15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.04.2008

Auch Spenden an Wähler­ver­ei­ni­gungen sind zukünftig steuerfreiBefreiung von Erbschaft- und Schenkungsteuer gilt vorläufig auch für Zuwendungen an kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen

§ 13 Abs. 1 Nr. 18 Erbschaftsteuer- und Schen­kung­s­teu­er­gesetz verletzt das Recht auf Chancen­gleichheit, soweit Zuwendungen an politische Parteien steuerfrei gestellt sind, Zuwendungen an kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen und ihre Dachverbände dagegen nicht. Die Differenzierung ist nicht durch verfas­sungs­rechtlich tragfähige Gründe gerechtfertigt. Trotz Unvereinbarkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG mit dem Grundgesetz ist es aber ausnahmsweise geboten, bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber die weitere Anwendbarkeit der Norm anzuordnen und die Steuerbefreiung auf kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen und ihre Dachverbände auszudehnen. Dies das Bundes­ver­fas­sungs­gericht auf eine Vorlage des Hessischen Finanzgerichts. Die Entscheidung war zugleich Anlass, die Zuläs­sig­keits­an­for­de­rungen von Richtervorlagen bei Steuer­be­freiungen Steue­r­ent­las­tungen oder sonstige steuerliche Begünstigungen zu klären.

Dem Vorla­ge­be­schluss des Finanzgerichts lag der Fall einer kommunalen Wähler­ge­mein­schaft zugrunde, die sich dagegen gewandt hatte, für den Erhalt einer Spende über 5.000 DM Schenkungsteuer von 400 DM zu entrichten.

Gründe

I. § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG ist für den Rechtsstreit vor dem Hessischen Finanzgericht entschei­dungs­er­heblich; denn für dessen Ausgang kommt es auf die Gültigkeit dieser Norm an.

Holt ein Gericht die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nach Art. 100 Abs. 1 GG ein, weil es von der Verfas­sungs­wid­rigkeit einer Steuer­rechtsnorm überzeugt ist, die nur bestimmte Personen oder Gruppen begünstigt, ist von der Entschei­dungs­er­heb­lichkeit der Norm für das Ausgangs­ver­fahren auszugehen, solange der Gesetzgeber nicht aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen tatsächlichen Gründen gehindert ist, eine für den Kläger des Ausgangs­ver­fahrens günstige Regelung zu schaffen. Danach sind die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hier gegeben. Der Gesetzgeber ist weder aus Rechtsgründen noch aus anderen Gründen gehindert, kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen und ihre Dachverbände ebenso von der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu befreien wie Parteien.

Steuerliche unter­schiedliche Behandlung von Parteien und kommunalen Wähler­ver­ei­ni­gungen beeinträchtigt deren Wettbewerb untereinander

II. Die unter­schiedliche Behandlung von Parteien und kommunalen Wähler­ver­ei­ni­gungen durch § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG verändert die Wettbewerbslage zwischen Parteien und kommunalen Wähler­ver­ei­ni­gungen in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Weise.

Parteien erhalten durch die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG die Möglichkeit, Spendenmittel ungeschmälert für ihre politische Arbeit zu verwenden. Die Mittel, die den Wähler­ver­ei­ni­gungen zur Finanzierung ihrer politischen Arbeit in den Kommunen zur Verfügung stehen, verringern sich dagegen um die zu entrichtende Erbschaft- und Schenkungsteuer. Spenden, die den Steuer­frei­betrag von derzeit 5.200 Euro übersteigen, sind mit mindestens 17 % zu versteuern. Zudem werden Zuwendungen eines Geldgebers innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusam­men­ge­rechnet. Dies führt im Ergebnis dazu, dass regelmäßige jährliche Spenden von wenig über 500 Euro steuerpflichtig werden.

Für die Beein­träch­tigung des Wettbewerbs hat auch § 30 ErbStG Bedeutung, wonach jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb vom Erwerber, aber auch vom Spender dem Finanzamt anzuzeigen ist. Während nach überwiegender Ansicht in der Literatur Spenden an politische Parteien einer Anzeigepflicht nicht unterliegen, sind Spenden an kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen von der Anzeigepflicht betroffen. Eine Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass innerhalb von zehn Jahren die zusam­men­ge­rechneten Spenden den Freibetrag übersteigen könnten. Dies führt zu einem nicht unerheblichen Verwal­tungs­aufwand.

Eine Beein­träch­tigung des Wettbewerbs ergibt sich auch daraus, dass der Zuwendende jedenfalls subsidiär für eine etwaige Schenkungsteuer haftet und dass die Anzei­ge­pflichten auch diejenigen Spender erfassen, die über mehrere Jahre einer kommunalen Wähler­ver­ei­nigung moderate Spenden zuwenden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass das Spenden­auf­kommen kommunaler Wähler­ver­ei­ni­gungen insgesamt erheblich niedriger ist als das der politischen Parteien.

Keine Gründe für unter­schiedliche steuerliche Behandlung

III. Für die Differenzierung zwischen Parteien und kommunalen Wähler­ver­ei­ni­gungen und ihren Dachverbänden gibt es keine tragfähigen verfas­sungs­recht­lichen Gründe. Die unter­schied­lichen Aufgaben, Tätig­keits­felder und Finanz­be­dürfnisse von Parteien und kommunalen Wähler­ver­ei­ni­gungen rechtfertigen keine unter­schiedliche steuerliche Behandlung.

Eine unter­schiedliche Behandlung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn ein besonderer Finanzbedarf der politischen Parteien festgestellt werden könnte, der nicht schon durch andere staatliche Finan­zie­rungs­re­ge­lungen abgedeckt wäre und wenn die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG beabsichtigen würde, diesen besonderen Finanzbedarf auszugleichen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der besondere finanzielle Mehraufwand, den politische Parteien aufgrund ihrer Aufgaben haben, wird nicht durch die Steuerfreiheit von Spenden und sonstigen Zuwendungen im Erbschaft und Schen­kung­s­teu­errecht, sondern im Rahmen der staatlichen Partei­en­fi­nan­zierung abgegolten.

Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG ist auch nicht darauf ausgerichtet, besondere zusätzliche finanzielle Belastungen, die sich aus der überörtlichen Tätigkeit von Parteien ergeben, auszugleichen. Die Norm befreit freigebige Zuwendungen an Parteien von der Erbschaft- und Schenkungsteuer unabhängig davon, ob diese Mittel für überörtliche Aufgaben benötigt oder hierfür eingesetzt werden. Die den Parteien gewährte Steue­r­er­leich­terung knüpft weder an konkrete finanzielle Belastungen durch überregionale Aufgaben an noch ist der Höhe nach ein Zusammenhang zwischen möglichem besonderen Aufwand und der ersparten Steuer erkennbar oder intendiert.

Die besonderen Verpflichtungen, die den politischen Parteien im Hinblick auf die Herkunft und die Verwendung ihrer Mittel und ihr Vermögen auferlegt sind, rechtfertigen ebenfalls nicht die unter­schiedliche Behandlung. Es ist weder erkennbar, dass das Fehlen entsprechender Regelungen bei den kommunalen Wähler­ver­ei­ni­gungen zu erheblichen finanziellen Vorteilen führte, noch ist § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG darauf ausgerichtet, die Unterschiede in der Verpflichtung zur Rechnungslegung auszugleichen.

IV. Trotz Unvereinbarkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG mit dem Grundgesetz ist es ausnahmsweise geboten, für eine Übergangszeit die weitere Anwendbarkeit der Norm anzuordnen und die Steuerbefreiung auf kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen auszudehnen. Dürfte § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG - als Folge der Unver­ein­ba­r­e­r­klärung - nicht mehr angewendet werden, hätte dies auf die bisher begünstigten politischen Parteien erhebliche nachteilige Folgen. Dies wäre unver­hält­nismäßig angesichts des Umstandes, dass mit einer ersatzlosen Streichung der Steuerbefreiung für politische Parteien nicht zu rechnen ist. Für eine übergangsweise Ausdehnung der Norm auf kommunale Wähler­ver­ei­ni­gungen und ihre Dachverbände spricht zudem, dass sich mögliche Steuerausfälle voraussichtlich in Grenzen halten werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 61/08 des BVerfG vom 04.06.2008

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