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18.01.2025  
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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.12.2015

Verfassungs­beschwerde gegen Neuregelung der Gefan­ge­nen­ver­gütung in Rheinland-Pfalz erfolglosArbeit im Strafvollzug stellt weiterhin gewichtigen Resozi­a­li­sierungs­faktor dar und bedarf angemessener Anerkennung

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde gegen die Neuregelung der Vergütung von freiwillig arbeitenden Strafgefangenen in Rheinland-Pfalz nicht zur Entscheidung angenommen. Laut der Neuregelung fiel die nicht geldliche Vergütungs­komponente ersatzlos weg. Diese wurde zusätzlich zur geldlichen Vergütungs­komponente unter anderem in Form von Freistel­lungstagen gewährt, die auch als Urlaub aus der Haft genutzt oder auf den Entlassungs­zeitpunkt angerechnet werden konnten. Das Bundes­verfassungs­gericht hob allerdings hervor, dass Arbeit im Strafvollzug einen gewichtigen Resozi­a­li­sierungs­faktor darstelle, dessen Wirksamkeit davon abhänge, dass die geleistete Arbeit eine angemessene Anerkennung findet. Ob der Strafgefangene freiwillig arbeitet oder eine zugewiesene Pflichtarbeit ausübt, spielt dabei keine Rolle. In beiden Fällen muss die Anerkennung geeignet sein, dem Strafgefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit vor Augen zu führen.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens verbüßt eine Strafhaft in einer Justiz­voll­zugs­anstalt in Rheinland-Pfalz und wurde ursprünglich nach den Vorschriften des Straf­voll­zugs­ge­setzes des Bundes zu einer Tätigkeit in der Druckerei/Buchbinderei verpflichtet. Für seine Tätigkeit erhielt er bis zum 31. Mai 2013 eine geldliche sowie eine nicht geldliche Vergü­tungs­kom­ponente.

Nicht geldliche Vergü­tungs­kom­ponente fällt durch die Neuregelung ersatzlos weg

Am 1. Juni 2013 trat in Rheinland-Pfalz das Landes­jus­tiz­voll­zugs­gesetz (LJVollzG) in Kraft, welches das Straf­voll­zugs­gesetz des Bundes weitgehend ersetzte. Durch die Neuregelung fiel die nicht geldliche Vergü­tungs­kom­ponente ersatzlos weg. Der Landes­ge­setzgeber begründet dies mit einer neuen Vollzugs­kon­zeption, in der Arbeit - anders als im Straf­voll­zugs­gesetz des Bundes - nicht den zentralen, sondern nur einen von vielen Resozi­a­li­sie­rungs­faktoren darstelle. Die Neukonzeption sehe überdies keine Pflichtarbeit mehr vor, sondern stelle es dem Strafgefangenen frei, eine Tätigkeit aufzunehmen. Die aus dem Resozi­a­li­sie­rungsgebot abgeleitete Forderung, Arbeit angemessen anzuerkennen, stelle sich nur für solche Gefangene, denen verpflichtend eine Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung zugewiesen oder zugeteilt worden sei oder die zu einer Hilfstätigkeit verpflichtet worden seien.

Beschwer­de­führer rügt Verletzung des Resozi­a­li­sie­rungs­gebotes

Der Beschwer­de­führer, der nach wie vor - seit dem Inkrafttreten des LJVollzG nunmehr freiwillig - in der Druckerei/Buchbinderei arbeitet, beantragte bei der Anstaltsleitung die Weitergewährung der nicht geldlichen Vergü­tungs­kom­ponente. Gegen den abschlägigen Bescheid der Justiz­voll­zugs­anstalt beschritt er erfolglos den Rechtsweg. Mit der gegen diese Beschlüsse gerichteten Verfas­sungs­be­schwerde rügt der Beschwer­de­führer insbesondere eine Verletzung des Resozi­a­li­sie­rungs­gebotes.

Strafvollzug muss grundsätzlich auf Ziel der Resozi­a­li­sierung der Gefangenen hin ausgerichtet werden

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärte die Verfas­sungs­be­schwerde für unzulässig, weil nicht erkennbar ist, dass der Beschwer­de­führer den Grundsatz der materiellen Subsidiarität gewahrt hat. Allerdings sieht sich das Gericht in Bezug auf die Interpretation der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Gefan­ge­nen­ent­lohnung durch den Landes­ge­setzgeber und die rheinland-pfälzischen Gerichte zu dem Hinweis veranlasst, dass die Verfassung gebietet, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung der Gefangenen hin auszurichten. Der einzelne Gefangene hat einen grund­recht­lichen Anspruch darauf, dass dieser Zielsetzung bei ihn belastenden Maßnahmen genügt wird. Das Resozi­a­li­sie­rungsgebot verpflichtet zunächst den Gesetzgeber, ein wirksames Resozi­a­li­sie­rungs­konzept zu entwickeln und den Strafvollzug darauf aufzubauen.

Arbeit stellt auch nach Inkrafttreten des LJVollzG gewichtigen Resozi­a­li­sie­rungs­faktor dar

Das verfas­sungs­rechtliche Resozi­a­li­sie­rungsgebot legt den Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes Regelungs­konzept fest. Demnach steht es dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich frei, dem Resozi­a­li­sie­rungsgebot mit anderen Maßnahmen als durch Arbeit Rechnung zu tragen. Indes erscheint es zweifelhaft, dass die Arbeit im Strafvollzug des Landes Rheinland-Pfalz kein gewichtiges Resozi­a­li­sie­rungs­mittel mehr darstellt. Auch wenn für eine abschließende Bewertung eine umfassende Prüfung des Vollzugs­konzepts und seiner praktischen Umsetzung erforderlich wäre, bestehen Zweifel, dass die Resozi­a­li­sierung auch ohne Arbeit hinreichend gewährleistet ist, zumal therapeutische, psychiatrische sowie Trainings- und Quali­fi­zie­rungs­maß­nahmen den Alltag der Gefangenen in der Regel nicht ausfüllen und sie zudem ohnehin nur für einen Teil der Gefangenen in Betracht kommen dürften. Daher liegt die Annahme nahe, dass die Arbeit auch nach Inkrafttreten des LJVollzG ein gewichtiger Resozi­a­li­sie­rungs­faktor geblieben ist.

Geleistete Arbeit muss angemessene Anerkennung finden

Arbeit im Strafvollzug ist aber nur dann ein wirksames Resozi­a­li­sie­rungs­mittel, wenn die geleistete Arbeit eine angemessene Anerkennung findet. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für diejenige Arbeit, die dem Gefangenen als Pflichtarbeit zugewiesen ist, sondern auch für eine freiwillig übernommene Tätigkeit. Durch die Vergütung ihrer Arbeit wird den Gefangenen sowohl im Falle der freiwilligen als auch der Pflichtarbeit ermöglicht, Geld für die Erfüllung von Unter­halts­ver­pflich­tungen, den Schuldenabbau, den Ausgleich von Tatfolgen oder den Einkauf zu verdienen. Wegen der gleich­ge­richteten Zielsetzung muss die Anerkennung daher in beiden Fällen geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigen­ver­ant­wortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen.

Umfang nicht geldlicher Leistung sollte ständigen Überprüfung unterzogen werden

Die bis zum Inkrafttreten des LJVollzG in Rheinland-Pfalz geltende Vergü­tungs­re­gelung des Straf­voll­zugs­ge­setzes des Bundes, welche eine geldliche und eine nicht geldliche Vergü­tungs­kom­ponente kombinierte, war im Jahr 2002 Gegenstand einer Kamme­rent­scheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts. Die Kammer sah die Regelung als "derzeit noch vertretbar" an und hob hervor, dass gerade die Gewährung von Freistellung in Abhängigkeit zur geleisteten Arbeit dem Resozi­a­li­sie­rungsgebot gerecht werde. Allerdings bleibe der Gesetzgeber auch hier aufgefordert, den Umfang der nicht geldlichen Leistung einer ständigen Überprüfung zu unterziehen.

Vergütung für geleistete Arbeit muss Resozi­a­li­sie­rungsgebot gerecht werden

Es besteht zwar zu Gunsten des Gesetzgebers ein weiter Spielraum bei der Ausgestaltung der Vergütung der Gefan­ge­ne­n­arbeit, sodass eine gesetz­ge­be­rische Neukonzeption möglich ist. Jedoch muss die Vergütung für im Vollzug geleistete Arbeit stets geeignet sein, dem Resozi­a­li­sie­rungsgebot gerecht zu werden. Auf welche Weise der Gesetzgeber dies erreicht, bleibt ihm überlassen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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