18.10.2024
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Dokument-Nr. 32392

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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.11.2022

Kein Beurteilungs­spiel­raum der Verwaltung bei der Festlegung der Sachkosten­erstattungFestlegung der Sachkosten­erstattung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung

Dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe steht bei der Festlegung des Erstat­tungs­be­trages für den Sachaufwand, der Kinder­tages­pflege­personen bei ihrer Tätigkeit entsteht, kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungs­spiel­raum zu. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Kläger waren zwei Kinder­ta­gespfle­ge­personen aus Dresden bzw. Leipzig, die die Höhe der ihnen jeweils zugebilligten laufenden Geldleistungen nach § 23 des Achten Buchs Sozial­ge­setzbuch (SGB VIII) beanstandeten. Diese Geldleistungen setzen sich hauptsächlich aus einem Anerken­nungs­betrag für die Förderleistung und einem Erstat­tungs­betrag für die entstehenden Sachkosten zusammen. Sie werden von beiden Städten als Pauschalbeträge gezahlt, die von den Stadträten festgesetzt werden. Die gegen die Höhe des Betrages gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen im Wesentlichen keinen Erfolg. Im Fall des Klägers aus Dresden hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die beklagte Landes­hauptstadt zur Neuentscheidung über die Höhe der Sachkostenerstattung unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts verpflichtet und die Revision zurückgewiesen, soweit sie den Anerken­nungs­betrag betraf. Im Fall der Leipziger Klägerin hatte die Revision insgesamt keinen Erfolg.

Eingeschränkt überprüfbarer Beurtei­lungs­spielraum hier nicht ausreichend

Nach der bundes­recht­lichen Regelung (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) sind einer Kinder­ta­gespfle­ge­person die angemessenen Kosten zu erstatten, die ihr für den Sachaufwand entstehen. Das sind die bei der Kindertagespflege, welche die Erziehung, Bildung und Förderung des Kindes umfasst, üblicherweise anfallenden Kosten für einen in der Kinder­ta­gespflege typischen Standard, die der Höhe nach marktüblich sind und von den Kinder­ta­gespfle­ge­personen endgültig wirtschaftlich getragen werden. Das Bundesrecht schreibt zur Ermittlung der angemessenen Kosten keine bestimmte Methodik vor. Die angewandte Methode muss aber geeignet sein, die Kosten reali­täts­gerecht und ortsbezogen zu erfassen. Wegen des erforderlichen Ortsbezugs kommt der im Steuerrecht anzuwendenden Betrie­bs­kos­ten­pau­schale in Höhe von 300 € pro Kind und Monat keine maßgebliche Bedeutung zu. Unter Beachtung dessen ist der Jugend­hil­fe­träger oder die nach Landesrecht zuständige Stelle grundsätzlich verpflichtet, die in diesem Sinne üblichen Kosten zu ermitteln. Soweit eine präzise Ermittlung dieser Kosten angesichts der Vielfalt der Verhältnisse praktisch nicht möglich ist, ist er zu vereinfachenden Sachver­halts­be­trach­tungen und Typisierungen berechtigt. Eine solche Typisie­rungs­be­fugnis ist aber nicht gleichzusetzen mit einem Beurteilungsspielraum, der die Verwaltung zu einer grundsätzlich abschließenden Entscheidung über das Vorliegen der gesetzlichen Tatbe­stands­merkmale ermächtigt und gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Ein Beurtei­lungs­spielraum ist als Einschränkung des durch das Grundgesetz gewährleisteten Rechtsschutzes recht­fer­ti­gungs­be­dürftig und kann nur angenommen werden, wenn er sich hinreichend deutlich dem Gesetz entnehmen lässt. Dies ist hier entgegen der bisher überwiegend vertretenen Meinung nicht der Fall.

Sachkos­te­n­er­stattung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung

Daher unterliegt die Festlegung der Sachkos­te­n­er­stattung der vollen gerichtlichen Überprüfung, die sich in sachgerechter Weise grundsätzlich auf die Prüfung gerügter oder augen­schein­licher Mängel konzentrieren kann. Insbesondere ist es danach grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bei der Ermittlung der angemessenen Sachkosten typische Standards anhand von Werten bestimmt werden, die vom Jugend­hil­fe­träger in Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen (z.B. für die Erteilung einer Erlaubnis) festgelegt werden, wie dies etwa hinsichtlich der Räumlichkeiten, in denen Kinder­ta­gespflege stattfindet, der Fall ist. In gleicher Weise ist es grundsätzlich bedenkenfrei, wenn die Höhe der Raumkosten anhand von Durch­schnitts­werten aus Miet- bzw. Neben­kos­ten­spiegeln ermittelt wird. Der Senat hält es ebenfalls für grundsätzlich zulässig, wenn Standards des Ausstat­tungs­bedarfs bei Kinder­ta­gespfle­ge­personen unter Rückgriff auf diejenigen in Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ermittelt werden. Dies gilt im Ansatz auch in Bezug auf die Ermittlung der hierfür anzusetzenden üblichen Kosten. Die in diesem Sinne angemessenen Kosten dürfen nach der gesetzlichen Regelung (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) auch für alle Kinder­ta­gespfle­ge­personen im jeweiligen örtlichen Bereich einheitlich als Pauschalbetrag der Erstattung festgelegt werden.

Ermittlung der zu erstattenden Stromkosten im Dresdener Fall unzureichend - Pflicht zur erneuten Entscheidung

Unter Berück­sich­tigung dessen war es in beiden Fällen nicht - wie von den Klägern gerügt - zu beanstanden, dass die beklagten Städte als Sachkosten nicht die Kosten berücksichtigt haben, die für die Reinigung der Räumlichkeiten durch Dienstleister anfallen würden. Denn in beiden Fällen hat das Oberver­wal­tungs­gericht für den Senat bindend festgestellt, dass die Reinigung üblicherweise in Eigenleistung durch die Kinder­ta­gespfle­ge­personen durchgeführt wird. Daher mussten Fremdleistungen in der Pauschale auch nicht berücksichtigt werden. Im Fall des Klägers aus Dresden war die Beklagte allerdings dennoch zur erneuten Entscheidung über die Sachkos­te­n­er­stattung zu verpflichten, weil bereits das Oberver­wal­tungs­gericht für den Senat bindend eine unzureichende Ermittlung der zu erstattenden Stromkosten festgestellt hatte. Da insoweit kein Beurtei­lungs­spielraum besteht, kann ein solcher Fehler auch nicht, wie das Oberver­wal­tungs­gericht gemeint hat, allein wegen einer geringen Höhe als unerheblich angesehen werden. Nicht beanstandet hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in beiden Fällen dagegen die Festlegung des Anerken­nungs­be­trages für die Förderleistung. Diesbezüglich hat der Senat bereits im Jahr 2018 entschieden, dass den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe ein Beurtei­lungs­spielraum zusteht, der hier nicht überschritten worden ist.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online, (pm/ab)

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