14.12.2024
14.12.2024  
Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 33570

Drucken
Urteil12.12.2023Bundesverwaltungsgericht5 C 9.23 und 5 C 10.22
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil12.12.2023

Unterhalts­vorschuss­leistungen bei Mitbetreuung durch den anderen ElternteilMitbetreuung der Kinder durch den unter­halts­pflichtigen Elternteil kann einem Anspruch auf Unter­halts­vor­schuss entgegen­stehen

Leben die Eltern eines Kindes getrennt und leistet der barunterhalts­pflichtige Elternteil den Minde­st­un­terhalt nicht, beteiligt sich aber an der Betreuung des Kindes, besteht ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhalts­vorschuss­gesetz nur dann, wenn der Mitbe­treu­ungs­anteil unter 40 vom Hundert liegt. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerin beantragte Anfang 2020 Unter­halts­vor­schuss­leis­tungen für ihre siebenjährigen Zwillinge. Der Beklagte lehnte die Leistung mit der Begründung ab, die Kinder lebten im Sinne des Unter­halts­vor­schuss­ge­setzes (UVG) nicht bei der Klägerin, weil sie gemäß einer famili­en­recht­lichen Vereinbarung vierzehntägig von Mittwoch­nach­mittag bis Montagmorgen beim Vater seien, der sie in dieser Zeit betreue. Die auf Gewährung von Unter­halts­vor­schuss­leis­tungen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungs- und dem Oberver­wal­tungs­gericht erfolglos. Zur Begründung hat das Oberver­wal­tungs­gericht im Wesentlichen auf das gemeinsame Sorgerecht der Eltern sowie darauf abgestellt, dass dieses auch tatsächlich praktiziert werde. Dies zeige sich an einem Betreu­ungs­anteil des Vaters, der während der Schulzeiten 36 vom Hundert betrage und zu einer wesentlichen Entlastung der Klägerin bei der Betreuung der Kinder führe.

BVerwG leitet zeitliche Grenze aus Sinn und Zweck her

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat den Beschluss des Oberver­wal­tungs­ge­richts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Der Anspruch auf Unter­halts­vor­schuss­leis­tungen setzt neben ausbleibenden oder unzureichenden Unter­halts­zah­lungen durch den barun­ter­halts­pflichtigen Elternteil weiter voraus, dass das Kind bei einem Elternteil lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG). Das verlangt eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft, in der das Kind auch betreut wird. Die Vorschrift knüpft damit nach ihrem auch bereits in der Geset­zes­be­gründung zum Ausdruck gebrachten Sinn und Zweck an die durch das Alleinerziehen geprägte prekäre Situation an. Diese besteht darin, dass das Kind "nur" bei diesem Elternteil lebt, weil hauptsächlich er die Betreuung (Pflege und Erziehung) des Kindes tatsächlich wahrnimmt und hiermit wegen des Ausfalls des anderen Elternteil besonders belastet ist. Außer in den Fällen vollständigen Alleinerziehens liegt eine solche Belastung auch dann vor, wenn der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei diesem Elternteil liegt, obgleich auch der andere Elternteil Betreu­ungs­leis­tungen für das Kind erbringt.

Kein Unter­halts­vor­schuss bei wesentlicher Entlastung von Betreuung

Eine wesentliche Entlastung des einen Elternteils, welche die faktische Gesamtlage der gesetzlich in Bezug genommenen Alleinerziehung und damit den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ausschließt, liegt vor, wenn sich der andere (barun­ter­halts­pflichtige) Elternteil in der Weise an der Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt, dass sein Betreu­ungs­anteil 40 vom Hundert erreicht oder überschreitet. Der durch die Mitbetreuung eintretende Entlas­tungs­effekt ist insbesondere aus Gründen der Rechts­si­cherheit sowie unter Berück­sich­tigung der Verwal­tung­s­prak­ti­ka­bilität ausschließlich im Hinblick auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung zu ermitteln, also nach den Zeiten, die das Kind in der Obhut des einen oder des anderen Elternteils verbringt, und zwar ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreu­ungs­leis­tungen. Bei ganztätig wechselweiser Betreuung kommt es typisierend darauf an, wo sich das Kind zu Beginn des Tages aufhält. Dem Bezug des Kindergeldes sowie Vereinbarungen zum Umgangsrecht kann demgegenüber nur eine indizielle und dem Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Da das Oberver­wal­tungs­gericht zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen und zur Zahlung von Unterhalt keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, war die Sache an dieses zurück­zu­ver­weisen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil33570

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI