21.11.2024
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Dokument-Nr. 33412

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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.10.2023

Berliner Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern für die Betreuung in Kinder­ta­gess­tätten unwirksamKita-Zuzahlung in Berlin kann mehr als 90 Euro betragen

Die in Berlin für zusätzliche Leistungen freier Träger von Kinder­ta­gess­tätten geltende strikte Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern ist mit dem Anspruch der freien Jugend­hil­fe­träger auf gleich­heits­ge­rechte Beteiligung am staatlichen System der Kinde­rtagesstätten­finanzierung unvereinbar (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG - in Verbindung mit den §§ 3 ff. Achtes Buch Sozial­ge­setzbuch - SGB VIII). Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerin ist als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannt und betreibt in Berlin unter anderem drei Kinder­ta­gess­tätten mit ca. 400 Betreu­ungs­plätzen. Ihr Konzept sieht nach ihren Angaben eine bilinguale frühkindliche bzw. vorschulische Bildung sowie einen höheren Perso­nal­sch­lüssel vor, die einen höheren Aufwand bedingten, als er in anderen Kinder­ta­gess­tätten üblich sei. Diesen höheren Finanzbedarf hat die Klägerin durch Zuzahlungen der Eltern gedeckt. Seit 2018 ist in Anlage 10 Abs. 6 der Berliner Rahmen­ver­ein­barung über die Finanzierung und Leistungs­si­cher­stellung der Tages­ein­rich­tungen (RV Tag) vorgesehen, dass freie Träger mit den Eltern nur noch Zuzahlungen von maximal 90 Euro pro Kind und Monat inklusive 30 Euro für Frühstück und Vesper vereinbaren dürfen. Nachdem die Klägerin dieser Regelung nicht nachgekommen war, kürzte das beklagte Land die ihr zustehende monatliche Betriebskostenerstattung für die erbrachten Betreu­ungs­leis­tungen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte anders als in den Vorinstanzen vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht Erfolg.

BVerwG verweist auf Träger­plu­ralität und Autonomie

Vorrangiger bundes­recht­licher Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Finan­zie­rungs­systeme der Länder im Bereich der Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen ist, wie das BVerwG bereits im Jahr 2010 entschieden hat, der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Hierbei ist insbesondere der Grundsatz der Träger­plu­ralität (§ 3 Abs. 1 SGB VIII) zu beachten. Danach darf bei der Ausgestaltung der Förderung grundsätzlich nicht nach Werto­ri­en­tie­rungen oder Inhalten, Methoden und Arbeitsformen der freien Träger differenziert werden. Diese sind vielmehr wegen der ihnen gewährleisteten Autonomie (§ 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) befugt, in ihrem pädagogischen Leistungs­angebot auch über das hinauszugehen, was Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder andere freie Träger für erforderlich halten. Dies schließt das Recht ein, die hierfür notwendigen und nicht durch die öffentliche Förderung abgedeckten Mittel durch Zuzahlungen von Seiten der Eltern zu erheben, wenn ein deren Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) entsprechender Bedarf besteht.

Keine Rechtsgrundlage für vorgenommene Kürzung der Koste­n­er­stattung

Die in der RV Tag, die das Bundes­ver­wal­tungs­gericht als unter­ge­setzliche Rechtsnorm (Normvertrag) eingeordnet hat, vorgesehene strikte Zuzah­lungs­be­grenzung hält den vor diesem Hintergrund erforderlichen strengen Anforderungen der Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung nicht stand. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck. Denn sie soll der Absicherung der in Berlin eingeführten (weitgehenden) Eltern­bei­trags­freiheit dienen und zur Verwirklichung von Chancen­gleichheit bei der Inanspruchnahme von Tages­s­tät­ten­plätzen die ökonomischen Zugangs­schwellen möglichst niedrig halten. Zur Erreichung dieses Zwecks ist sie auch geeignet und erforderlich. Die Regelung erweist sich allerdings als unangemessen, weil sie das vom Bundes­ge­setzgeber mit einem hohen Rang versehene Rechtsgut der Träger­plu­ralität bei Überschreiten der Zuzah­lungs­höchst­grenze ausnahmslos zurücktreten lässt. Sie berücksichtigt nicht, ob der jeweilige Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen ist, die er durch Zuzahlungen decken will. Die Unwirksamkeit der Regelung führt auch dazu, dass es an der Rechtsgrundlage für die vom beklagten Land vorgenommene Kürzung der Koste­n­er­stattung fehlt. Das beklagte Land war daher zur Zahlung einbehaltener Gelder in Höhe von 200.000 Euro an die Klägerin zu verurteilen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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