Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Nichtraucher wurde im Jahr 2010 in der Justizvollzugsanstalt Stralsund als Untersuchungsgefangener untergebracht und musste für drei Tage einen Haftraum mit zwei Rauchern teilen. Die Mitgefangenen rauchten selbst in der Nacht mehrmals. Der Untersuchungshäftling beantragte daher festzustellen, dass die Unterbringung rechtswidrig gewesen sei. Seiner Meinung nach, sei er genötigt worden, gesundheitsgefährdende Stoffe einzuatmen. Dadurch sei ihm körperlicher Schmerz zugefügt worden.
Sowohl das Landgericht Stralsund als auch das Oberlandesgericht Rostock wiesen den Antrag zurück. Ihrer Ansicht nach, sei die Unterbringung mit zwei starken Rauchern nicht rechtswidrig gewesen. Denn die Justizvollzugsanstalt habe mitgeteilt, dass aufgrund der Belegungssituation eine andere Unterbringung kurzfristig nicht möglich gewesen sei. Der Untersuchungshäftling erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht entschied zu Gunsten des Untersuchungshäftlings. Durch die Unterbringung in einem Haftraum mit zwei starken Rauchern habe angesichts der belästigenden und gesundheitsgefährdenden Wirkung des Passivrauchens ein erheblicher Eingriff in die grundrechtlich geschützte körperliche Unversehrtheit vorgelegen (vgl. BVerG, Beschl. v. 09.02.1998 - 1 BvR 2234/97). Ein Gefangener habe aber grundsätzlich Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal.
Das Bundesverfassungsgericht betonte zwar, dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt sein kann. Es bemängelte aber die fehlende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung durch das Landgericht und Oberlandesgericht.
Zum einen sei nach Ansicht der Verfassungsrichter notwendig gewesen, dass auf die Frage der Erforderlichkeit der Unterbringung eingegangen wird. Es habe nicht ausgereicht sich lediglich auf die Angaben der Justizvollzugsanstalt, hinsichtlich der Belegungssituation, zu beziehen. Vielmehr hätten die Gerichte eine eigenständige Sachverhaltsaufklärung durchführen müssen.
Des Weiteren habe eine unzureichende Prüfung der Zumutbarkeit der Maßnahme vorgelegen, so die Verfassungsrichter weiter. Denn es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Maßnahme nicht allein damit hätte begründet werden dürfen, dass die gegebene Ausstattung der Justizvollzugsanstalt nichts anderes zugelassen hat. Vielmehr stelle der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch Anforderungen an die Ausstattung. Es sei Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle geeigneten und nötigen Maßnahmen zu treffen, um Rechtsverletzungen von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden. Die dafür notwendigen sachlichen und personellen Mittel habe der Staat aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen. Erläuterungen dazu fehlten in den Entscheidungen des Landgerichts und Oberlandesgerichts.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.07.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)