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Bundesverfassungsgericht Beschluss28.05.2008
Vergabe von Führungsämtern im Beamtenverhältnis auf Zeit ist verfassungswidrigBundesverfassungsgericht kippt Befristung
Im Staatsdienst dürfen Führungspositionen grundsätzlich nicht zeitlich befristet werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Richter erklärten eine anderslautende Regelung im Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig. Eine befristete Vergabe verletze das Lebenszeitprinzip; dieses wiederum sei für die Unabhängigkeit der Beamten nötig. Nach § 25 b Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen wurden Führungsämter zunächst auf Zeit vergeben, erst nach zwei Amtszeiten von zusammen 10 Jahren wurde auch das Amt auf Lebenszeit übertragen.
Nach § 25 b Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) werden bestimmte Führungsämter zunächst im Beamtenverhältnis auf Zeit vergeben. Dabei wird das fortbestehende, jedoch ruhende Beamtenverhältnis auf Lebenszeit durch das zusätzlich begründete Beamtenverhältnis auf Zeit überlagert. Eine Verleihung des Führungsamts auf Lebenszeit ist erst möglich, nachdem zwei Amtszeiten von insgesamt zehn Jahren im Beamtenverhältnis auf Zeit absolviert worden sind. Eine Verleihung auf Lebenszeit bereits nach der ersten Amtszeit ist ausgeschlossen. Nach der ersten Amtszeit "kann" das Amt für eine zweite Amtszeit verliehen werden. Nach Ablauf der zweiten Amtszeit "soll" das Amt auf Lebenszeit verliehen werden.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind im Schuldienst und in der Forstverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätige Beamte, denen ein Führungsamt im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen ist. Sie hatten vergeblich beantragt, ihnen das jeweilige Amt auf Lebenszeit zu übertragen. Auf ihre Revision hin legte das Bundesverwaltungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vergabe von Führungsämtern im Beamtenverhältnis auf Zeit dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts kam zu dem Ergebnis, dass die in § 25 b LBG NRW geregelte Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit den Kernbereich des nach Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden Lebenszeitprinzips verletzt und die Regelung nichtig ist. (Die Entscheidung ist mit 5 zu 2 Stimmen ergangen.)
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Das Lebenszeitprinzip in Form der lebenszeitigen Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter gehört zu den hergebrachten Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die angesichts ihrer wesensprägenden Bedeutung vom Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten sind. Es hat die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamten im Interesse einer rechtsstaatlichen Verwaltung zu gewährleisten. Das Bewusstsein seiner gesicherten Rechtsstellung soll die Bereitschaft des Beamten zu einer an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung fördern und ihn zu unparteiischem Dienst für die Gesamtheit befähigen. Das Berufsbeamtentum wird so zu einem Element des Rechtsstaates. Ausnahmen vom Lebenszeitprinzip sind nur in Bereichen zulässig, in denen die besondere Sachgesetzlichkeit und die Natur der wahrgenommenen Aufgaben eine Begründung von Beamtenverhältnissen auf Zeit erfordern (z. B. kommunale Wahlbeamte auf Zeit, politische Beamte).
Kernbereich des Lebenszeitprinzips verletzt
2. Die Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit verletzt den Kernbereich des Lebenszeitprinzips. Der Beamte auf Zeit hat in seinem Führungsamt keine gesicherte Rechtsstellung. Über einen Zeitraum von zehn Jahren, der beim höheren Dienst in der Regel etwa ein Viertel bis ein Drittel der Lebensdienstzeit ausmacht, fehlt ihm die rechtliche Sicherheit, die ihm die für seine Amtsausübung erforderliche Unabhängigkeit geben soll. In der ersten Amtsperiode ist völlig ungewiss, ob er seine Position in Zukunft wird behalten können, auch wenn er den Anforderungen des Amts in vollem Umfang gerecht geworden ist. Der Beamte muss ständig befürchten, in sein vorheriges Amt, das ihm seine Lebenszeitstellung vermittelt, zurückgesetzt zu werden, mit allen damit verbundenen Nachteilen wie einer Gehaltseinbuße, versorgungsrechtlichen Nachteilen und einem Ansehensverlust bei Kollegen, Untergebenen und in der Öffentlichkeit. Eine solche Maßnahme erlaubt ansonsten nur das Disziplinarrecht, in dessen Rahmen die Zurückstufung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt die zweitschärfste Sanktion nach der Entfernung aus dem Dienst darstellt.
3. Eine ausreichend gewichtige Rechtfertigung für diese Durchbrechung des Lebenszeitprinzips liegt nicht vor. Eine Rechtfertigung findet sich weder im Leistungsprinzip oder in der Förderung der Mobilität und Flexibilität des Personaleinsatzes noch in Besonderheiten der betroffenen Führungsfunktionen.
Entgegen der geäußerten Zielsetzung ist die Regelung des § 25 b LBG NRW nicht auf eine Stärkung der Leistungsfähigkeit zugeschnitten, sondern entbehrt leistungsbezogener Gestaltungselemente. Eine zweite Amtszeit, eine spätere Ernennung auf Lebenszeit oder ein Zurücktreten in das Grundamt sind in der Vorschrift nicht an von dem Beamten erbrachte Leistung gekoppelt. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die Entscheidung auch durch leistungsfremde politische Gesichtspunkte bestimmt werden könnte. Die Vorschrift ist auch nicht darauf ausgerichtet, die Sanktionierung nachlassender Leistungen zu ermöglichen. Die Nichtverlängerung der Amtszeit ist nicht von einem durch Tatsachen belegten Leistungsabfall abhängig. Auf eine Steigerung des Wettbewerbs, die in der Gesetzesbegründung als ein weiterer Zweck der Vorschrift genannt wird, ist die Regelung ebenfalls nicht ausgerichtet. § 25 LBG NRW wird in ständiger Praxis so gehandhabt, dass bei der Vergabe des Führungsamts für eine zweite Amtszeit und bei der endgültigen Übertragung des Amts nach Ablauf beider Amtszeiten kein neues Besetzungsverfahren durchgeführt wird. Der bisherige Amtsinhaber muss sich daher nicht erneut in einem am Ziel der Bestenauslese ausgerichteten Verfahren dem Wettbewerb mit anderen Bewerbern stellen. Schließlich ist die Vergabe von Führungspositionen auf Zeit nicht erforderlich, um die Eignung sowie die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft eines Beamten für eine Führungsposition zu prüfen. Hierfür stehen andere geeignete Instrumente zur Verfügung, die mit dem Lebenszeitprinzip im Einklang stehen, wie etwa die Möglichkeit der Vergabe von Führungsämtern auf Probe.
Soweit der Landesgesetzgeber mit der Übertragung von Führungsämtern auf Zeit die Mobilität oder Flexibilität der Beamten zu steigern beabsichtigt, bleibt unklar, inwieweit die Vergabe der Führungspositionen auf Zeit geeignet ist, eine erhöhte Mobilität zu wechselnden Einsätzen der Beamten zu bewirken.
Die von § 25 b LBG NRW erfassten Ämter weisen auch keine sachlichen Besonderheiten auf, die eine Abweichung vom Lebenszeitprinzip begründen könnten. Die besonderen Gründe, die bei den hergebrachten Typen des Beamtenverhältnisses auf Zeit anerkanntermaßen Abweichungen vom Lebenszeitprinzip zulassen, sind bei den Führungsämtern, die durch eine bestimmte Besoldungsstufe oder die Stellung als Leiter einer Behörde oder Abteilung gekennzeichnet sind, gerade nicht gegeben. Allein die Hierarchieebene ist kein ausreichender Grund von der lebenszeitigen Statussicherung abzusehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch einen Vergleich mit den kommunalen Wahlbeamten auf Zeit und den politischen Beamten veranlasst. Die Führungsämter, die der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber für eine Vergabe auf Zeit in den Blick genommen hat, sind weder mit den Besonderheiten der Aufgaben, die von den kommunalen Wahlbeamten und den politischen Beamten wahrgenommen werden, noch mit deren Stellung im politischen Prozess vergleichbar. Der Status des politischen Beamten könnte daher auch nicht auf alle in § 25 b Abs. 7 LBG NRW genannten Ämter übertragen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.06.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 63/08 des BVerfG vom 28.05.2008
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