18.10.2024
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Dokument-Nr. 31958

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Bundesverwaltungsgericht Urteil07.07.2022

Vorerst kein Bau der A 20 zwischen Westerstede und JaderbergPlan­feststellungs­beschluss rechtswidrig

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat auf die Klage eines Umweltverbandes den Plan­feststellungs­beschluss der Nieder­säch­sischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vom 16. April 2018 in der Gestalt des Änderungs- und Ergänzungs­beschlusses vom 3. Februar 2021 für den Neubau des 1. Abschnitts der Bundesautobahn A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Derzeit kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Vorhaben zu keiner Beein­träch­tigung des nahegelegenen FFH-Gebiets "Garnholt" führt. Darüber hinausgehende Einwände des Klägers hat das Gericht zurückgewiesen. Die weitere Klage eines Landwirts hatte keinen Erfolg.

Der planfest­ge­stellte Abschnitt, der – anders als möglicherweise andere Abschnitte der A 20 – keine Moore betrifft, ist Teil der in insgesamt sieben Abschnitte unterteilten sog. „Küstenautobahn“ zwischen Westerstede und Hamburg. Die A 20, die bisher von der deutsch-polnischen Grenze bis östlich von Bad Segeberg verläuft, soll nach ihrer Gesamt­fer­tig­stellung zusammen mit der A 28 eine Ost-West-Achse von der deutsch-nieder­län­dischen bis zur deutsch-polnischen Grenze bilden. Sie ist Bestandteil des trans­eu­ro­pä­ischen Verkehrsnetzes und im geltenden Bundes­ver­kehrs­we­geplan als Vorhaben des "Vordringlichen Bedarfs" eingestuft.

Zunahme der Stick­stoff­be­lastung möglicherweise überschritten

Diese gesetzliche Bedarfs­fest­stellung ist für das Gericht verbindlich. Die gerichtliche Prüfung ist insoweit auf eine Evidenz­kon­trolle beschränkt. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die angestrebten Planungsziele in einem Maße nicht oder nicht mehr erreicht werden können, dass hieraus eine Verfas­sungs­wid­rigkeit der Bedarfs­fest­stellung folgt. Fehler sind dem Vorhabenträger und der Planfest­stel­lungs­behörde jedoch bei der Prüfung unterlaufen, ob die vorha­ben­be­dingte Zunahme der Stickstoffbelastung, die durch den geplanten Abschnitt der A 20 im Bereich der A 28 zu erwarten ist, die Schwelle von ,3 kg pro Hektar und Jahr überschreitet und so zu einer Beein­träch­tigung des Schutzgebiets "Garnholt" führt.

Berechnung des Stickstoffwert fehlerhaft

Schon der zunächst ermittelte Wert von ,326 kg pro Hektar und Jahr verblieb nur mittels der Anordnung einer Geschwin­dig­keits­be­schränkung von 120 km/h auf einer der beiden Richtungs­fahr­bahnen der A 28 sowie aufgrund der fachlich vorgegebenen mathematischen Rundung auf eine Stelle hinter dem Komma unterhalb des genannten Schwellenwertes. Nachdem im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ein Eingabefehler festgestellt und korrigiert worden war, stieg dieser Wert auf ,346 kg pro Hektar und Jahr an. Auch diese Neu-Berechnung ist aber nach Auffassung des Senats jedenfalls insoweit fehlerhaft, als sie die Verringerung von Stick­stof­fe­in­trägen durch den geplanten Wegfall eines Rastplatzes der A 28 in Höhe des Schutzgebietes überschätzt. Da bereits ein Anstieg um lediglich 4 g pro Hektar und Jahr zu einem Überschreiten des Schwellenwertes führt, kann eine Beein­träch­tigung des Gebietes daher nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Auf weitere Kritikpunkte, etwa die Frage der korrekten Deposi­ti­o­ns­ge­schwin­digkeit, kommt es angesichts dessen nicht mehr entschei­dungs­er­heblich an.

Weitergehende Einwände des Umweltverbandes ohne Erfolg

Weitergehende Einwände des klagenden Umweltverbandes hatten hingegen keinen Erfolg. Sie genügen teilweise bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Klagebegründung. Darüber hinaus begegnet die Durchführung arten­schutz­recht­licher Ausgleichs­maß­nahmen mittels einer landschaft­lichen Umgestaltung des ehemaligen Stand­ort­übungs­platzes Friedrichsfeld keinen Bedenken. Zwar handelt es sich hierbei unstreitig um eine ökologisch hochwertige Fläche; sie weist aber nach der Maßnahme die für eine Inanspruchnahme solcher Flächen erforderliche Verbesserung auf. Für die betroffenen Vogelarten ist auch der räumlich-funktionale Zusammenhang gewahrt. Das Klima­schutz­gesetz war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfest­stel­lungs­be­schlusses noch nicht in Kraft getreten und musste daher nicht berücksichtigt werden. Auf den späteren Erlass des Änderungs- und Ergän­zungs­be­schlusses kommt es nicht an, da dieser im Wesentlichen die Straßen­ent­wäs­serung betrifft. Bei einer solchen partiellen Änderung bleibt der Zeitpunkt der ursprünglichen Planfest­stellung weiterhin maßgeblich. Dies entspricht der langjährigen Rechtsprechung der Planungssenate des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts. Dafür, dass sich wegen der besonderen Bedeutung und der Dringlichkeit des Klimaschutzes ausnahmsweise etwas anderes ergibt, fehlt es an Anhaltspunkten. Art. 20a GG, der den Staat zum Schutz der natürlichen Lebens­grundlagen verpflichtet, enthält nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts einen Regelungs­auftrag an den Gesetzgeber. Vorgaben für einzelne Planfest­stel­lungs­ver­fahren lassen sich daraus ebenso wenig herleiten wie aus dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015, welches die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, zur Begrenzung der globalen Klimaerwärmung beizutragen.

Keine Existenz­ge­fährdung eines enteig­nungs­be­troffenen Landwirts

Die weitere Klage eines enteig­nungs­be­troffenen Landwirts hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht abgewiesen. Zwar geht der Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht davon aus, die Übereignung oder langfristige Verpachtung landwirt­schaft­licher Flächen, die vom Kläger bereits auf der Grundlage kurzfristiger Pachtverträge bewirtschaftet werden, könne als Ausgleich von Flächen­ver­lusten angerechnet werden. Jedoch hat der Beklagte dem Kläger während des gerichtlichen Verfahrens weitere Flächen verbindlich zugesagt. Eine Existenz­ge­fährdung wird hierdurch ausgeschlossen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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