21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil20.01.2022

Themenbezogene Widmungs­beschränkung verletzt Meinungs­freiheitBeschränkung der Meinungs­freiheit ist verfassungs­rechtlich nicht gerechtfertigt

Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungs­freiheit. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Der Kläger beantragte die Überlassung eines städtischen Veran­stal­tungs­saales um dort eine Podiums­dis­kussion zum Thema "Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? - Der Stadt­rats­be­schluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen" durchzuführen. Nach diesem Beschluss dürfen für Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der sogenannten BDS-Kampagne ("Boycott, Divestment and Sanctions") befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, keine städtischen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Der Begründung zufolge sollen städtische Räume nicht für eine Unterstützung der Kampagne genutzt werden; schon die Befassung mit ihr wird ausgeschlossen um Umgehungen zu verhindern. Der Antrag des Klägers wurde unter Bezugnahme hierauf abgelehnt. Seine daraufhin erhobene Klage hat das Verwal­tungs­gericht abgewiesen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat das erstin­sta­nzliche Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Antrag des Klägers zu entsprechen.

Beschränkung des Widmungsumfangs verletzt Grundrecht der Meinungs­freiheit

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der kommu­na­l­rechtliche Anspruch der Gemein­de­an­ge­hörigen, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen, besteht nur im Rahmen der von der Gemeinde für die jeweilige öffentliche Einrichtung festgelegten Widmung. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts schloss die Widmung des Saals kommu­na­l­po­li­tische Diskus­si­ons­ver­an­stal­tungen ein. Den Stadt­rats­be­schluss der Beklagten hat das Berufungs­gericht revisi­ons­rechtlich fehlerfrei als nachträgliche Beschränkung des Widmungsumfangs eingeordnet. Diese ist rechtswidrig und unwirksam, weil sie das Grundrecht der Meinungs­freiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verletzt.

Keine Gefährdung durch Veranstaltung zu erwarten

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Der Stadt­rats­be­schluss greift in den Schutzbereich der Meinungs­freiheit ein, weil er eine nachteilige Rechtsfolge - den Ausschluss von der Benutzung öffentlicher Einrichtungen - an die zu erwartende Kundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne oder zu deren Inhalten, Zielen und Themen knüpft. Die darin liegende Beschränkung der Meinungs­freiheit ist verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt. Das Grundrecht der Meinungs­freiheit unterliegt den Grenzen der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Der Stadt­rats­be­schluss ist schon kein Rechtssatz. Er trifft auch keine in diesem Sinne allgemeine Regelung. Der Beschluss ist nicht meinungsneutral. Er ist auch nicht mit dem Schutz von Rechtsgütern zu rechtfertigen, die schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützen sind. Das ist der Fall, wenn Meinung­s­äu­ße­rungen die geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechts­gut­ver­let­zungen oder erkennbar in Gefähr­dungslagen umschlagen, weil sie die Friedlichkeit der öffentlichen Ausein­an­der­setzung gefährden und so den Übergang zu Aggression und Rechtsbruch markieren. Nach den Tatsa­chen­fest­stel­lungen des Berufungs­urteils ist dies bei der vom Kläger geplanten Veranstaltung nicht zu erwarten.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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