21.11.2024
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Dokument-Nr. 31882

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss25.05.2022

Kommandeure müssen bei privaten Inter­ne­t­auf­tritten die Auswirkungen auf ihr berufliches Ansehen beachtenVerweis als mildeste Diszi­pli­n­a­r­maßahme nicht zu beanstanden

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat die Rechts­be­schwerde einer Bataillons­kommandeurin gegen eine disziplinar­rechtliche Entscheidung des Truppen­dienst­gerichts Süd zurückgewiesen und betont, dass Soldaten in besonders repräsentativen Funktionen auch bei privaten Inter­ne­t­auf­tritten bei der Form ihres Auftretens Zurückhaltung üben müssen.

Die überdurch­schnittlich bekannte Kommandeurin hatte in einem Dating-Portal ein Profilbild von sich in sitzender Pose mit erkennbaren Gesichtszügen und unter Verwendung ihres tatsächlichen Vornamens eingestellt. Sie warb mit dem Text: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome." Dafür erteilte ihr der Diszi­pli­na­r­vor­ge­setzte einen einfachen diszi­pli­nar­recht­lichen Verweis. Das Truppen­dienst­gericht hat diese Diszi­pli­n­a­r­maßnahme gebilligt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG dürfe eine Soldatin durch ihr außer­dienst­liches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung und das Vertrauen, die ihre dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigen. Die Kommandeurin dürfe zwar grundrechtlich geschützt privat ein promiskuitives Sexualleben führen. Durch die Formulierung in ihrem Profil habe sie aber Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründet. Außenstehenden würde der Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre Geschlechts­partner zu reinen Sexobjekten reduziere. Dies wirke sich in der Öffentlichkeit negativ auf die Bewertung ihrer moralischen Integrität und den guten Ruf der Bundeswehr aus.

Bedeutung der Grundrechte nicht ausreichend gewürdigt

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat zwar festgestellt, dass diese Begründung rechtlichen Bedenken unterliegt. Das Truppen­dienst­gericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die privaten Äußerungen der Soldatin in einem Partner­schaft­s­portal von der Öffentlichkeit der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet werden. Auch hat es die Bedeutung der Grundrechte im Bereich der privaten Lebensführung nicht ausreichend gewürdigt. Das allgemeine Persön­lich­keitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1 GG enthält ein Recht auf sexuelle Selbst­be­stimmung. Dazu gehört, dass der Einzelne über seine geschlecht­lichen Beziehungen frei bestimmen und sich für eine promiskuitives Sexualverhalten entscheiden kann. Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich nicht nur auf die Intim- und Privatsphäre, sondern schließt das Recht ein, in der Sozialsphäre, das heißt im Internet, Kontakte mit Gleichgesinnten zu suchen.

Außer­dienstliche Wohlver­hal­tenspflicht

Die Entscheidung des Truppen­dienst­ge­richts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig. Denn die außer­dienstliche Wohlver­hal­tenspflicht verlangt, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehebenen dienstlichen Stellung einer Batail­lons­kom­man­deurin mit Perso­na­l­ver­ant­wortung für ca. 1.000 Personen bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nimmt. Sie muss daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken. Die Worte "offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome" erwecken auch aus der Sicht eines verständigen Betrachters Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität, weswegen diese Formulierung durch einen Verweis als mildeste Diszi­pli­n­a­r­maßahme beanstandet werden durfte.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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