15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss28.05.2008

Vergabe von Führungsämtern im Beamten­ver­hältnis auf Zeit ist verfas­sungs­widrigBundes­ver­fas­sungs­gericht kippt Befristung

Im Staatsdienst dürfen Führungs­po­si­tionen grundsätzlich nicht zeitlich befristet werden. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Die Richter erklärten eine anderslautende Regelung im Landes­be­am­ten­gesetz Nordrhein-Westfalen für verfas­sungs­widrig. Eine befristete Vergabe verletze das Lebens­zeit­prinzip; dieses wiederum sei für die Unabhängigkeit der Beamten nötig. Nach § 25 b Landes­be­am­ten­gesetz Nordrhein-Westfalen wurden Führungsämter zunächst auf Zeit vergeben, erst nach zwei Amtszeiten von zusammen 10 Jahren wurde auch das Amt auf Lebenszeit übertragen.

Nach § 25 b Landes­be­am­ten­gesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) werden bestimmte Führungsämter zunächst im Beamten­ver­hältnis auf Zeit vergeben. Dabei wird das fortbestehende, jedoch ruhende Beamten­ver­hältnis auf Lebenszeit durch das zusätzlich begründete Beamten­ver­hältnis auf Zeit überlagert. Eine Verleihung des Führungsamts auf Lebenszeit ist erst möglich, nachdem zwei Amtszeiten von insgesamt zehn Jahren im Beamten­ver­hältnis auf Zeit absolviert worden sind. Eine Verleihung auf Lebenszeit bereits nach der ersten Amtszeit ist ausgeschlossen. Nach der ersten Amtszeit "kann" das Amt für eine zweite Amtszeit verliehen werden. Nach Ablauf der zweiten Amtszeit "soll" das Amt auf Lebenszeit verliehen werden.

Die Kläger des Ausgangs­ver­fahrens sind im Schuldienst und in der Forstverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätige Beamte, denen ein Führungsamt im Beamten­ver­hältnis auf Zeit übertragen ist. Sie hatten vergeblich beantragt, ihnen das jeweilige Amt auf Lebenszeit zu übertragen. Auf ihre Revision hin legte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Frage der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Vergabe von Führungsämtern im Beamten­ver­hältnis auf Zeit dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Prüfung vor.

Der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts kam zu dem Ergebnis, dass die in § 25 b LBG NRW geregelte Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamten­ver­hältnis auf Zeit den Kernbereich des nach Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden Lebens­zeit­prinzips verletzt und die Regelung nichtig ist. (Die Entscheidung ist mit 5 zu 2 Stimmen ergangen.)

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Das Lebenszeitprinzip in Form der lebenszeitigen Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter gehört zu den hergebrachten Struk­tur­prin­zipien des Berufs­be­am­tentums, die angesichts ihrer wesensprägenden Bedeutung vom Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten sind. Es hat die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamten im Interesse einer rechts­s­taat­lichen Verwaltung zu gewährleisten. Das Bewusstsein seiner gesicherten Rechtsstellung soll die Bereitschaft des Beamten zu einer an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung fördern und ihn zu unparteiischem Dienst für die Gesamtheit befähigen. Das Berufs­be­am­tentum wird so zu einem Element des Rechtsstaates. Ausnahmen vom Lebens­zeit­prinzip sind nur in Bereichen zulässig, in denen die besondere Sachge­setz­lichkeit und die Natur der wahrgenommenen Aufgaben eine Begründung von Beamten­ver­hält­nissen auf Zeit erfordern (z. B. kommunale Wahlbeamte auf Zeit, politische Beamte).

Kernbereich des Lebens­zeit­prinzips verletzt

2. Die Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamten­ver­hältnis auf Zeit verletzt den Kernbereich des Lebens­zeit­prinzips. Der Beamte auf Zeit hat in seinem Führungsamt keine gesicherte Rechtsstellung. Über einen Zeitraum von zehn Jahren, der beim höheren Dienst in der Regel etwa ein Viertel bis ein Drittel der Lebens­dienstzeit ausmacht, fehlt ihm die rechtliche Sicherheit, die ihm die für seine Amtsausübung erforderliche Unabhängigkeit geben soll. In der ersten Amtsperiode ist völlig ungewiss, ob er seine Position in Zukunft wird behalten können, auch wenn er den Anforderungen des Amts in vollem Umfang gerecht geworden ist. Der Beamte muss ständig befürchten, in sein vorheriges Amt, das ihm seine Lebens­zeit­stellung vermittelt, zurückgesetzt zu werden, mit allen damit verbundenen Nachteilen wie einer Gehaltseinbuße, versor­gungs­recht­lichen Nachteilen und einem Ansehensverlust bei Kollegen, Untergebenen und in der Öffentlichkeit. Eine solche Maßnahme erlaubt ansonsten nur das Diszi­pli­narrecht, in dessen Rahmen die Zurückstufung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt die zweitschärfste Sanktion nach der Entfernung aus dem Dienst darstellt.

3. Eine ausreichend gewichtige Rechtfertigung für diese Durchbrechung des Lebens­zeit­prinzips liegt nicht vor. Eine Rechtfertigung findet sich weder im Leistungs­prinzip oder in der Förderung der Mobilität und Flexibilität des Perso­nal­ein­satzes noch in Besonderheiten der betroffenen Führungs­funk­tionen.

Entgegen der geäußerten Zielsetzung ist die Regelung des § 25 b LBG NRW nicht auf eine Stärkung der Leistungs­fä­higkeit zugeschnitten, sondern entbehrt leistungs­be­zogener Gestal­tungs­elemente. Eine zweite Amtszeit, eine spätere Ernennung auf Lebenszeit oder ein Zurücktreten in das Grundamt sind in der Vorschrift nicht an von dem Beamten erbrachte Leistung gekoppelt. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die Entscheidung auch durch leistungsfremde politische Gesichtspunkte bestimmt werden könnte. Die Vorschrift ist auch nicht darauf ausgerichtet, die Sanktionierung nachlassender Leistungen zu ermöglichen. Die Nicht­ver­län­gerung der Amtszeit ist nicht von einem durch Tatsachen belegten Leistungsabfall abhängig. Auf eine Steigerung des Wettbewerbs, die in der Geset­zes­be­gründung als ein weiterer Zweck der Vorschrift genannt wird, ist die Regelung ebenfalls nicht ausgerichtet. § 25 LBG NRW wird in ständiger Praxis so gehandhabt, dass bei der Vergabe des Führungsamts für eine zweite Amtszeit und bei der endgültigen Übertragung des Amts nach Ablauf beider Amtszeiten kein neues Beset­zungs­ver­fahren durchgeführt wird. Der bisherige Amtsinhaber muss sich daher nicht erneut in einem am Ziel der Bestenauslese ausgerichteten Verfahren dem Wettbewerb mit anderen Bewerbern stellen. Schließlich ist die Vergabe von Führungs­po­si­tionen auf Zeit nicht erforderlich, um die Eignung sowie die Leistungs­fä­higkeit und Leistungs­be­reit­schaft eines Beamten für eine Führungs­po­sition zu prüfen. Hierfür stehen andere geeignete Instrumente zur Verfügung, die mit dem Lebens­zeit­prinzip im Einklang stehen, wie etwa die Möglichkeit der Vergabe von Führungsämtern auf Probe.

Soweit der Landes­ge­setzgeber mit der Übertragung von Führungsämtern auf Zeit die Mobilität oder Flexibilität der Beamten zu steigern beabsichtigt, bleibt unklar, inwieweit die Vergabe der Führungs­po­si­tionen auf Zeit geeignet ist, eine erhöhte Mobilität zu wechselnden Einsätzen der Beamten zu bewirken.

Die von § 25 b LBG NRW erfassten Ämter weisen auch keine sachlichen Besonderheiten auf, die eine Abweichung vom Lebens­zeit­prinzip begründen könnten. Die besonderen Gründe, die bei den hergebrachten Typen des Beamten­ver­hält­nisses auf Zeit anerkann­termaßen Abweichungen vom Lebens­zeit­prinzip zulassen, sind bei den Führungsämtern, die durch eine bestimmte Besoldungsstufe oder die Stellung als Leiter einer Behörde oder Abteilung gekennzeichnet sind, gerade nicht gegeben. Allein die Hierarchieebene ist kein ausreichender Grund von der lebenszeitigen Statussicherung abzusehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch einen Vergleich mit den kommunalen Wahlbeamten auf Zeit und den politischen Beamten veranlasst. Die Führungsämter, die der nordrhein-westfälische Landes­ge­setzgeber für eine Vergabe auf Zeit in den Blick genommen hat, sind weder mit den Besonderheiten der Aufgaben, die von den kommunalen Wahlbeamten und den politischen Beamten wahrgenommen werden, noch mit deren Stellung im politischen Prozess vergleichbar. Der Status des politischen Beamten könnte daher auch nicht auf alle in § 25 b Abs. 7 LBG NRW genannten Ämter übertragen werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 63/08 des BVerfG vom 28.05.2008

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