Im zugrunde liegenden Fall führte das Land Schleswig-Holstein im Februar 1989 ein neues Wahlrecht für Gemeinde- und Kreiswahlen ein. Nach dem neuen Gesetz sollten auch Staatsangehörige aus den Ländern Dänemark, Irland, Niederlande, Norwegen, Schweden und der Schweiz an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Ein erheblicher Teil der Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie die Bayerische Staatsregierung hielten das Gesetz für verfassungswidrig und erhoben vor dem Bundesverfassungsgericht Klage.
Nach Ansicht der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten sowie der Bayerischen Staatsregierung gehe die Staatsgewalt vom deutschen Volke aus. Ihm gehören Ausländer aber nicht an. Durch die Staatsangehörigkeit werde ein grundsätzlich unauflösliches personenrechtliches Band zwischen Bürger und Staat gebildet. Es entstehe eine Schicksalsgemeinschaft. Diese Gemeinschaft rechtfertige es, das Wahlrecht den Staatsangehörigen vorzubehalten. Denn sie müssten ihre Entscheidungen tragen. Ein ausländischer Wähler wiederum könne Kraft seiner fremden Staatsangehörigkeit den Aufenthalt in Deutschland beenden und in seine Heimat zurückkehren. Damit könne er sich den Konsequenzen seiner Wahlentscheidung entziehen.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass das Wahlgesetz gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen habe. Nach dieser Vorschrift müsse das Volk auch in den Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung haben. Dabei werde der Begriff des Volkes mit demselben Inhalt, wie in Art. 20 Abs. 2 GG verwendet. Diese Regelung meine mit "Volk" das deutsche Volk. Dies schließe eine Gewährung des Kommunalwahlrechts an Ausländer aus.
Die Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 GG bestimme selbst, so das Verfassungsgericht weiter, wer das Volk ist, das Staatsgewalt ausübt: Nämlich das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Als demokratischer Staat könne die Bundesrepublik Deutschland nicht ohne die Personenmehrheit gedacht werden, die Träger und Subjekt der in ihr und durch ihre Organe ausgeübten Staatsgewalt ist. Diese Personengesamtheit bilde das Staatsvolk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht. Die Zugehörigkeit zum Staatsvolk werde wiederum durch die Staatsangehörigkeit vermittelt.
Die Verfassungsrichter führten weiter aus, dass auch andere Regelungen des Grundgesetzes keine Zweifel daran lassen, dass Staatsvolk das deutsche Volk ist. So sei es nach der Präambel das "Deutsche Volk" gewesen, welches sich Kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt das Grundgesetz gegeben hat. Art. 33 Abs. 1 und 2 GG wiederum gewährleiste jedem "Deutschen" die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Des Weiteren schwören nach Art. 56 und 64 Abs. 2 GG der Bundespräsident und die Mitglieder der Bundesregierung, ihre Kraft dem Wohle des "deutschen Volkes" zu widmen. Schließlich weise Art. 146 GG dem "deutschen Volke" die Entscheidung über eine das Grundgesetz ablösende Verfassung zu.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichts gelte nichts anderes, soweit durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vertretung des Volkes auch für die Kreise und Gemeinden vorgeschrieben wird. Denn schon der Wortlaut der Norm, der den Begriff "Volk" einheitlich für Länder, Kreise und Gemeinden verwendet, weise daraufhin, dass es sich auch hier ausschließlich um die Deutschen handelt, die jeweils das Volk bilden und dessen Vertretung wählen.
Zudem entspreche es aus Sicht der Verfassungsrichter dem Sinn und Zweck, das Volk, als das deutsche Volk anzusehen. Denn die Vorschrift solle für alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage gewährleisten. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ordne nicht nur den Ländern, sondern auch den Gemeinden und kreisen ein "Volk" als Legitimationssubjekt zu. Denn er sei der eigentliche Träger der Selbstverwaltung und solle demgemäß eine Vertretung haben. Diese sei nach denselben Grundsätzen zu wählen, wie sie für die Wahlen zum Bundestag und zu den Landesparlamenten gelten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.09.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)