21.11.2024
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Dokument-Nr. 5163

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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.11.2007

BVerfG: Urinkontrolle eines Unter­su­chungs­ge­fangenen zulässigSolange die richterliche Anordnung zur Urinkontrolle dem Häftling nicht bekannt gegeben worden ist, dürfen keine Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen wegen Verweigerung der Urinprobe erlassen werden

Urinkontrollen sind verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Unter­su­chungs­häftling den regelmäßigen Betäu­bungs­mit­tel­konsum eingeräumt hat und auch bei seiner Eingangs­un­ter­suchung positiv auf Drogen getestet worden ist. Die Notwendigkeit von Urinkontrollen im Vollzug von Unter­su­chungshaft sei nachvollziehbar und mit den schwerwiegenden Gefahren begründet, die von dem Konsum von Betäu­bungs­mitteln für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt ausgehen.

Der Beschwer­de­führer befindet sich wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäu­bungs­mit­tel­gesetz in Untersuchungshaft. Auf Antrag der Justiz­voll­zugs­anstalt genehmigte das Amtsgericht die Anordnung der Abgabe einer Urinprobe durch den Beschwer­de­führer. Als der Beschwer­de­führer, dem zu diesem Zeitpunkt der Beschluss des Amtsgerichts noch nicht bekanntgegeben worden war, zur Abgabe einer Urinprobe aufgefordert wurde, verweigerte er diese unter Hinweis auf das Fehlen einer richterlichen Anordnung. Daraufhin wurden gegen den Beschwer­de­führer Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen in Form einer Einkaufssperre und eines Arrestes verhängt. Seine Verfassungsbeschwerde richtete sich sowohl gegen die Anordnung der Urinprobe als auch gegen die Anordnung der Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen. Sie war nur teilweise erfolgreich.

Anordnung der Urinkontrolle verfas­sungsgemäß

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, die Anordnung der Urinkontrolle sei verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden: Die Gerichte haben die Notwendigkeit von Urinkontrollen im Vollzug von Unter­su­chungshaft nachvollziehbar mit den schwerwiegenden Gefahren begründet, die von dem Konsum von Betäu­bungs­mitteln für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt ausgehen. Die Anordnung war auch nicht auf bloße abstrakte Mißbrauchs­mög­lich­keiten gestützt, die nach geltendem Recht nicht geeignet sind, um Beschränkungen im Unter­su­chungs­haft­vollzug zu rechtfertigen. Der Beschwer­de­führer hatte im Rahmen seiner Vernehmungen regelmäßigen Betäu­bungs­mit­tel­konsum eingeräumt und war bei seiner Eingangs­un­ter­suchung positiv auf Drogen getestet worden. Damit lagen hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine die Anordnung rechtfertigende Gefahr vor.

Verhängung von Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen verfas­sungs­widrig, wenn der Unter­su­chungs­ge­fangene nicht die richterliche Anordnung kennt

Jedoch verletzte die Verhängung von Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen den Beschwer­de­führer in seinen verfas­sungs­mäßigen Rechten. Zwar begegnet es grundsätzlich keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, die Weigerung eines Unter­su­chungs­ge­fangenen, der Anordnung zur Abgabe einer Urinprobe zu folgen, disziplinarisch zu ahnden. Zum Zeitpunkt der Vorfüh­rungs­a­n­ordnung hatte der Gefangene aber keine Veranlassung, vom Bestehen einer entsprechenden Verhal­tenspflicht auszugehen. Zwar lag die erforderliche richterliche Anordnung vor. Sie war jedoch weder dem Beschwer­de­führer noch seinem Bevoll­mäch­tigten in der gebotenen Weise bekanntgegeben worden. Von einer schuldhaften Verletzung der vollzuglichen Gehor­sams­pflicht konnte daher keine Rede sein.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 111/07 des BVerfG vom 16.11.2007

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