15.11.2024
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Dokument-Nr. 16816

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Beschluss09.04.1994Bundesverfassungsgericht2 BvL 43/92; 2 BvL 51/92; 2 BvL 63/92; 2 BvL 64/92; 2 BvL 70/92; 2 BvL 80/92; 2 BvR 2031/92
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BVerfGE 90, 145Sammlung: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band: 90, Seite: 145
  • DVBl 1994, 773Zeitschrift: Das Deutsche Verwaltungsblatt (DVBl), Jahrgang: 1994, Seite: 773
  • EuGRZ 1994, 245Europäische Grundrechte-Zeitschrift (EuGRZ), Jahrgang: 1994, Seite: 245
  • JuS 1994, 1067Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 1994, Seite: 1067
  • JZ 1994, 852Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 1994, Seite: 852
  • Kriminalistik 1994, 422Kriminalistik - Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis (Kriminalistik), Jahrgang: 1994, Seite: 422
  • MDR 1994, 813Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1994, Seite: 813
  • NJW 1994, 1577Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1994, Seite: 1577
  • NStZ 1994, 397Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 1994, Seite: 397
  • StV 1994, 295Zeitschrift: Der Strafverteidiger (StV), Jahrgang: 1994, Seite: 295
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss09.04.1994

Cannabis-Beschluss: Bundes­verfas­sungs­gericht verneint Recht auf RauschStrafbarkeit des Erwerbs und Besitzes geringer Mengen von Canna­bis­pro­dukten nicht verfas­sungs­widrig

Der mit Freiheitsstrafe bedrohte Erwerb und Besitz selbst geringer Mengen von Canna­bis­pro­dukten ist nicht verfas­sungs­widrig. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verfas­sungs­gericht hervor. Zudem betonte das Bundes­verfas­sungs­gericht, dass es kein Recht auf Rausch gibt. Dieser Beschluss des Bundes­verfas­sungs­ge­richts wurde als so genannter "Cannabis-Beschluss" (teils auch: "Haschisch-Entscheidung") bekannt. Kostenlose-urteile.de veröffentlicht die Cannabis-Entscheidung in der Reihe "Urteile, die Rechts­ge­schichte geschrieben haben".

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht unter anderem darüber zu entscheiden, ob die Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes von Canna­bis­pro­dukten, wie beispielsweise Marihuana oder Haschisch, nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 Betäu­bungs­mit­tel­gesetz (BtMG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Straf­vor­schriften zum unerlaubten Erwerb und Besitz von Canna­bis­pro­dukten verfas­sungsgemäß

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, dass die Straf­vor­schriften zum unerlaubten Erwerb und Besitz von Canna­bis­pro­dukten verfassungsgemäß sind. Zwar sei es richtig, dass nach Art. 2 Abs. 1 GG jeder grundsätzlich tun und lassen darf, was er möchte (sog allgemeine Handlungs­freiheit). Die gelte jedoch nicht für den Umgang mit Drogen, insbesondere nicht für das Sichberauschen. Zudem sei zu beachten, dass die allgemeine Handlungs­freiheit unter dem Vorbehalt der verfas­sungs­gemäßen Ordnung steht und daher durch Rechts­vor­schriften eingeschränkt werden kann. Das Verfas­sungs­gericht betonte daher, dass es ein "Recht auf Rausch" nicht gibt.

Eingriff in das Recht auf Freiheit gerechtfertigt

Darüber hinaus liege durch die Strafvorschrift zwar ein Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) vor, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht weiter. Ein solcher Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, wenn besonders gewichtige Gründe vorliegen. Ein solcher Grund könne etwa bestehen, wenn der Einzelne oder die Allgemeinheit geschützt werden soll. Zu beachten sei aber der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Zudem dürfe die Strafandrohung nicht unangemessen sein (sog. Übermaßverbot).

Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis ist verhältnismäßig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hielt die Strafbarkeit des Umgangs mit Canna­bis­pro­dukten für verhältnismäßig. Denn der Gesetzgeber verfolge damit den Zweck, die menschliche Gesundheit vor den von der Droge Cannabis ausgehenden Gefahren zu schützen und vor allem Jugendliche vor Abhängigkeit zu bewahren. Es müsse beachtet werden, dass durch den Konsum dieses Betäu­bungs­mittels gerade Jugendliche an Rauschmittel herangeführt werden. Dadurch könne die Persön­lich­keits­fes­tigung von Jugendlichen behindert werden.

Erhebliche Gefahren und Risiken durch Canna­bis­produkte

Nach Ansicht des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts gehen von Canna­bis­pro­dukten nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken aus. So bestehe zum einen die Möglichkeit einer psychischen Abhängigkeit. Zum anderen könne der Dauerkonsum von Canna­bis­pro­dukten zu Verhal­tens­stö­rungen, Lethargie, Gleich­gül­tigkeit, Angstgefühlen, Reali­täts­verlust und Depressionen führen. Dies gefährde gerade die Persön­lich­keits­ent­wicklung von Jugendlichen nachhaltig.

Strafandrohung bei Erwerb und Besitz von Canna­bis­pro­dukten nicht unangemessen

Der unerlaubte Erwerb und Besitz von Canna­bis­pro­dukten sei nach Auffassung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zudem nicht unangemessen gewesen. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot habe somit nicht vorgelegen. Es sei insofern zu beachten gewesen, dass dadurch die Möglichkeit eröffnet wird die Drogen an Dritte weiterzugeben. Hinzu sei gekommen, dass sich durch den Erwerb und Besitz gerade die Nachfrage verwirklicht. Diese Umstände widersprechen dem Zweck des Gesetzes, vor allem Jugendliche vor den Gefahren der Droge zu bewahren und den kriminellen Organisationen, die den Drogenmarkt beherrschen, entge­gen­zu­treten.

Erwerb und Besitz geringer Mengen von Canna­bis­pro­dukten unerheblich

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht war sich durchaus bewusst, dass der Erwerb und Besitz von Canna­bis­pro­dukten in kleinen Mengen zum Eigenverbrauch, die Gefahr einer Weitergabe der Droge verringert und daher eine Strafbarkeit unangemessen sein kann. Dennoch sahen die Verfas­sungs­richter keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot. Denn im Einzelfall sei es möglich, aufgrund der geringen Menge der Droge von der Strafe (Bsp.: § 29 Abs. 5 BtMG) oder Strafverfolgung (Bsp.: § 31 a BtMG) abzusehen.

Verfas­sungs­gericht sah unter­schiedliche Bemessung der geringen Menge problematisch

Obwohl es zur Zeit der Entscheidung dazu noch keine gesicherten Erkenntnisse gab, sah das Bundes­ver­fas­sungs­gericht eine unterschiedle Behandlung des § 31 a BtMG durch die Staats­an­walt­schaften für problematisch. Denn eine unter­schiedliche Bemessung der geringen Menge durch die einzelnen Staats­an­walt­schaften der Bundesländer würde zu einer ungleichmäßigen Rechtsanwendung führen. Das Verfas­sungs­gericht verpflichtete daher die Länder, für eine im wesentlichen einheitliche Anwendung des § 31 a BtMG zu sorgen.

Kein Verstoß gegen Gleichheitssatz wegen fehlendem Verbot von Nikotin und Alkohol

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil für Nikotin und Alkohol andere Regelungen gelten, habe nach Ansicht des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht vorgelegen. Abgesehen davon, dass Nikotin schon kein Betäu­bungs­mittel sei, gebiete der Gleichheitssatz nicht, alle gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Denn das Maß der Gesund­heits­ge­fährdung sei nicht alleiniges maßgebliches Kriterium. Neben der unter­schied­lichen Wirkung könne etwa die verschie­den­artigen Verwen­dungs­mög­lich­keiten eine Ungleich­be­handlung rechtfertigen.

Kein Vergleich zwischen Alkohol und Canna­bis­pro­dukten

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht führte zum Alkohol aus, dass zwar der Missbrauch von Alkohol Gefahren für den Einzelnen und der Allgemeinheit mit sich bringen kann. Es sei jedoch zu beachten, dass Alkohol eine Vielzahl von Verwen­dungs­mög­lich­keiten hat. So diene es als Lebens- und Genussmittel. In Form von Wein werde es darüber hinaus zu religiösen Zwecken gebraucht. Alkohol diene damit nicht ausschließlich der Herbeiführung eines Rausches. Dies sei bei Canna­bis­pro­dukten aber der Fall. Zudem gaben die Verfas­sungs­richter zu bedenken, dass die Durchsetzung eines Verbots von Alkohol in Deutschland wohl aussichtslos sei.

Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1994 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechts­ge­schichte geschrieben haben".

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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