Im zugrunde liegenden Fall hatte das Bundesverfassungsgericht unter anderem darüber zu entscheiden, ob die Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes von Cannabisprodukten, wie beispielsweise Marihuana oder Haschisch, nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Strafvorschriften zum unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabisprodukten verfassungsgemäß sind. Zwar sei es richtig, dass nach Art. 2 Abs. 1 GG jeder grundsätzlich tun und lassen darf, was er möchte (sog allgemeine Handlungsfreiheit). Die gelte jedoch nicht für den Umgang mit Drogen, insbesondere nicht für das Sichberauschen. Zudem sei zu beachten, dass die allgemeine Handlungsfreiheit unter dem Vorbehalt der verfassungsgemäßen Ordnung steht und daher durch Rechtsvorschriften eingeschränkt werden kann. Das Verfassungsgericht betonte daher, dass es ein "Recht auf Rausch" nicht gibt.
Darüber hinaus liege durch die Strafvorschrift zwar ein Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) vor, so das Bundesverfassungsgericht weiter. Ein solcher Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, wenn besonders gewichtige Gründe vorliegen. Ein solcher Grund könne etwa bestehen, wenn der Einzelne oder die Allgemeinheit geschützt werden soll. Zu beachten sei aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem dürfe die Strafandrohung nicht unangemessen sein (sog. Übermaßverbot).
Das Bundesverfassungsgericht hielt die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabisprodukten für verhältnismäßig. Denn der Gesetzgeber verfolge damit den Zweck, die menschliche Gesundheit vor den von der Droge Cannabis ausgehenden Gefahren zu schützen und vor allem Jugendliche vor Abhängigkeit zu bewahren. Es müsse beachtet werden, dass durch den Konsum dieses Betäubungsmittels gerade Jugendliche an Rauschmittel herangeführt werden. Dadurch könne die Persönlichkeitsfestigung von Jugendlichen behindert werden.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gehen von Cannabisprodukten nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken aus. So bestehe zum einen die Möglichkeit einer psychischen Abhängigkeit. Zum anderen könne der Dauerkonsum von Cannabisprodukten zu Verhaltensstörungen, Lethargie, Gleichgültigkeit, Angstgefühlen, Realitätsverlust und Depressionen führen. Dies gefährde gerade die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen nachhaltig.
Der unerlaubte Erwerb und Besitz von Cannabisprodukten sei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zudem nicht unangemessen gewesen. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot habe somit nicht vorgelegen. Es sei insofern zu beachten gewesen, dass dadurch die Möglichkeit eröffnet wird die Drogen an Dritte weiterzugeben. Hinzu sei gekommen, dass sich durch den Erwerb und Besitz gerade die Nachfrage verwirklicht. Diese Umstände widersprechen dem Zweck des Gesetzes, vor allem Jugendliche vor den Gefahren der Droge zu bewahren und den kriminellen Organisationen, die den Drogenmarkt beherrschen, entgegenzutreten.
Das Bundesverfassungsgericht war sich durchaus bewusst, dass der Erwerb und Besitz von Cannabisprodukten in kleinen Mengen zum Eigenverbrauch, die Gefahr einer Weitergabe der Droge verringert und daher eine Strafbarkeit unangemessen sein kann. Dennoch sahen die Verfassungsrichter keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot. Denn im Einzelfall sei es möglich, aufgrund der geringen Menge der Droge von der Strafe (Bsp.: § 29 Abs. 5 BtMG) oder Strafverfolgung (Bsp.: § 31 a BtMG) abzusehen.
Obwohl es zur Zeit der Entscheidung dazu noch keine gesicherten Erkenntnisse gab, sah das Bundesverfassungsgericht eine unterschiedle Behandlung des § 31 a BtMG durch die Staatsanwaltschaften für problematisch. Denn eine unterschiedliche Bemessung der geringen Menge durch die einzelnen Staatsanwaltschaften der Bundesländer würde zu einer ungleichmäßigen Rechtsanwendung führen. Das Verfassungsgericht verpflichtete daher die Länder, für eine im wesentlichen einheitliche Anwendung des § 31 a BtMG zu sorgen.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil für Nikotin und Alkohol andere Regelungen gelten, habe nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht vorgelegen. Abgesehen davon, dass Nikotin schon kein Betäubungsmittel sei, gebiete der Gleichheitssatz nicht, alle gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Denn das Maß der Gesundheitsgefährdung sei nicht alleiniges maßgebliches Kriterium. Neben der unterschiedlichen Wirkung könne etwa die verschiedenartigen Verwendungsmöglichkeiten eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Das Bundesverfassungsgericht führte zum Alkohol aus, dass zwar der Missbrauch von Alkohol Gefahren für den Einzelnen und der Allgemeinheit mit sich bringen kann. Es sei jedoch zu beachten, dass Alkohol eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten hat. So diene es als Lebens- und Genussmittel. In Form von Wein werde es darüber hinaus zu religiösen Zwecken gebraucht. Alkohol diene damit nicht ausschließlich der Herbeiführung eines Rausches. Dies sei bei Cannabisprodukten aber der Fall. Zudem gaben die Verfassungsrichter zu bedenken, dass die Durchsetzung eines Verbots von Alkohol in Deutschland wohl aussichtslos sei.
Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1994 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechtsgeschichte geschrieben haben".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.09.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)