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Dokument-Nr. 32033

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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.06.2022

Kein Anspruch auf Zinsen für Rückerstattung zu Unrecht entrichteter Kern­brenn­stoff­steuerErfolglose Verfassungs­beschwerde betreffend der Verzinsung zu Unrecht entrichteter Kern­brenn­stoff­steuer

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde mangels Grundrechts­verletzung zurückgewiesen, die die Frage betrifft, ob es infolge der Nichti­g­er­klärung des Kern­brenn­stoff­steuergesetzes durch das Bundes­verfassungs­gericht verfassungs­rechtlich geboten ist, einen von der Beschwer­de­führerin im Jahr 2016 entrichteten und im Anschluss an die Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts im Jahr 2017 an sie zurück­er­statteten Steuerbetrag in Höhe von 54.725.320 Euro ab dem Zeitpunkt der Steuerzahlung zu verzinsen.

Die Beschwer­de­führerin beantragte eine Verzinsung dieses Betrages. Sie verlangte je ,5 % Zinsen für zehn volle Monate zwischen dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer am 25. Juli 2016 und dem Eingang der Erstattung am 19. Juni 2017, mithin 2.736.265 Euro. Der Gesetzgeber hat in der Abgabenordnung einen solchen Zinsanspruch allerdings nicht vorgesehen. Das Hauptzollamt Osnabrück lehnte daher die beantragte Festsetzung von Zinsen ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht Hamburg wies die gegen die Ablehnung der Verzinsung erhobene Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Die von der Beschwer­de­führerin eingelegte Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde wies der Bundesfinanzhof als unbegründet zurück. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwer­de­führerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG, jeweils in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG. Allein durch Rückzahlung der Steuer sei die durch Erhebung der verfas­sungs­widrigen Kernbrennstoffsteuer erfolgte Grundrechtsverletzung nicht behoben worden. Vielmehr sei zur vollständigen Kompensation des Eingriffs eine Verzinsung verfas­sungs­rechtlich geboten.

Kein Zinsanspruch unmittelbar aus dem Grundgesetz

Die angegriffenen fachbe­hörd­lichen und -gerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwer­de­führerin durch Versagung des im Ausgangs­ver­fahren begehrten Zinsanspruchs nicht in ihren Grundrechten. Der Zinsanspruch folgt nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. Die Erhebung der Kernbrenn­stoff­steuer aufgrund eines kompetenzwidrig erlassenen Gesetzes hat die Beschwer­de­führerin zwar in ihrer allgemeinen Handlungs­freiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Zur Handlungs­freiheit gehört insbesondere das Recht der Betroffenen, nur aufgrund solcher Rechts­vor­schriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell mit der Verfassung vereinbar sind und deshalb zur verfas­sungs­mäßigen Ordnung gehöre. Der im Gefolge dieser Grund­rechts­ver­letzung entstandene Anspruch der Beschwer­de­führerin auf Erstattung der entrichteten Steuer ist erfüllt. Grund­rechts­verstöße, wie sie durch das kompe­ten­z­widrige Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz hervorgerufen wurden, können aber darüber hinaus verfas­sungs­rechtlich radizierte Kompen­sa­ti­o­ns­ansprüche begründen. Die Grundrechte gewährleisten das grundsätzliche Bestehen angemessener Sekun­dä­ransprüche nach Grund­rechts­ver­let­zungen. Die Haftung für staatliches Unrecht ist insofern nicht nur eine Ausprägung des Legali­täts­prinzips, sondern auch Ausfluss der jeweils betroffenen Grundrechte, die insoweit den zentralen Bezugspunkt für die Einstands­pflichten des Staates bilden. Die Grundrechte schützen nicht nur vor nicht gerecht­fer­tigten Eingriffen des Staates in Freiheit und Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger und sind insoweit Grundlage für Unterlassungs- und Besei­ti­gungs­ansprüche, die die Effektivität des Grund­rechts­schutzes sicherstellen. Soweit dies nicht möglich ist, ergeben sich aus ihnen grundsätzlich auch Kompen­sa­ti­o­ns­ansprüche, sei es als Schadensersatz-, sei es als Entschädigungs- und Ausgleichs­ansprüche. Aus dieser grundsätzlichen Gewährleistung von Kompen­sa­ti­o­ns­ansprüchen folgt jedoch kein spezifischer verfas­sungs­un­mit­telbarer Sekun­dä­ran­spruch, wie er als Zinsanspruch im Ausgangs­ver­fahren geltend gemacht wurde. Art und Umfang grund­recht­licher Sekun­dä­ransprüche bedürfen vielmehr der Ausgestaltung und Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Die verfas­sungs­rechtliche Garantie grund­recht­licher Sekun­dä­ransprüche dem Grunde nach statuiert keine Pflicht des Gesetzgebers, sämtliche Folgen verfas­sungs­widriger Eingriffe rückwirkend zu beseitigen. Bei der Ausgestaltung spezifischer Sekun­dä­ransprüche kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­spielraum zu, der Typisierungen und Pauscha­li­sie­rungen nicht nur zulässt, sondern erfordert, um die Sekun­dä­ransprüche opera­ti­o­na­li­sierbar zu machen. Dem Gesetzgeber obliegt damit auch die Entscheidung, ob und inwiefern gerade Zinsansprüche ein Bestandteil des grundgesetzlich gewährleisteten Kompen­sa­ti­o­ns­regimes sein sollen, das die Folgen einer verfas­sungs­widrig erhobenen Steuer angemessen ausgleichen soll. Falls Zinsansprüche vorgesehen werden, kann er bei der Auswahl des Zinsgegenstands und der Bemessung des Zinssatzes typisierende Regelungen treffen und sich dabei in erheblichem Umfang von Prakti­ka­bi­li­täts­er­wä­gungen mit dem Ziel der Einfachheit der Zinsfestsetzung und -erhebung leiten lassen. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben sich keine verfas­sungs­un­mit­telbaren Ersatzansprüche. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet selbst weder den sachlichen Bestand noch den Inhalt materiell geschützter Rechts­po­si­tionen, sondern setzt diese vielmehr voraus. Die Verneinung einer verfas­sungs­recht­lichen Pflicht zur umfassenden Kompensation sämtlicher – auch nur mittelbar mit einer Grund­rechts­ver­letzung zusam­men­hän­gender – Vermö­gens­nachteile steht mit den Wertungen der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Einklang, die nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten heranzuziehen sind. Bereits aus dem Wortlaut von Art. 41 EMRK ergibt sich, dass auch bei einer festgestellten Verletzung der Konvention und ihrer Protokolle eine Entschädigung nicht in jedem Fall, sondern nur dann zuzusprechen ist, wenn dies notwendig ist.

Gesetz­ge­be­rische Entscheidung gegen Zinsanspruch nicht verfas­sungs­widrig

Die gesetz­ge­be­rische Entscheidung, den geltend gemachten Zinsanspruch in der Abgabenordnung nicht vorzusehen, ist nicht verfas­sungs­widrig. Sieht der Gesetzgeber nach verfas­sungs­widriger Erhebung von Steuern Rücker­stat­tungs­ansprüche in Höhe der gezahlten Nominalbeträge vor, verlangen die Grundsätze des grund­recht­lichen Kompen­sa­ti­o­ns­an­spruchs im Regelfall keine über die Rückzahlung des geleisteten Steuerbetrags hinausgehende Kompensation. Dies gilt jedenfalls bei niedrigen Marktzinsen und niedriger Inflation für Erstattungen, die regelmäßig binnen weniger Jahre – und nicht erst nach Jahrzehnten – erfolgen. Nach Erstattung der gezahlten Steuer verbleibt in einem solchen Fall grundsätzlich keine verfas­sungs­rechtlich erhebliche Beein­träch­tigung von Grundrechten, die zu kompensieren wäre. Hier wurde die zu Unrecht gezahlte Kernbrenn­stoff­steuer der Beschwer­de­führerin binnen eines angemessen kurzen Zeitraums von nur zehn Monaten erstattet. In dem streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum war das Zinsumfeld von Niedrigzinsen geprägt. Der Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers hat sich daher nicht zu einer Verpflichtung verdichtet, die Steue­r­er­stat­tungs­ansprüche zu verzinsen.

Auch kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz

Die fehlende Anordnung einer generellen Verzinsung der Kernbrenn­stoff­steu­e­r­er­stattung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verlangt aber nicht vom Gesetzgeber, Steue­r­er­stat­tungen infolge der Nichti­g­er­klärung eines verfas­sungs­widrigen Gesetzes - wie die Kernbrenn­stoff­steu­e­r­er­stattung - und Steue­r­er­stat­tungen nach der „bloßen“ Unver­ein­ba­r­keits­er­klärung eines verfas­sungs­widrigen Gesetzes dahingehend ungleich zu behandeln, dass in Fällen der Nichti­g­er­klärung allen Betroffenen, soweit die Bestands- oder Rechtskraft nicht entgegensteht, eine Verzinsung der gezahlten Beträge unabhängig von der Rechts­hän­gigkeit zu gewähren wäre. Die Nichti­g­er­klärung knüpft nicht an einen besonders schwerwiegenden und offen­sicht­lichen Rechtsverstoß an, und umgekehrt kennzeichnet eine Unver­ein­ba­r­keits­er­klärung keinen „Verfas­sungs­verstoß minderer Art“. Eine Ungleich­be­handlung beider Fälle ist daher verfas­sungs­rechtlich nicht geboten. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt vom Gesetzgeber auch nicht, Steue­r­er­stat­tungs­gläu­bigern, die - wie die Beschwer­de­führerin - ohne Prozessrisiko in den Genuss einer Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO kommen, Prozesszinsen zuzugestehen. Der Gesetzgeber hat die vorläufige Steuer­fest­setzung nach § 165 Abs. 1 AO geschaffen, damit einerseits Steuer­pflichtige von sie begünstigenden gesetzlichen Neuregelungen oder einer (verfassungs-)gerichtlichen Entscheidung profitieren können, andererseits jedoch eine Überlastung von Verwaltung und Justiz vermieden wird. Bei einer Vorläu­fig­keits­er­klärung sind Steuer­pflichtige nicht gezwungen, durch Rechtsbehelfe ihre Fälle offen zu halten, damit ihnen die Begünstigungen einer gesetzlichen Neuregelung beziehungsweise einer gerichtlichen Entscheidung zuteilwerden. Dass in Konsequenz dieser Regelung mangels Rechtsbehelfs auch keine Prozesszinsen zugunsten des Erstat­tungs­gläu­bigers anfallen, ist von der Ausgestaltungs- und Typisie­rungs­be­fugnis des Gesetzgebers gedeckt. Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften durch die angegriffenen Entscheidungen verstoßen ebenfalls nicht gegen das Grundgesetz. Es entspricht dem rechts­s­taat­lichen Grundsatz der Bindung des Richters an Gesetz und Recht, die gesetz­ge­be­rischen Konkre­ti­sierungs- und Ausge­stal­tungs­ent­schei­dungen zu beachten, statt sie durch eigene Gerech­tig­keits­vor­stel­lungen der Fachgerichte zu ersetzen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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