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Bundesverwaltungsgericht Urteil13.10.2020

BVerwG: Journalisten hat Anspruch auf Auskunft aus einem abgeschlossenen Disziplinar­verfahrenAuskunfts­an­spruch der Presse gebührt Vorrang vor infor­ma­ti­o­nelles Selbst­be­stim­mungsrecht des betroffenen Beamten

Das Bundes­verwaltungs­gericht in Leipzig hat entschieden, dass das Bundesamt für Verfas­sungs­schutz einem Journalisten Auskunft aus einem abgeschlossenen Disziplinar­verfahren erteilen muss.

Der Kläger, ein Journalist, beansprucht von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren, das gegen einen ehemaligen Referatsleiter beim Bundesamt für Verfas­sungs­schutz (BfV) geführt wurde. Dem Beamten wurde vorgeworfen, nach Bekanntwerden der rechts­ter­ro­ris­tischen Vereinigung "Natio­nal­so­zi­a­lis­tischer Untergrund" (NSU) die Vernichtung von Akten angeordnet zu haben. Das neun Punkte umfassende Auskunfts­be­gehren hatte vor dem Verwal­tungs­gericht zum überwiegenden Teil Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberver­wal­tungs­gericht das Auskunfts­be­gehren teilweise zurückgewiesen.

Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Presse überwiegt infor­ma­ti­o­nelles Selbst­be­stim­mungsrecht

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision der Beklagten zum überwiegenden Teil und die Anschluss­re­vision des Klägers vollständig zurückgewiesen: Der Auskunftsanspruch des Klägers findet seine Rechtsgrundlage im Perso­na­l­ak­tenrecht. Die danach gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bundes­be­am­ten­ge­setzes (BBG) erforderliche Inter­es­se­n­ab­wägung zwischen dem infor­ma­ti­o­nellen Selbst­be­stim­mungsrecht des betroffenen Beamten und dem Informationsinteresse der Presse fällt zugunsten der Presse aus, soweit der Kläger die Fragen hinreichend konkret bezeichnet hat. Eine journalistische Relevanzprüfung findet dabei nicht statt; es ist Sache der Presse zu entscheiden, welche Informationen sie für erforderlich hält, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer Berich­t­er­stattung aufzubereiten.

Auskunfts­an­spruch stehen diszi­pli­nar­rechtliche Verwer­tungs­verbot nicht entgegen

Dem Auskunfts­an­spruch stehen das diszi­pli­nar­rechtliche Verwertungsverbot und die Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte gemäß § 16 Abs. 1 und 3 des Bundes­dis­zi­pli­na­r­ge­setzes (BDG) nicht entgegen. Sie führen nicht zu einem absoluten, abwägungs­re­sis­tenten Schutzanspruch des betroffenen Beamten. Es ist nicht möglich, diesen sich durch Zeitablauf verdichtenden Schutzanspruch unter schematischer Übernahme solcher einfach­recht­lichen Regelungen zu bestimmen. Die Fristen des Bundes­dis­zi­pli­na­r­ge­setzes sind jedoch ein bedeutsamer Faktor, der auf Seiten des Rechts der infor­ma­ti­o­nellen Selbst­be­stimmung zu Gunsten des betroffenen Beamten in die Inter­es­se­n­ab­wägung einzustellen ist.

Hohes gesell­schaft­liches Interesse an Aufarbeitung der NSU Verbrechen

Hier ist dem presse­s­pe­zi­fischen Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse angesichts der hohen Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU für das Gemeinwesen ein derart überragend großes Gewicht beizumessen, dass auch unter Berück­sich­tigung des diszi­pli­nar­recht­lichen Verwer­tungs­verbots und der daraus folgenden Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte eine andere Entscheidung als die Auskunft­s­er­teilung ausgeschlossen ist.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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