Beklagte gezahlte, nicht aber hypothetisch festset­zungs­ver­jährte Beiträge für die frühere Einrichtung angerechnet hat, verstößt dies außerdem gegen den Gleichheitssatz. Ein die Ungleichbehandlung recht­fer­ti­gender sachlicher Grund liegt weder in der Vermeidung einer Doppelbelastung noch in der Wahrung der Beitrags­ge­rech­tigkeit oder des Haushalts­in­teresses des früheren oder jetzigen Einrich­tungs­trägers. Auch im Verfahren 9 C 10.20 aus Sachsen-Anhalt, bei dem es um eine "normale" und nicht um eine hypothetische Festset­zungs­ver­jährung geht, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Berufungs­ent­scheidung aus den vorgenannten Gründen aufgehoben und die Sache an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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