21.11.2024
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Dokument-Nr. 31952

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss07.07.2022

Soldaten müssen sich gegen Covid-19 impfen lassenSoldaten zu Erhaltung persönlichen Einsatz­fä­higkeit und damit zur Funkti­o­ns­fä­higkeit der Bundeswehr verpflichtet

Das Bundes­verwaltungs­gericht in Leipzig hat die Anträge zweier Luftwaf­fe­n­of­fiziere gegen die Verpflichtung, die Covid-19-Impfung zu dulden, als unbegründet zurückgewiesen. Gegenstand dieser Anträge nach der Wehr­beschwerde­ordnung ist eine Allgemeine Regelung des Bundes­mi­nis­teriums der Verteidigung vom 24. November 2021, mit der die Schutzimpfung gegen Covid-19 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen worden ist. Die beiden Antragsteller haben vorgetragen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.

Der 1. Wehrdienstsenat hat die Allgemeine Regelung zur Durchführung der Covid-19-Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Diszi­pli­na­r­vor­ge­setzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der betroffenen Soldaten hat. Er hat darum die Einwände gegen die Covid-19-Impfung an vier Verhand­lungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei sind neben Sachver­ständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts angehört worden.

Regelung formell und materiell rechtmäßig

Im Ergebnis hat sich die Allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen. Das Bundes­mi­nis­terium der Verteidigung hat die Regelung in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen und insbesondere die Solda­ten­ver­tre­tungen beteiligt. Es war im Rahmen der ihm zustehenden Weisungs­be­fugnis nach § 10 Abs. 4 SG berechtigt, nach pflichtgemäßen Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen durch Verwal­tungs­vor­schrift festzulegen. Denn das Soldatengesetz enthält in § 17 a SG* eine ausdrückliche Regelung darüber, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftrags­er­füllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden. Dies hat seinen Grund darin, dass der militärische Dienst seit jeher durch die Zusammenarbeit in engen Räumen (Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen), durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefähr­dungslagen und durch das Gemeinschafts-leben in Kasernen das besondere Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringt. Das Gesetz erwartet, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatz­fä­higkeit und damit zur Funkti­o­ns­fä­higkeit der Bundeswehr (Art. 87a GG) insgesamt beiträgt. Die Erhaltung der eigenen Einsatz­fä­higkeit ist eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten (Art. 33 Abs. 4 GG)

Gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht ausreichend

Die gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht genügt auch dem rechts­s­taat­lichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Denn er hat die Reichweite des Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in allgemeiner Weise hinreichend klar bestimmt und auf zumutbare Eingriffe begrenzt. Die genaue Festlegung der im Einzelnen hinzunehmenden Impfungen und zu verwendenden Impfstoffe konnte er dem Dienstherrn überlassen, weil die Soldatinnen und Soldaten abhängig von ihrem Einsatzort im In- und Ausland unter­schiedliche Impfungen benötigen. Außerdem erfordern etwa das Auftreten neuer Krank­heits­erreger oder das Bekanntwerden neuer Nebenwirkungen von Impfstoffen eine flexible und schnelle Entschei­dungs­findung. Das Bundes­mi­nis­terium der Verteidigung hat bei der Einführung der Duldungspflicht im November 2021 das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Der 1. Wehrdienstsenat hat sich nach der von ihm durchgeführten Sachver­stän­di­ge­nan­hörung auch der Bewertung angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion und Transmission bewirkt (BVerfG a.a.O. Rn. 184 f.). Das Bundes­mi­nis­terium der Verteidigung war berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicher­heits­be­richte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen, auch wenn diese Fachbehörde die Daten der Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen entgegen § 13 Abs. 5 IfSG bislang nicht erhalten hat. Durch die zahlreichen Einwendungen der Antragsteller wurde die Überzeu­gungskraft der amtlichen Auskünfte der beiden Fachbehörden nicht durchgreifend erschüttert.

Aufrecht­er­haltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen

Allerdings ist das Bundes­mi­nis­terium der Verteidigung verpflichtet, die Aufrecht­er­haltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Dauer­a­n­ord­nungen müssen stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermes­sens­gerecht sind. Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermes­sen­s­ent­scheidung für die Anordnung weiterer Auffri­schungs­imp­fungen angezeigt erscheinen lassen. Außerdem ist eine Evaluierung der Entscheidung dem Gesamt­ver­trau­ens­per­so­ne­n­aus­schuss im Schlich­tungs­ver­fahren zugesagt worden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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