23.11.2024
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Dokument-Nr. 33239

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Bundesverfassungsgericht Beschluss09.08.2023

BVerfG weist Verfassungs­beschwerde wegen Verwertung von EncroChat-Daten aufgrund des Subsidiaritäts­grundsatz und nicht substantiierter Grundrechts­verletzung zurückUnzulässige Verfassungs­beschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung nach Auswertung übermittelter EncroChat-Daten

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung nicht zur Entscheidung angenommen, bei der sich das Landgericht maßgeblich auf die im Wege internationaler Rechtshilfe an deutsche Ermitt­lungs­be­hörden übermittelten Daten von Mobiltelefonen des Anbieters EncroChat stützte. Die Verfassungs­beschwerde ist unzulässig, weil der Beschwer­de­führer den Subsidiaritäts­grundsatz nicht gewahrt und eine Grundrechts­verletzung nicht substantiiert dargetan hat.

Mit sieben weiteren, nicht veröf­fent­lichten Beschlüssen vom 9. August 2023 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats ähnlich gelagerte Fälle nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 2 BvR 2005/22, 2 BvR 2022/22, 2 BvR 2024/22, 2 BvR 2025/22, 2 BvR 2048/22, 2 BvR 594/23 und 2 BvR 867/23).

Über die mit der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten verbundenen verfas­sungs­recht­lichen Fragen ist damit in der Sache nicht entschieden. Beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht sind derzeit fünf weitere Verfas­sungs­be­schwerden zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten anhängig (Az. 2 BvR 684/22, 2 BvR 1832/22, 2 BvR 2143/22, 2 BvR 64/23 und 2 BvR 1008/23).

Sachverhalt:

Das Unternehmen EncroChat bot seinen Nutzern Krypto-Mobiltelefone mit einer besonderen Softwa­re­ausstattung an. Nach bisherigen Erkenntnissen der Straf­ver­fol­gungs­be­hörden wurden die Mobiltelefone in großem Maße und vorwiegend europaweit zur Begehung schwerer Straftaten genutzt. Von April bis Juni 2020 erfassten französische Ermitt­lungs­be­hörden die über den in Roubaix befindlichen Server des Unternehmens laufenden Daten. Die zu Mobiltelefonen auf deutschem Staatsgebiet anfallenden Daten übermittelten die französischen Behörden im Wege internationaler Rechtshilfe den deutschen Ermitt­lungs­be­hörden zur Verwendung in Strafverfahren.

Am 23. Juli 2021 verurteilte das Landgericht Rostock den Beschwer­de­führer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu­bungs­mitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von fünf Jahren. Seine Überzeugung von der Täterschaft stützte das Landgericht auf aus seiner Sicht dem Beschwer­de­führer zuzuordnende Chat-Verläufe, die über den Anbieter EncroChat geführt wurden. Die dagegen gerichtete Revision verwarf der Bundes­ge­richtshof mit Beschluss vom 8. Februar 2022.

Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde wendet sich der Beschwer­de­führer gegen die Entscheidungen des Landgerichts Rostock und des Bundes­ge­richtshofs. Er macht die Verletzung seines Grundrechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) sowie der europäischen Grundrechte aus Art. 7 und Art. 8 der Charta der Europäischen Union (GRCh) geltend. Die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter begründet er damit, dass der Bundes­ge­richtshof zahlreiche Fragen zur Zulässigkeit und Verwertbarkeit der EncroChat-Daten dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht vorgelegt habe. Die Art. 7 und Art. 8 GRCh seien verletzt, weil die französischen Behörden in großem Umfang EncroChat-Daten ausgespäht, gesammelt und hiernach an die deutschen Behörden weitergegeben hätten.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig.

1. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRCh hat der Beschwer­de­führer den Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt.

Danach soll der gerügte Grund­rechts­verstoß nach Möglichkeit schon im fachge­richt­lichen Verfahren beseitigt werden. Im Strafverfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität von einem Beschwer­de­führer, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, diese im Revisi­ons­ver­fahren so zu rügen, dass das Revisi­ons­gericht in eine sachliche Prüfung der Rüge eintritt.

Vorliegend hat der Beschwer­de­führer eine Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRCh nicht in zulässiger Weise mit der Revision gerügt. Er hat im Revisi­ons­ver­fahren zu den Verfah­ren­s­tat­sachen nicht ausreichend vorgetragen, um dem Revisi­ons­gericht den Eintritt in die sachliche Prüfung der Beweis­ver­wertung zu ermöglichen. Seinem Revisi­ons­vortrag fehlt es insoweit an der Vorlage der vom Beschwer­de­führer in Bezug genommenen Aktenteile.

2. In Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Beschwer­de­führer eine Grund­rechts­ver­letzung nicht substantiiert dargetan.

Ein Rechtsuchender kann seinem gesetzlichen Richter dadurch entzogen werden, dass ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt. Die Nichteinleitung eines Vorla­ge­ver­fahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kann eine der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Unionsrechts der Entscheidung des gesetzlichen Richters – des Gerichtshofs der Europäischen Union – vorenthalten und damit das Ergebnis der Entscheidung beeinflussen. Für die unions­rechtliche Zustän­dig­keits­vor­schrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV prüft das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zustän­dig­keitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.

Eine solche Konstellation vermag der Beschwer­de­führer nicht aufzuzeigen. Es ist anhand des Beschwer­de­vortrags nicht erkennbar, dass der Bundes­ge­richtshof in unvertretbarer Weise von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen hat. Die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war offensichtlich nicht entschei­dungs­er­heblich. Die Beantwortung von europa­recht­lichen Fragen zur Rechtmäßigkeit der Erhebung, Übermittlung und Verwertung von EncroChat-Daten konnte keinen Einfluss auf die Revisi­ons­ent­scheidung nehmen, weil der Bundes­ge­richtshof über die Rechtmäßigkeit der Beweis­ver­wertung vorliegend nicht zu entscheiden hatte. Denn der Beschwer­de­führer hat die Beweis­ver­wertung durch das Landgericht mit der Revision nicht in zulässiger Weise gerügt.

3. Über die mit der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten verbundenen verfas­sungs­recht­lichen Fragen ist damit in der Sache nicht entschieden.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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