23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss09.10.2009

Verfas­sungs­be­schwerde gegen Auslie­fe­rungs­ent­schei­dungen erneut erfolgreichVerletzung des Grundrechts auf Schutz vor Auslieferung

Da ein Auslie­fe­rungs­be­schluss des Oberlan­des­ge­richts München willkürlich das Grundrecht auf Auslie­fe­rungs­schutz eines Beschwer­de­führers verletzte, hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erneut einer Verfas­sungs­be­schwerde stattgegeben, die sich gegen die Bewil­li­gungs­ent­scheidung wendete, die Auslieferung zur Strafverfolgung für zulässig zu erklären.

Der Beschwer­de­führer, der die deutsche und die griechische Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt, wehrt sich seit dreieinhalb Monaten gegen seine Auslieferung zur Strafverfolgung, um die griechische Behörden auf der Grundlage von mittlerweile drei Europäischen Haftbefehlen ersuchen. Nachdem das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits im September 2009 entschieden hatte, dass die Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des ersten Europäischen Haftbefehls Grundrechte des Beschwer­de­führers verletzt hatte, erklärte das Oberlan­des­gericht München die Auslieferung wegen des zweiten Europäischen Haftbefehls erneut für zulässig und ordnete Auslie­fe­rungshaft an. Die General­staats­an­walt­schaft entschied wiederum, die Auslieferung zu bewilligen. Gegen beide Entscheidungen wandte sich der Beschwer­de­führer mit seiner zweiten Verfassungsbeschwerde (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 03.09.2009 - 2 BvR 1826/09 -).

Beschluss verletzt willkürlich Grundrecht auf Auslie­fe­rungs­schutz

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat der Verfas­sungs­be­schwerde stattgegeben, soweit sich der Beschwer­de­führer gegen die Bewil­li­gungs­ent­scheidung der General­staats­an­walt­schaft und den Beschluss des Oberlan­des­ge­richts München wendet, die Auslieferung des Beschwer­de­führers zur Strafverfolgung für zulässig zu erklären. Die Entscheidungen wurden aufgehoben und zur erneuten Entscheidung über die Auslieferung an ein anderes Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Nach wie vor beanstandet das Gericht nicht prinzipiell die Auslieferung eines deutschen Staats­an­ge­hörigen nach Griechenland auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls, stellt aber fest, dass der Auslie­fe­rungs­be­schluss des Oberlan­des­ge­richts willkürlich das Grundrecht des Beschwer­de­führers auf Auslie­fe­rungs­schutz verletzt. Der Beschluss unterschreitet die Mindes­ter­for­dernisse an Art und Tiefe der Begründung richterlicher Entscheidungen, weil er – wiederum mit Blick auf Verjäh­rungs­fragen – wesentliche Rechtsfragen übergeht und den Sachverhalt nicht hinreichend weit aufgeklärt hat.

Tatvorwürfe müssen sorgfältig geprüft werden – Überschlägige Rechtsprüfung nicht ausreichend

Der verfas­sungs­rechtliche Maßstab des Willkürverbots verlangt nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts die Begründung einer fachrich­ter­lichen Entscheidung unter anderem dann, wenn sie sich für die Beteiligten nicht bereits eindeutig aus dem Gesetz ergibt. Strengere Vorgaben für die richterliche Sorgfalt folgen im Auslie­fe­rungs­ver­fah­rensrecht zudem unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG, der ein hohes Maß an Rechts­si­cherheit verlangt. Danach darf ein Tatvorwurf jedenfalls nicht so diffus formuliert sein, dass die Überprüfung von Auslie­fe­rungs­hin­der­nissen unmöglich wird. Die Fachgerichte müssen auch im Europäischen Haftbe­fehls­ver­fahren, das der Vereinfachung der Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union innerhalb eines zusam­men­wach­senden Wirtschafts- und Rechtsraums dient, möglichst sorgfältig überprüfen, ob die konkreten Tatvorwürfe strafbares Verhalten beschreiben. Sie dürfen sich nicht mit einer lediglich überschlägigen Rechtsprüfung begnügen.

Tatvorwurf nicht eindeutig genug

Die Verletzung des Grundrechts auf Schutz vor Auslieferung ergab sich im vorliegenden Fall zum einen daraus, dass sich das Oberlan­des­gericht München mit der zentralen Frage einer möglichen inner­staat­lichen Verjährung der in Rede stehenden Tatvorwürfe aus den Jahren 2002 und 2003 nicht ausein­an­der­gesetzt hat. Seine kursorischen Erwägungen zur fehlenden Verfol­gungs­ver­jährung zum Nachteil des Beschwer­de­führers werden den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an eine fachge­richtliche Entscheidung nicht gerecht. Sie sind nicht tragfähig und lassen keine Prüfung der Rechtslage erkennen. Zum anderen hätte sich das Oberlan­des­gericht München auch nicht mit der bloßen Feststellung begnügen dürfen, die Auslie­fe­rungs­un­terlagen seien konkret genug formuliert. So ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass der Tatvorwurf, der lediglich in allgemeiner Weise das Vorliegen von Geschäfts­be­zie­hungen schildert, ergänzt um die Behauptung, es habe in diesem Zusammenhang ein nicht näher erläutertes betrugs­re­le­vantes Verhalten des Beschwer­de­führers gegeben, der Auslie­fe­rungs­ent­scheidung zugrundegelegt wurde.

Quelle: ra-online, BVerfG

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