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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.10.2023
Berliner Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern für die Betreuung in Kindertagesstätten unwirksamKita-Zuzahlung in Berlin kann mehr als 90 Euro betragen
Die in Berlin für zusätzliche Leistungen freier Träger von Kindertagesstätten geltende strikte Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern ist mit dem Anspruch der freien Jugendhilfeträger auf gleichheitsgerechte Beteiligung am staatlichen System der Kindertagesstättenfinanzierung unvereinbar (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG - in Verbindung mit den §§ 3 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Die Klägerin ist als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannt und betreibt in Berlin unter anderem drei Kindertagesstätten mit ca. 400 Betreuungsplätzen. Ihr Konzept sieht nach ihren Angaben eine bilinguale frühkindliche bzw. vorschulische Bildung sowie einen höheren Personalschlüssel vor, die einen höheren Aufwand bedingten, als er in anderen Kindertagesstätten üblich sei. Diesen höheren Finanzbedarf hat die Klägerin durch Zuzahlungen der Eltern gedeckt. Seit 2018 ist in Anlage 10 Abs. 6 der Berliner Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) vorgesehen, dass freie Träger mit den Eltern nur noch Zuzahlungen von maximal 90 Euro pro Kind und Monat inklusive 30 Euro für Frühstück und Vesper vereinbaren dürfen. Nachdem die Klägerin dieser Regelung nicht nachgekommen war, kürzte das beklagte Land die ihr zustehende monatliche Betriebskostenerstattung für die erbrachten Betreuungsleistungen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte anders als in den Vorinstanzen vor dem Bundesverwaltungsgericht Erfolg.
BVerwG verweist auf Trägerpluralität und Autonomie
Vorrangiger bundesrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Finanzierungssysteme der Länder im Bereich der Kindertageseinrichtungen ist, wie das BVerwG bereits im Jahr 2010 entschieden hat, der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Hierbei ist insbesondere der Grundsatz der Trägerpluralität (§ 3 Abs. 1 SGB VIII) zu beachten. Danach darf bei der Ausgestaltung der Förderung grundsätzlich nicht nach Wertorientierungen oder Inhalten, Methoden und Arbeitsformen der freien Träger differenziert werden. Diese sind vielmehr wegen der ihnen gewährleisteten Autonomie (§ 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) befugt, in ihrem pädagogischen Leistungsangebot auch über das hinauszugehen, was Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder andere freie Träger für erforderlich halten. Dies schließt das Recht ein, die hierfür notwendigen und nicht durch die öffentliche Förderung abgedeckten Mittel durch Zuzahlungen von Seiten der Eltern zu erheben, wenn ein deren Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) entsprechender Bedarf besteht.
Keine Rechtsgrundlage für vorgenommene Kürzung der Kostenerstattung
Die in der RV Tag, die das Bundesverwaltungsgericht als untergesetzliche Rechtsnorm (Normvertrag) eingeordnet hat, vorgesehene strikte Zuzahlungsbegrenzung hält den vor diesem Hintergrund erforderlichen strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck. Denn sie soll der Absicherung der in Berlin eingeführten (weitgehenden) Elternbeitragsfreiheit dienen und zur Verwirklichung von Chancengleichheit bei der Inanspruchnahme von Tagesstättenplätzen die ökonomischen Zugangsschwellen möglichst niedrig halten. Zur Erreichung dieses Zwecks ist sie auch geeignet und erforderlich. Die Regelung erweist sich allerdings als unangemessen, weil sie das vom Bundesgesetzgeber mit einem hohen Rang versehene Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktreten lässt. Sie berücksichtigt nicht, ob der jeweilige Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen ist, die er durch Zuzahlungen decken will. Die Unwirksamkeit der Regelung führt auch dazu, dass es an der Rechtsgrundlage für die vom beklagten Land vorgenommene Kürzung der Kostenerstattung fehlt. Das beklagte Land war daher zur Zahlung einbehaltener Gelder in Höhe von 200.000 Euro an die Klägerin zu verurteilen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.11.2023
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)
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