24.11.2024
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Dokument-Nr. 32574

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Bundesverfassungsgericht Urteil24.01.2023

Anhebung der „absoluten Obergrenze“ für die staatliche Parteien­finanzierung ist verfas­sungs­widrigAnhebung der staatlichen Parteien­finanzierung war rechtswidrig

Das Bunde­sverfassungs­gericht hat entschieden, dass die Erhöhung des jährlichen Gesamtvolumens staatlicher Mittel für die Finanzierung politischer Parteien auf 190 Millionen Euro mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und damit nichtig ist.

Mit ihrem Normenkontrollantrag wenden sich 216 Mitglieder des 19. Deutschen Bundestages aus den Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gegen Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Partei­en­ge­setzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2018 (PartGuaÄndG 2018), durch den das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen politischen Parteien im Wege der staatlichen Teilfi­nan­zierung höchstens ausgezahlt werden darf (sogenannte „absolute Obergrenze“), für die im Jahr 2019 vorzunehmende Festsetzung auf 190 Millionen Euro angehoben wurde. Seit dem Jahr 1994 werden politischen Parteien staatliche Mittel als Teilfi­nan­zierung des ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Auftrags, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, zur Verfügung gestellt. Maßstäbe für die Verteilung der Mittel bilden der Wahlerfolg, die Mitglieds­beiträge und die eingeworbenen Spenden der jeweiligen Partei. Die Höhe der staatlichen Teilfi­nan­zierung darf bei einer Partei deren jährlich selbst erwirtschaftete Einnahmen nicht überschreiten (sogenannte „relative Obergrenze“). Das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien höchstens ausgezahlt werden darf (sogenannte „absolute Obergrenze“), wurde im Jahr 1994 zunächst auf 230 Millionen Deutsche Mark festgesetzt und in den Folgejahren mehrfach erhöht. Seit dem Jahr 2013 richtete sich die Erhöhung der absoluten Obergrenze nach einem Preisindex. Für das Jahr 2018 hätte die nach dem Index erhöhte absolute Obergrenze rechnerisch rund 165 Millionen Euro betragen. Mit Inkrafttreten des Art. 1 PartGuaÄndG 2018 im Juli 2018 wurde die absolute Obergrenze für die im Jahr 2019 vorzunehmende Festsetzung der an alle Parteien auszuzahlenden staatlichen Mittel für das Jahr 2018 auf 190 Millionen Euro angehoben. Die Antrag­stel­le­rinnen und Antragsteller waren zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens im September 2018 Mitglieder des 19. Deutschen Bundestages. Sie wenden sich gegen diese Erhöhung der absoluten Obergrenze und rügen eine Verletzung des in Art. 21 Abs. 1 GG verankerten Grundsatzes der Staatsfreiheit der Parteien.

Absolute und relative Obergrenzen

Der zulässige Normen­kon­trol­lantrag ist begründet. Der Ablauf der Beratung und Verabschiedung von Art. 1 PartGuaÄndG 2018 wirft Fragen hinsichtlich der Verfas­sungs­mä­ßigkeit des Zustandekommens des Gesetzes auf. Der Deutsche Bundestag hat den am 5. Juni 2018 verteilten Entwurf bereits am 15. Juni 2018 in dritter Lesung beschlossen. Sachgründe für die besonders beschleunigte Beratung des Entwurfs sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Ablauf und die Begrenzung dieser Beratung auf einen Zeitraum von nur zehn Tagen die Verfas­sungs­gebote der gleich­be­rech­tigten Teilhabe der Abgeordneten und Fraktionen an der parla­men­ta­rischen Willensbildung und der Öffentlichkeit der parla­men­ta­rischen Beratung verletzt hat. Die Frage, ob die Ausgestaltung des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen genügt, kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls verfehlt Art. 1 PartGuaÄndG 2018 die verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben für die staatliche Partei­en­fi­nan­zierung und verstößt insoweit gegen Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihnen kommt in der parla­men­ta­rischen Demokratie des Grundgesetzes eine Vermittlerrolle zwischen Staat und Gesellschaft zu. Art. 21 GG verleiht dem dadurch Ausdruck, dass Parteien als notwendige Einrichtungen für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und in den Rang einer verfas­sungs­recht­lichen Institution erhoben werden. Der Staat ist nicht gehindert, den Parteien Mittel für die Finanzierung des ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Auftrags zu gewähren. Er ist dabei auch nicht auf die Erstattung der im Wahlkampf getätigten Ausgaben beschränkt. Bei der Gewährung finanzieller Mittel ist der Staat an den verfas­sungs­recht­lichen Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien gebunden. Dieser untersagt ihm die Einflussnahme auf die Willensbildung in den Parteien und damit auf den Prozess der politischen Willensbildung insgesamt. Denn in der parla­men­ta­rischen Demokratie des Grundgesetzes muss sich die politische Willensbildung von den Bürgerinnen und Bürgern zu den Staatsorganen vollziehen und nicht umgekehrt. Die Parteien müssen nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen bleiben. Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien wird durch die Gewährung finanzieller Zuwendungen dann verletzt, wenn die Parteien dadurch der Notwendigkeit enthoben werden, sich um die finanzielle Unterstützung ihrer Aktivitäten durch ihre Mitglieder sowie ihnen nahestehende Bürgerinnen und Bürger zu bemühen, und sie damit Gefahr laufen, ihre gesell­schaftliche Verwurzelung zu verlieren. Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien gestattet die Zuführung staatlicher Mittel nur bis zur Höhe einer relativen Obergrenze. Danach darf das Gesamtvolumen staatlicher Zuwendungen an eine Partei die Summe ihrer selbst erwirt­schafteten Einnahmen nicht überschreiten. Aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit der politischen Parteien folgt auch, dass eine Steigerung dieser Einnahmen nicht ohne Weiteres dazu führen darf, dass der Umfang der Staats­fi­nan­zierung der Parteien weiter anschwillt. Der Staat darf den Parteien nicht mehr zuwenden, als sie unter Beachtung des Gebots sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Neben die relative Obergrenze tritt daher von Verfassungs wegen eine absolute Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung. Diese bestimmt sich danach, was zur Aufrecht­er­haltung der Funkti­o­ns­fä­higkeit sowie zur Erfüllung des Verfas­sungs­auftrags der Parteien unerlässlich ist und von ihnen nicht selbst aufgebracht werden kann.

Nachhaltigen Akzep­tanz­verlust vermeiden

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung zu Inhalt und Höhe der absoluten Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung fest. Die an dieser Rechtsprechung geübte Kritik vermag nicht zu überzeugen. Soweit geltend gemacht wird, bereits die Behauptung der Existenz einer absoluten Obergrenze stelle eine Überschreitung des Rahmens zulässiger Verfas­sungs­in­ter­pre­tation dar, weil die erforderliche normative Grundlage im Verfassungstext fehle, wird verkannt, dass der Auftrag der Parteien zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG eine verfas­sungs­un­mit­telbare Vorgabe enthält, mit der ein hinreichendes Maß an Unabhängigkeit der politischen Parteien von staatlicher Alimentation zwingend verbunden ist. Die Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Mittlerposition zwischen Staat und Gesellschaft setzt voraus, dass im Volk ein ausreichendes Vertrauen in ihre Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme besteht. Dieses Vertrauen wäre beeinträchtigt, wenn die Parteien zur Deckung ihres Finanzbedarfs uneingeschränkt auf staatliche Mittel zurückgreifen könnten. Vor diesem Hintergrund gehen die im vorliegenden Verfahren von Bundesregierung und Deutschem Bundestag vorgetragenen Überlegungen zur Nachrangigkeit der absoluten gegenüber der relativen Obergrenze fehl. Die relative und absolute Obergrenze verfolgen unter­schiedliche Zielrichtungen. Während die relative Obergrenze auf eine ausreichende Verwurzelung der jeweiligen Partei in der Gesellschaft und auf die Verhinderung einer überwiegenden oder ausschließ­lichen Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen gerichtet ist, betrifft die absolute Obergrenze das Parteiensystem in seiner Gesamtheit und soll verhindern, dass in der Bevölkerung aufgrund des Eindrucks unangemessener Selbstbedienung aus öffentlichen Kassen ein nachhaltiger Akzep­tanz­verlust für dieses System eintritt. Absolute und relative Obergrenze ergänzen sich damit wechselseitig mit dem Ziel, die Wahrnehmung des Auftrags der Parteien zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes sicherzustellen. Der Grundsatz der Staatsfreiheit ist auch bei einer Anhebung der absoluten Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung zu beachten. Bei der Bestimmung der Höhe der absoluten Obergrenze ist die Geldwert­ent­wicklung zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber darf für die angesichts der Veränderungen des Geldwerts notwendigen Anpassungen der absoluten Obergrenze einen Index festlegen, der sich auf die Entwicklung der für die Erfüllung des Verfas­sungs­auftrags der Parteien relevanten Preise bezieht. Ändern sich die äußeren Rahmen­be­din­gungen für die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes in einschneidender Weise und wird dadurch ein nachhaltiger finanzieller Mehrbedarf begründet, der von den Parteien aus eigenen Mitteln nicht leistbar ist, kann der Gesetzgeber dem durch die Anhebung des Gesamtvolumens staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung Rechnung tragen. Denn eine Erhöhung der absoluten Obergrenze um den Betrag, der aufgrund der Veränderung der Verhältnisse für die Erfüllung des Verfas­sungs­auftrags der Parteien unverzichtbar ist, lässt für die Annahme unangemessener Selbstbedienung der Parteien aus öffentlichen Kassen keinen Raum.

Erhöhte Finanzbedarf und Einspa­r­po­tentiale sind einander gegen­über­zu­stellen und zu verrechnen

Eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse, die eine Anhebung der absoluten Obergrenze zu rechtfertigen vermag, liegt aber nur vor, wenn im Vergleich zum maßgeblichen Zeitpunkt der letztmaligen Bestimmung der Höhe der absoluten Obergrenze – unter Außer­acht­lassung von Anpassungen an die allgemeine Preis­ent­wicklung – Umstände eingetreten sind, die die Parteien in ihrer Gesamtheit betreffen, von außen auf die Parteien einwirken sowie den Bedarf an personellen und sachlichen Ressourcen zur Erfüllung der den Parteien durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG übertragenen Aufgaben nachhaltig in einem deutlich spürbaren und von den Parteien aus eigener Kraft nicht leistbaren Umfang erhöhen. Liegt eine solche einschneidende Veränderung der Verhältnisse vor, darf eine Anhebung der absoluten Obergrenze indes nur in dem Maße erfolgen, wie es zur Aufrecht­er­haltung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Parteiensystems unerlässlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die bisherige absolute Obergrenze unverändert auskömmlich sein kann, weil mit den einschneidend veränderten Verhältnissen auch Einspa­r­po­tentiale verbunden sind. Deshalb sind bei der Feststellung der absoluten Obergrenze der erhöhte Finanzbedarf und Einspa­r­po­tentiale einander gegen­über­zu­stellen und zu saldieren. Sind die Voraussetzungen für eine Erhöhung der absoluten Obergrenze erfüllt, ist es Sache des Gesetzgebers, den zusätzlichen Finanzbedarf der politischen Parteien festzustellen und das Gesamtvolumen staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung entsprechend anzupassen. Dabei verfügt er über einen erheblichen Gestal­tungs­spielraum, da sich aus dem Gebot der Staatsfreiheit quanti­fi­zierbare Vorgaben im Sinne einer exakten, ziffernmäßigen Bestimmbarkeit der absoluten Obergrenze nicht ableiten lassen. Angesichts dessen bedarf es bei einer Anhebung der absoluten Obergrenze prozeduraler Sicherungen, um der verfas­sungs­recht­lichen Gestal­tungs­di­rektive des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung zu tragen. Für das gesetz­ge­be­rische Handeln folgen daraus in erster Linie Begrün­dungs­pflichten, damit nachvollzogen werden kann, ob der Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines Gestal­tungs­spielraums die verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben beachtet hat. Danach müssen die Ermittlung und Abwägung der berück­sich­tigten Bestim­mungs­faktoren für das Vorliegen einer einschneidenden Veränderung der Verhältnisse nachvollziehbar dargelegt werden. Der mit der Ausgleichs­funktion der Proze­du­ra­li­sierung angestrebte Ratio­na­li­sie­rungs­gewinn kann effektiv nur erreicht werden, wenn die erforderlichen Sachver­halt­s­er­mitt­lungen und Abwägungen im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren erfolgen und dokumentiert werden. Die gesetzliche Festsetzung und Anpassung der absoluten Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung unterliegt verfas­sungs­ge­richt­licher Überprüfung, die auf eine Kontrolle der Vertretbarkeit der einfach­ge­setz­lichen Regelungen beschränkt ist. Nach diesen Maßstäben verstößt Art. 1 PartGuaÄndG 2018 gegen Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG. Zwar ist ausgehend von den Darlegungen des Gesetzgebers im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren anzunehmen, dass eine einschneidende Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, die dem Grunde nach eine Anhebung der absoluten Obergrenze zu rechtfertigen vermag. Die im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren als Grund für die Anhebung der absoluten Obergrenze angeführte Digitalisierung der Kommu­ni­ka­ti­o­nswege stellt einen Umstand dar, der die Rahmen­be­din­gungen für die Mitwirkung der Parteien am Prozess der politischen Willensbildung seit Anfang der 1990er Jahre einschneidend verändert hat. Auch ist davon auszugehen, dass damit ein nachhaltiger, mit den bisherigen Mitteln nicht leistbarer finanzieller Mehrbedarf der Parteien einhergeht, der grundsätzlich eine Anhebung der absoluten Obergrenze zu rechtfertigen geeignet ist. Die Begründung im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren ist insoweit dem Grunde nach ausreichend. Soweit im Gesetzentwurf außerdem der verstärkte Einsatz inner­par­tei­licher Parti­zi­pa­ti­o­ns­in­strumente als weitere einschneidende Veränderung der Verhältnisse angesehen wird, die eine Anhebung der absoluten Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung erfordere, ist dies verfas­sungs­rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat nachvollziehbar ausgeführt, dass sich im maßgeblichen Zeitraum eine von außen kommende, das Parteiensystem als Ganzes betreffende und einen erheblichen finanziellen Mehrbedarf begründende Entwicklung hin zur vermehrten Verwendung inner­par­tei­licher Betei­li­gungs­mög­lich­keiten (Mitglieder- statt Delegier­ten­par­teitage, Mitglie­der­be­fra­gungen und -entscheide) gezeigt habe und insoweit eine Veränderung der politisch-kulturellen Rahmen­be­din­gungen der Parteiarbeit eingetreten ist. Soweit der Gesetzgeber ferner erhöhte Transparenz- und Rechen­schafts­pflichten und die mit der Geset­ze­s­än­derung im Jahr 2015 einhergehende Anhebung der relativen Obergrenze als Gründe für die Anhebung der absoluten Obergrenze anführt, ist dies hingegen nicht nachvollziehbar. Die im Zuge des vorliegenden Normen­kon­troll­ver­fahrens ergänzend benannten Gründe für eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse (insbesondere gesteigerte Plakatkosten, der Rückgang ehrenamtlichen Engagements und Erschwernisse bei der Koali­ti­o­ns­bildung) müssen ebenfalls außer Betracht bleiben. Insoweit handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen. Die Festlegung der absoluten Obergrenze der staatlichen Partei­en­fi­nan­zierung der Höhe nach auf einen Betrag von 190 Millionen Euro für das Anspruchsjahr 2018 genügt den verfas­sungs­recht­lichen Begrün­dungs­an­for­de­rungen jedoch nicht. Denn der Gesetzgeber hat nicht dargelegt, dass mit dieser Anhebung der absoluten Obergrenze gerade der durch die geänderten Verhältnisse verursachte finanzielle Mehrbedarf angemessen ausgeglichen und zugleich die staatliche Partei­en­fi­nan­zierung auf das zur Erhaltung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Parteiensystems unerlässliche Maß beschränkt wird. Weder dem Gesetzentwurf noch den nachfolgenden Geset­zes­be­ra­tungen sind nachvoll­ziehbare Anhaltspunkte für die Bestimmung der Höhe des durch die einschneidende Veränderung der Verhältnisse verursachten zusätzlichen Finanzbedarfs der politischen Parteien zu entnehmen.

Zusätzlicher Finanzbedarf unzureichenden dargelegt

Mit Blick auf die finanziellen Auswirkungen der Digitalisierung verweist die Begründung des Gesetzentwurfs lediglich auf die Notwendigkeit „hoher Einstiegs- und Betrie­bs­in­ves­ti­tionen“. In welcher Größenordnung derartige Investitionen und laufende Kosten anfallen oder zu erwarten sind, bleibt offen. Nichts Anderes gilt für die Ausführungen im Gesetzentwurf zu den inner­par­tei­lichen Parti­zi­pa­ti­o­ns­in­stru­menten. Der Gesetzgeber nimmt in der Begründung nur auf „durch Veränderungen der politisch-kulturellen und der rechtlichen Rahmen­be­din­gungen bedingte Kosten“ Bezug. Es fehlt aber an jeglicher Darlegung, welcher Finanzbedarf aus den genannten Heraus­for­de­rungen resultiert und in welchem Umfang demgemäß eine Erhöhung der absoluten Obergrenze geboten erscheint. Auch im weiteren Gesetz­ge­bungs­ver­fahren wurde der durch die veränderten Verhältnisse hervorgerufene Finanzbedarf nicht konkretisiert. Es wäre Sache des Gesetzgebers gewesen, zumindest die Größenordnung des zusätzlichen Finanzbedarfs darzulegen, der sich bei der Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes aufgrund der Digitalisierung und der inner­par­tei­lichen Parti­zi­pa­ti­o­ns­er­war­tungen ergibt. Nur auf dieser Grundlage kann nachvollzogen werden, ob der Gesetzgeber bei der Erhöhung der absoluten Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung die verfas­sungs­rechtlich gebotene Staatsfreiheit beachtet hat. Neben der unzureichenden Darlegung des zusätzlichen Finanzbedarfs der politischen Parteien fehlt es auch an einer Ausein­an­der­setzung mit den durch die Digitalisierung eröffneten Einspa­r­po­ten­tialen. Diese sind bei der Bestimmung des für die Erhaltung des Parteiensystems unerlässlichen Maßes staatlicher Finanzierung zu berücksichtigen. Dass mit der Digitalisierung auch Einspa­r­po­tentiale sowohl hinsichtlich der inner­par­tei­lichen Kommunikation als auch der Verbreitung der Positionen der politischen Parteien in der Öffentlichkeit verbunden sind, liegt auf der Hand. Bei der Festsetzung der absoluten Obergrenze hätte es im Rahmen der Begründung auch einer Darstellung der mit den durch die Digitalisierung verursachten Einspa­r­po­tentiale einschließlich deren Quantifizierung bedurft. Stattdessen spricht die Begründung des Gesetzentwurfs dafür, dass der Gesetzgeber bei der Erhöhung der absoluten Obergrenze staatlicher Partei­en­fi­nan­zierung nicht den durch die Digitalisierung und den verstärkten Einsatz inner­par­tei­licher Parti­zi­pa­ti­o­ns­elemente verursachten Finanzbedarf zugrunde gelegt, sondern sich an der relativen Obergrenze orientiert hat. So wird im Rahmen der Darstellung des wesentlichen Inhalts des Gesetzentwurfs ausgeführt, dass eine Anhebung der absoluten Obergrenze nötig sei, um zu verhindern, dass die im Jahr 2015 vorgenommene Erhöhung der relativen Obergrenze „konterkariert“ werde. Erkennbar ist dadurch allein die Absicht, die Erhöhung der relativen Obergrenze aus dem Jahr 2015 auf die absolute Obergrenze zu übertragen. Dies genügt den verfas­sungs­recht­lichen Begrün­dungs­an­for­de­rungen nicht. Die danach bestehenden Begrün­dungs­mängel können durch die umfänglichen Darlegungen zu digita­li­sierungs- und parti­zi­pa­ti­o­ns­be­dingten Mehrkosten der politischen Parteien, die der Deutsche Bundestag während des vorliegenden Normen­kon­troll­ver­fahrens vorgetragen hat, nicht geheilt werden, da es sich insofern um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt. Der Verstoß von Art. 1 PartGuaÄndG 2018 gegen Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG führt zur Nichtigkeit der angegriffenen Norm mit der Folge, dass die vorherige Fassung des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 PartG Anwendung findet.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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