18.10.2024
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Dokument-Nr. 30066

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Bundesverwaltungsgericht Urteil30.03.2021

Erwerb der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit durch langjährige Behandlung als Deutscher und Erstreckung auf AbkömmlingeNach zwölf Jahren irrtümlicher Behandlung als Deutscher gilt Nationalität als erworben

Die "Ersitzung" der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit durch eine mindestens zwölfjährige Behandlung als Deutscher seitens deutscher Behörden, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, erstreckt sich auf dessen Abkömmlinge unabhängig davon, ob diese selbst "gutgläubig" sind. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Der 1982 in Brasilien geborene Kläger zu 1. und seine 2011 ebendort geborene Tochter, die Klägerin zu 2., sind Nachfahren eines 1853 nach Brasilien ausgewanderten "preußischen Untertanen". Sie begehren die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige sind.

OVG: Staats­an­ge­hö­rigkeit des Vaters durch Abstammung erworben

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat der erstinstanzlich erfolglosen Klage stattgegeben. Der Vater des Klägers, der zuvor ausschließlich brasilianischer Staats­an­ge­höriger gewesen sei, habe die deutsche Staatsangehörigkeit zwar nicht durch Abstammung, wohl aber im April 2015 nach § 3 Abs. 2 StAG dadurch erworben, dass deutsche Stellen ihn seit April 2003 irrtümlich als deutschen Staats­an­ge­hörigen behandelt hätten. Das Bundes­ver­wal­tungsamt habe ihm im April 2003 einen Staats­an­ge­hö­rig­keits­ausweis mit einer Gültigkeit von zehn Jahren ausgestellt; im August 2014 sei ihm durch das Generalkonsulat São Paulo ein ebenfalls zehn Jahre gültiger Reisepass ausgestellt worden. Der Staats­an­ge­hö­rig­keits­erwerb des Vaters des Klägers, der die Behandlung als deutscher Staats­an­ge­höriger nicht zu vertreten habe, wirke auf den Zeitpunkt von dessen Geburt im Jahre 1947 zurück. Er erstrecke sich nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG kraft Gesetzes auf die beiden Kläger als dessen Abkömmlinge; auf ein etwaiges Vertretenmüssen in der Person des Klägers komme es nicht an.

BVerfG: Deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit durch "Ersitzung" rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Geburt erworben

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts bestätigt. Der Vater des Klägers hat die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit durch "Ersitzung" rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Geburt erworben. Der dafür erforderlichen durchgängigen Behandlung als deutscher Staats­an­ge­höriger "seit zwölf Jahren" steht nicht entgegen, dass der ihm erteilte Staats­an­ge­hö­rig­keits­ausweis im April 2013 seine Gültigkeit verloren hat und ihm erst im August 2014 ein Reisepass ausgestellt worden ist. In der zeitlichen Lücke liegt hier keine anspruchs­schädliche Unterbrechung.

Recht­sirr­tümliche Behandlung als Deutscher nicht zu vertreten

Der Vater des Klägers hat seine recht­sirr­tümliche Behandlung als Deutscher nicht zu vertreten. Ebenso wenig wie seine Behandlung als Deutscher ist sein Nicht­ver­tre­ten­müssen insbesondere dadurch entfallen, dass das Generalkonsulat São Paulo 2015 dem Kläger kurz vor Ablauf des Zwölf­jah­res­zeitraums den ausschließlich an die beiden Kläger gerichteten streit­ge­gen­ständ­lichen Bescheid hat bekanntgeben lassen, mit dem es diesen gegenüber das Nichtbestehen der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit festgestellt hat. Eine Kenntnis auch des Vaters des Klägers von diesem Vorgang vor Ablauf des Zwölf­jah­res­zeitraums hat das Oberver­wal­tungs­gericht gerade nicht festgestellt.

Erstre­ckungs­erwerb setzt keine Gutgläubigkeit voraus

Des Vaters rückwirkender Staats­an­ge­hö­rig­keits­erwerb erstreckt sich kraft Gesetzes auf die Kläger als Abkömmlinge, die seither ihre Staats­an­ge­hö­rigkeit von ihm ableiten. Der Erstre­ckungs­erwerb setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass auch der Abkömmling seinerseits eine Behandlung als deutscher Staats­an­ge­höriger nicht zu vertreten haben darf bzw. "gutgläubig" gewesen sein muss. Er ist zudem unabhängig davon eingetreten, ob der Kläger in der Zeit bis April 2015 - etwa durch einen freiwilligen Eintritt in fremde Streitkräfte - einen Verlust­tat­bestand verwirklicht hat.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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