24.11.2024
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Dokument-Nr. 5914

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Beschluss09.02.1998Bundesverfassungsgericht1 BvR 2234/97
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 1998, 2961Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1998, Seite: 2961
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Bundesverfassungsgericht Beschluss09.02.1998

Erfolglose Verfassungs­beschwerde im Zusammenhang mit "Nicht­rau­cher­schutz"

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine wegen unzureichenden Nichtraucher­schutzes erhobene Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Beschwer­de­führer fühlt sich durch das "Rauchen an öffentlich zugänglichen Aufent­haltsorten" in seinen Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde beantragte er festzustellen, daß der Staat in diesem Bereich seiner ihm obliegenden Schutzpflicht nicht hinreichend nachgekommen und der derzeitige gesetzliche Nicht­rau­cher­schutz völlig unzulänglich sei.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht nimmt die Beschwerde nicht zur Entscheidung an

Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung heißt es u.a.:

Die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe, sondern bringen auch eine objektive Werteordnung zum Ausdruck. Aus dieser kann sich eine Pflicht der öffentlichen Gewalt ergeben, die Bürger auch gegen Beein­träch­ti­gungen der geschützten Rechtsgüter durch Dritte in Schutz zu nehmen. Bei der Erfüllung der Schutzpflicht steht dem Gesetzgeber allerdings eine weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­freiheit zu, die auch Raum läßt, etwa konkurrierende öffentliche oder private Interessen zu berücksichtigen. Das BVerfG kann eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten daher nur feststellen, wenn die staatlichen Organe entweder gänzlich untätig geblieben oder die getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind.

Gesetzgeber hat seine Pflicht den Bürger vor Gesund­heits­ge­fahren durch Passivrauchen zu schützen nicht verletzt

Unter Zugrundelegung dieses Prüfungs­maßstabs ist nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber seine Pflicht, die Bürger vor Gesund­heits­ge­fahren durch Passivrauchen zu schützen, verletzt hätte. Er hat im Gegenteil in vielfältiger Weise von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, das Rauchen in bestimmten Bereichen zu untersagen oder einzuschränken. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang auf entsprechende bundes­rechtliche Regelungen, u.a. auf die Verordnung über Arbeitsstätten (ausreichendes Vorhandensein von gesundheitlich zuträglicher Atemluft; Schutz der Nichtraucher vor Belästigungen durch Tabakrauch), die Verordnung über den Betrieb von Kraft­fahr­un­ter­nehmen im Personenverkehr (Rauchen in Taxen und Mietwagen nur mit Zustimmung des Fahrgasts; Verbot des Rauchens in Nicht­rau­chertaxen; Nicht­rau­cherzonen in Linienbussen) und die Eisenbahn-Verkehrsordnung (Bereitstellen einer angemessenen Zahl von Wagen oder Abteilen für Nichtraucher). Neben diesen speziellen Nicht­rau­cher­schutz­ge­setzen gibt es weitere Vorschriften (z.B. im Bürgerlichen Gesetzbuch, im Handels­ge­setzbuch und in der Gewerbeordnung), die dem Gesund­heits­schutz von Arbeitnehmern allgemein dienen und in diesem Rahmen Rauchverbote rechtfertigen können.

Geset­zes­maß­nahmen sind derzeit ausreichend

Es ist auch nicht ersichtlich, daß die derzeit existierenden gesetz­ge­be­rischen Maßnahmen evident unzureichend wären. Dabei kann offenbleiben, ob mittlerweile hinreichend verläßliche wissen­schaftliche Erkenntnisse über die Gesund­heits­risiken des Passivrauchens existieren. In Wahrnehmung seiner politischen Verantwortung hat der Gesetzgeber im Rahmen des ihm hierbei zustehenden weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­spielraums Nicht­rau­cher­schutz­vor­schriften geschaffen, die ihr Ziel jedenfalls nicht offensichtlich verfehlen. Denn sie erfassen gerade diejenigen Lebensbereiche, in denen sich der Einzelne den Rauchein­wir­kungen nicht ohne weiteres entziehen und dadurch auch nur in eingeschränktem Maße selbst für seinen Schutz vor möglichen Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen durch Passivrauchen Sorge tragen kann. Wenn der Gesetzgeber derzeit eine Verstärkung des Nicht­rau­cher­schutzes nicht für geboten hält, wie in der Ablehnung des Entwurfs eines Nicht­rau­cher­schutz­ge­setzes durch den Bundestag jüngst zum Ausdruck gekommen ist, kann dies von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden.

Quelle: ra-online, BVerfG (pm)

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