18.10.2024
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Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 16736

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Beschluss30.10.1990Bundesverfassungsgericht2 BvF 2/89; 2 BvF 6/89
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BVerfGE 83, 37Sammlung: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band: 83, Seite: 37
  • DVBl 1990, 1397Zeitschrift: Das Deutsche Verwaltungsblatt (DVBl), Jahrgang: 1990, Seite: 1397
  • EuGRZ 1990, 438Europäische Grundrechte-Zeitschrift (EuGRZ), Jahrgang: 1990, Seite: 438
  • NJ 1991, 35Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 1991, Seite: 35
  • NJW 1991, 162Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1991, Seite: 162
  • NVwZ 1991, 156Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 1991, Seite: 156
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss30.10.1990

Bundes­verfas­sungs­gericht erklärt Auslän­der­wahlrecht für Gemeinde- und Kreiswahlen für verfas­sungs­widrigBegriff "Volk" im Sinne des Art. 28 Abs. 1 GG meint deutsches Volk

Der Begriff "Volk" in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG meint das deutsche Volk. Dieses Begriffs­ver­ständnis schließt ein Auslän­der­wahlrecht für Gemeinde- und Kreiswahlen aus. Ein Gesetz welches ein solches Recht einräumt, ist daher verfas­sungs­widrig. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verfas­sungs­ge­richts hervor.

Im zugrunde liegenden Fall führte das Land Schleswig-Holstein im Februar 1989 ein neues Wahlrecht für Gemeinde- und Kreiswahlen ein. Nach dem neuen Gesetz sollten auch Staats­an­ge­hörige aus den Ländern Dänemark, Irland, Niederlande, Norwegen, Schweden und der Schweiz an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Ein erheblicher Teil der Abgeordneten der CDU/CSU-Bundes­tags­fraktion sowie die Bayerische Staatsregierung hielten das Gesetz für verfassungswidrig und erhoben vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht Klage.

CDU/CSU-Bundes­tags­ab­ge­ordnete sowie Bayerische Staatsregierung sahen nur Deutsche als wahlberechtigt an

Nach Ansicht der CDU/CSU-Bundes­tags­ab­ge­ordneten sowie der Bayerischen Staatsregierung gehe die Staatsgewalt vom deutschen Volke aus. Ihm gehören Ausländer aber nicht an. Durch die Staats­an­ge­hö­rigkeit werde ein grundsätzlich unauflösliches perso­nen­recht­liches Band zwischen Bürger und Staat gebildet. Es entstehe eine Schick­sals­ge­mein­schaft. Diese Gemeinschaft rechtfertige es, das Wahlrecht den Staats­an­ge­hörigen vorzubehalten. Denn sie müssten ihre Entscheidungen tragen. Ein ausländischer Wähler wiederum könne Kraft seiner fremden Staats­an­ge­hö­rigkeit den Aufenthalt in Deutschland beenden und in seine Heimat zurückkehren. Damit könne er sich den Konsequenzen seiner Wahlent­scheidung entziehen.

BVerfG: Wahlgesetz war verfas­sungs­widrig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, dass das Wahlgesetz gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen habe. Nach dieser Vorschrift müsse das Volk auch in den Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung haben. Dabei werde der Begriff des Volkes mit demselben Inhalt, wie in Art. 20 Abs. 2 GG verwendet. Diese Regelung meine mit "Volk" das deutsche Volk. Dies schließe eine Gewährung des Kommu­nal­wahl­rechts an Ausländer aus.

Art. 20 Abs. 2 GG bestimmt Begriff des "Volkes"

Die Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 GG bestimme selbst, so das Verfas­sungs­gericht weiter, wer das Volk ist, das Staatsgewalt ausübt: Nämlich das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Als demokratischer Staat könne die Bundesrepublik Deutschland nicht ohne die Perso­nen­mehrheit gedacht werden, die Träger und Subjekt der in ihr und durch ihre Organe ausgeübten Staatsgewalt ist. Diese Perso­nen­ge­samtheit bilde das Staatsvolk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht. Die Zugehörigkeit zum Staatsvolk werde wiederum durch die Staats­an­ge­hö­rigkeit vermittelt.

Entscheidung durch weitere Grund­ge­setz­re­ge­lungen bestätigt

Die Verfas­sungs­richter führten weiter aus, dass auch andere Regelungen des Grundgesetzes keine Zweifel daran lassen, dass Staatsvolk das deutsche Volk ist. So sei es nach der Präambel das "Deutsche Volk" gewesen, welches sich Kraft seiner verfas­sungs­ge­benden Gewalt das Grundgesetz gegeben hat. Art. 33 Abs. 1 und 2 GG wiederum gewährleiste jedem "Deutschen" die gleichen staats­bür­ger­lichen Rechte und Pflichten. Des Weiteren schwören nach Art. 56 und 64 Abs. 2 GG der Bundespräsident und die Mitglieder der Bundesregierung, ihre Kraft dem Wohle des "deutschen Volkes" zu widmen. Schließlich weise Art. 146 GG dem "deutschen Volke" die Entscheidung über eine das Grundgesetz ablösende Verfassung zu.

Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verwendet selben Volksbegriff

Nach Auffassung des Verfas­sungs­ge­richts gelte nichts anderes, soweit durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vertretung des Volkes auch für die Kreise und Gemeinden vorgeschrieben wird. Denn schon der Wortlaut der Norm, der den Begriff "Volk" einheitlich für Länder, Kreise und Gemeinden verwendet, weise daraufhin, dass es sich auch hier ausschließlich um die Deutschen handelt, die jeweils das Volk bilden und dessen Vertretung wählen.

Volk als deutsches Volk entspricht Sinn und Zweck

Zudem entspreche es aus Sicht der Verfas­sungs­richter dem Sinn und Zweck, das Volk, als das deutsche Volk anzusehen. Denn die Vorschrift solle für alle Gebiets­kör­per­schaften auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legiti­ma­ti­o­ns­grundlage gewährleisten. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ordne nicht nur den Ländern, sondern auch den Gemeinden und kreisen ein "Volk" als Legiti­ma­ti­o­ns­subjekt zu. Denn er sei der eigentliche Träger der Selbst­ver­waltung und solle demgemäß eine Vertretung haben. Diese sei nach denselben Grundsätzen zu wählen, wie sie für die Wahlen zum Bundestag und zu den Landes­pa­r­la­menten gelten.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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