21.11.2024
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Dokument-Nr. 33663

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Bundesverfassungsgericht Entscheidung23.01.2024

NPD-Nachfolgepartei "Die Heimat" ist für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteien­finanzierung ausgeschlossenVoraussetzungen eines Finan­zie­rungs­aus­schlusses gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG gegeben

Der Zweite Senat des Bundes­verfassungs­gerichts hat entschieden, dass die Partei Die Heimat (HEIMAT, vormals: National­demokratische Partei Deutschlands – NPD) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Finanzierung nach § 18 Parteiengesetz (PartG) ausgeschlossen ist.

Das Verfahren betrifft den Antrag des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und der Bundesregierung (Antragsteller) auf Feststellung, dass die Partei Die Heimat (Antragsgegnerin) von der staatlichen (Teil-)Finanzierung für politische Parteien ausgeschlossen ist. Gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG, § 46 a Abs. 1 Satz 1 Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz (BVerfGG) sind Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Gegen die Antragsgegnerin wurden 2001 und 2013 Partei­ve­r­bots­anträge gestellt, die im Ergebnis erfolglos blieben. Zuletzt bestätigte der Zweite Senat mit Urteil vom 17. Januar 2017 (BVerfGE 144, 20) zwar, dass die Antragsgegnerin nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebe. Da konkrete Anhaltspunkte von Gewicht fehlten, die ein Erreichen der von der Antragsgegnerin verfolgten Ziele zumindest möglich erscheinen ließen (Potentialität), scheiterte der Antrag dennoch. Der Antragsgegnerin flossen in der Vergangenheit nicht unerhebliche Beträge aus der staatlichen Partei­en­fi­nan­zierung zu. Nach der Bundestagswahl 2021 verlor sie jedoch infolge unzureichender Wahlergebnisse ihren Anspruch auf staatliche Mittel.

Voraussetzungen für Finan­zie­rungs­aus­schluss gegeben

Der Durchführung des Finan­zie­rungs­aus­schluss­ver­fahrens gegen die Antragsgegnerin stehen keine Verfah­rens­hin­dernisse entgegen. Im Urteil vom 17. Januar 2017 (BVerfGE 144, 20) hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Maßstäbe zu unbehebbaren Verfah­rens­hin­der­nissen im Partei­ve­r­bots­ver­fahren konkretisiert. Diese Maßstäbe sind auf das Finan­zie­rungs­aus­schluss­ver­fahren zu übertragen. Nach diesen Maßgaben stehen der Durchführung des Finan­zie­rungs­aus­schluss­ver­fahrens gegen die Antragsgegnerin keine unbehebbaren Verfah­rens­hin­dernisse entgegen. Ein Verstoß gegen das Gebot strikter Staatsfreiheit im Sinne des Verzichts auf den Einsatz von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin während des laufenden Finan­zie­rungs­aus­schluss­ver­fahrens liegt nicht vor. Aufgrund der vorgelegten Testate ist ebenso von der Quellenfreiheit des zulasten der Antragsgegnerin vorgelegten Beweismaterials auszugehen. Auch die Einhaltung der Anforderungen an ein faires, rechts­s­taat­liches Verfahren, insbesondere durch den Verzicht auf eine Ausspähung der Prozess­strategie der Antragsgegnerin, wird durch die vorgelegten Testate hinreichend belegt. Das Nichterscheinen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2023 steht dem Fortgang des Verfahrens ebenfalls nicht entgegen. Verzichten Verfah­rens­be­teiligte auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, obwohl sie dazu ohne Weiteres in der Lage wären, verstößt deren Durchführung nicht gegen die Grundsätze der Gewährung rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.

Finan­zie­rungs­aus­schlus­s­antrag auch begründet

Gegen den in Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Ausschluss verfas­sungs­feind­licher Parteien von der staatlichen Finanzierung bestehen keine durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Die Regelungs­be­fugnis des verfas­sung­s­än­dernden Gesetzgebers wird durch Art. 79 Abs. 3 GG (sog. Ewigkeits­ga­rantie) begrenzt. Danach ist eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, unzulässig. Verfas­sung­s­än­de­rungen, welche die durch Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen nicht beachten, stellen sich als „verfas­sungs­widriges Verfas­sungsrecht“ dar und sind nichtig. Die Aufzählung der geschützten, nicht abänderbaren Inhalte in Art. 79 Abs. 3 GG ist abschließend. Davon ausgehend werden die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Regelungs­gehalte durch Art. 21 Abs. 3 GG nicht berührt. Der Ausschluss verfas­sungs­feind­licher Parteien aus der staatlichen Finanzierung stellt sich nicht als eine die Ewigkeits­ga­rantie des Art. 79 Abs. 3 GG berührende Aushöhlung des Demokra­tie­prinzips dar. Nach dem grund­ge­setz­lichen Konzept der „wehrhaften Demokratie“ können Parteien, die auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, gemäß Art. 21 Abs. 2 GG verboten und damit vollständig an der Wahrnehmung des Verfas­sungs­auftrags zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG gehindert werden. Zugleich schließt das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ auch die gleich­heits­widrige Benachteiligung solcher Parteien durch den Ausschluss aus der staatlichen Finanzierung ein. Die durch Art. 79 Abs. 3 GG garantierte Substanz des Demokra­tie­prinzips wird dadurch nicht tangiert. Das Demokratiegebot umfasst den Grundsatz der Chancen­gleichheit der politischen Parteien nur, soweit diese ihrerseits die grundlegenden demokratischen Prinzipien anerkennen und achten. Fehlt es daran, stellt der darauf gestützte Ausschluss einer Partei von der Vergabe staatlicher Leistungen keinen Eingriff in den durch Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Kerngehalt des Demokra­tie­prinzips dar. Die neugeschaffene Regelung des Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG knüpft den Ausschluss von der staatlichen Finanzierung gerade daran, dass die betroffene Partei selbst die Beseitigung der für den demokratischen Wettbewerb konstitutiven freiheitlichen Grundordnung anstrebt oder den Bestand des Staates gefährdet. Damit betrifft der Ausschluss nur solche Parteien, deren chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung nicht Teil des grund­ge­setz­lichen Demokra­tie­konzepts ist. Der Verzicht auf deren staatliche Unterstützung berührt daher nicht die Substanz des Grundsatzes der Demokratie im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG. Auch der durch Art. 79 Abs. 3 GG vor Verfas­sung­s­än­de­rungen geschützte Schutz- und Achtungs­an­spruch der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG wird nicht verletzt. Der Ausschluss verfas­sungs­feind­licher Parteien aus der staatlichen Finanzierung greift nicht in den Anspruch auf demokratische Selbst­be­stimmung der Bürgerinnen und Bürger ein. Dieser Anspruch bezieht sich auf die gleich­be­rechtigte Teilhabe an der Ausgestaltung der freiheitlichen demokratischen Ordnung. Entfällt aufgrund des Entzugs staatlicher Mittel die Möglichkeit, eine Partei zu unterstützen, die auf die Abschaffung dieser Ordnung zielt, hat dies nicht zur Folge, dass Wahlberechtigte zu bloßen Objekten staatlichen Handelns würden und an der Wahrnehmung ihres demokratischen Selbst­be­stim­mungs­rechts gehindert wären.

Die tatbe­stand­lichen Voraussetzungen des Ausschlusses einer Partei von staatlicher Finanzierung gemäß Art. 21 Abs. 3 GG sind durch den weitgehenden Gleichlauf mit den materiellen Voraussetzungen des Parteiverbots gemäß Art. 21 Abs. 2 GG geprägt. Sowohl das Parteiverbots- als auch das Finan­zie­rungs­aus­schluss­ver­fahren verlangen eine Betroffenheit des Schutzguts der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, auf deren „Beein­träch­tigung oder Beseitigung“ eine Partei „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger“ entweder ausgehen (Art. 21 Abs. 2 GG) oder ausgerichtet sein (Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG) muss. Die Voraussetzungen des „Darauf Ausgehens“ und des „Darauf Ausge­rich­tetseins“ sind dabei nicht identisch. Ein „Darauf Ausge­rich­tetsein“ setzt ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beein­träch­tigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus, ohne dass es auf das Erfordernis der Potentialität ankommt. Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf Ausschluss der Antragsgegnerin von der staatlichen Partei­en­fi­nan­zierung begründet. Im Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 17. Januar 2017 wurde die Verfas­sungs­feind­lichkeit der Antragsgegnerin im Sinne des Art. 21 Abs. 3 GG zum damaligen Entschei­dungs­zeitpunkt festgestellt. Dies gilt fort. Die Antragsgegnerin missachtet unverändert die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet. Die Antragsgegnerin wendet sich weiterhin gegen die Grundprinzipien, die für den freiheitlichen demokratischen Verfas­sungsstaat unverzichtbar sind. Sowohl durch die Fortgeltung des Parteiprogramms aus dem Jahr 2010 in seinen wesentlichen Teilen als auch durch verschiedene Äußerungen führender Funktionäre der Antragsgegnerin im Anschluss an das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 17. Januar 2017 zeigt sich, dass sich die Antragsgegnerin nicht von ihren bereits damals vertretenen Zielen distanziert hat, sondern diese weiterhin vertritt. Relevante Änderungen des politischen Programms der Antragsgegnerin sind nicht ersichtlich.

Politische Konzept mit dem Demokra­tie­prinzip unvereinbar

Das politische Konzept der Antragsgegnerin ist weiterhin mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies ergibt sich, wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht schon im Urteil vom 17. Januar 2017 festgestellt hat, bereits aus dem Parteiprogramm unter dem Titel „Arbeit. Familie. Vaterland. Die nunmehr von den Antragstellern vorgelegten Belege zeigen, dass die Antragsgegnerin weiterhin ein dem Parteiprogramm entsprechendes und damit auf eine Missachtung der Menschenwürde zielendes politisches Konzept vertritt. Sie hält am ethnischen Volksbegriff und der Vorstellung von der deutschen „Volks­ge­mein­schaft“ als Abstam­mungs­ge­mein­schaft fest. Auf dieser Grundlage negiert sie das Gebot elementarer Rechts­gleichheit und fordert die Trennung von Kulturen und Ethnien. Sie diffamiert einzelne gesell­schaftliche Gruppierungen und Minderheiten. Zugleich räumt sie dem Kollektiv der „Volks­ge­mein­schaft“ Vorrang gegenüber dem einzelnen Menschen ein. Konsequenz des exkludierenden Charakters der „deutschen Volks­ge­mein­schaft“ ist die Forderung der Antragsgegnerin nach umfassender rechtlicher Besserstellung aller Angehörigen dieser Gemeinschaft und der Abwertung des rechtlichen Status derjenigen, die dieser Gemeinschaft nicht angehören. Die Vorstellung der ethnisch definierten „Volks­ge­mein­schaft“ führt zu einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Missachtung von Ausländern, Migranten und Minderheiten. Die nunmehr vorgelegten Belege lassen erkennen, dass die rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antizi­ga­nis­tische Grundhaltung der Antragsgegnerin sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber gesell­schaft­lichen Minderheiten wie transsexuellen Personen fortbesteht. Die Antragsgegnerin missachtet weiterhin das Demokra­tie­prinzip. Sie fordert in ihrem Parteiprogramm die „Einheit von Volk und Staat“. Das Postulat „Volksherrschaft setzt Volks­ge­mein­schaft voraus“ zeigt, dass die Antragsgegnerin den Anspruch auf gleich­be­rechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung als Kernelement des grund­ge­setz­lichen Demokra­tie­prinzips nicht anerkennt. Denn es hat denknotwendig den Ausschluss derjenigen aus dem demokratischen Prozess zur Folge, die der ethnisch definierten „Volks­ge­mein­schaft“ nicht angehören. Entsprechend ist in einem durch die „Einheit von Volk und Staat“ geprägten Nationalstaat im Sinne der Antragsgegnerin für die freie und gleiche Beteiligung „ethnisch Nichtdeutscher“ an der politischen Willensbildung – unabhängig von der Staats­an­ge­hö­rigkeit – kein Raum. Die vorgelegten neuen Belege dokumentieren, dass die Antragsgegnerin an der Beschränkung demokratischer Mitwir­kungs­rechte auf die Angehörigen der „Volks­ge­mein­schaft“ unabhängig von der Staats­an­ge­hö­rigkeit festhält. Zudem macht sie das bestehende parla­men­ta­rische System verächtlich und ruft zu dessen Überwindung auf. Anknüpfend an die Feststellungen im Urteil vom 17. Januar 2017 zeigen die von den Antragstellern nunmehr vorgelegten Belege auch den Fortbestand der Wesens­ver­wandt­schaft der Antragsgegnerin mit dem Natio­nal­so­zi­a­lismus. Sowohl das Konzept der „Volks­ge­mein­schaft“ als auch die antisemitische Grundhaltung und die Verächt­lich­machung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Natio­nal­so­zi­a­lismus erkennen. Die Antragsgegnerin zielt nach wie vor unter Missachtung der Menschenwürde und des grund­ge­setz­lichen Demokra­tie­prinzips auf eine Ersetzung der bestehenden Verfas­sungs­ordnung durch einen an der ethnischen „Volks­ge­mein­schaft“ ausgerichteten autoritären „Nationalstaat“. Damit strebt sie nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger eine Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung an.

Kein Anspruch auf staatliche Mittel seit 2021

Die Antragsgegnerin ist schließlich auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgerichtet. Dies setzt voraus, dass sie über das bloße Bekennen ihrer verfas­sungs­feind­lichen Ziele hinaus die Grenze zum Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschreitet. Dass sie in geplanter und qualifizierter Weise zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unmittelbar ansetzt, wird durch ihre Organi­sa­ti­o­nss­truktur, ihre regelmäßige Teilnahme an Wahlen und ihre sonstigen Aktivitäten sowie durch ihre nationale und internationale Vernetzung belegt. Dabei ist die Antragsgegnerin bestrebt, sich veränderten Rahmen­be­din­gungen anzupassen. Sie hat bis zum Jahr 2020 an der staatlichen Partei­en­teil­fi­nan­zierung teilgenommen. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn ein Quorum von ,5 % der Stimmen bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl oder 1 % der Stimmen bei einer Landtagswahl erzielt wird. Ohne eine hinreichende Organisation, ein politisches Konzept, ein ausreichendes Maß an Öffent­lich­keits­arbeit und den ernsthaften Versuch der Verwirklichung ihrer politischen Ziele kann ein entsprechendes Wahlergebnis nicht erreicht werden. Die Antragsgegnerin ist bundesweit organisiert. Sie verfügt neben regionalen Unter­glie­de­rungen über eine eigene Jugend­or­ga­ni­sation, die Jungen Nationalisten, sowie über eine Kommu­na­l­po­li­tische Vereinigung und den Ring Nationaler Frauen als Unter­or­ga­ni­sa­tionen. Ausweislich des Rechen­schafts­be­richts 2020 hatte sie Ende Dezember 2020 3.199 Mitglieder. Sie richtet weiterhin regelmäßig Partei­ve­r­an­stal­tungen in Form von Parteitagen, Tagungen, Konferenzen und Schulungen aus. Sie verfügt über Publi­ka­ti­o­ns­organe in Printversionen und digitalen Formaten, wodurch sie in der breiten Öffentlichkeit präsent sein will. Insbesondere die Nutzung der sozialen Medien und die dortige Werbung um Mitglieder und Unterstützer dokumentieren das „Darauf Ausge­rich­tetsein“ der Antragsgegnerin im Sinne des Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG. In der Vergangenheit nahm die Antragsgegnerin mit abnehmendem Erfolg regelmäßig an Wahlen auf den unter­schied­lichen politischen Ebenen teil. Bei der Europawahl 2019 entfielen ,3 % der abgegebenen gültigen Stimmen auf sie; bei den Bundes­tags­wahlen im Jahr 2017 ,4 % und im Jahr 2021 ,1 % der abgegebenen gültigen Zweitstimmen. Auch an Landtagswahlen nahm sie – allerdings nicht durchgängig – teil. Gegenwärtig ist sie in keinem Parlament auf Bundes- oder Landesebene vertreten. Sie verfügt weiterhin über ein geschlossenes politisches Konzept zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele.

Verfas­sungs­feind­lichkeit weiterhin gegeben

Wie im Urteil vom 17. Januar 2017 dargestellt, lag der politischen Arbeit der Antragsgegnerin die sogenannte „Vier-Säulen-Strategie“ zugrunde. Dabei handelt es sich um ein strategisches Konzept, das der damalige Vorsitzende in den „Kampf um die Köpfe“, den „Kampf um die Straße“, den „Kampf um die Parlamente“ und den „Kampf um den organisierten Willen“ unterteilte. Von dieser „Vier-Säulen-Strategie“ hat sich die Antragsgegnerin zwar äußerlich entfernt, sie stellt aber in der Sache weiterhin den zentralen Rahmen für ihr politisches Handeln dar. Ihr beträchtlicher Bedeu­tungs­verlust, der durch sinkende Mitglie­der­zahlen, schwache Wahlergebnisse und fehlende Parla­ments­be­tei­li­gungen geprägt ist, zwingt sie zur Anpassung ihrer Handlungs­konzepte. Durch eine strategische Neuausrichtung und organi­sa­to­rische Verschlankung soll aus der ehemaligen „Wahlpartei“ eine „patriotische NGO“ unter Auf- und Ausbau eines vorpolitischen Umfelds werden, ohne dass dabei die „Vier-Säulen-Strategie“ für überholt erklärt wurde. Auch in der Umbenennung der Partei in „Die Heimat“ liegt der Versuch der Überwindung bestehender Stigma­ti­sie­rungen der Antragsgegnerin, mit der jedoch keine inhaltliche Neuaufstellung verbunden sei. Die Antragsgegnerin versucht, ihr strategisches Konzept auf unter­schiedliche Weise umzusetzen und dadurch ihre verfas­sungs­feind­lichen Ziele zu verwirklichen. Im Rahmen des „Kampfes um die Köpfe“ organisiert sie Veranstaltungen, die bewusst nicht nur an Parteianhänger gerichtet sind, sondern eine breitere Öffentlichkeit ansprechen sollen. Neben den beiden zentralen Kampagnen „Schutzzonen“ und „Deutsche helfen Deutschen“ haben die Antragsteller eine Vielzahl an Festen, Feiern, Wanderungen, Spenden- und Wohltä­tig­keits­ver­an­stal­tungen, Tagen der offenen Tür und Infoständen seit Herbst 2017 aufgelistet. Die Antragsgegnerin führt den „Kampf um die Straße“, indem sie sich bemüht, eine hohe Präsenz bei Demonstrationen und Bürgerprotesten zu zeigen, von denen sie einen beträchtlichen Teil selbst organisiert. Auch nach 2017 fand eine erhebliche Zahl von Veranstaltungen zur Darstellung der politischen Positionen und Forderungen der Antragsgegnerin statt. Sie greift dabei sowohl auf traditionelle als auch neuartige Veran­stal­tungs­formate zurück. Durch gemeinsame Veranstaltungen mit anderen rechtsextremen Parteien und Organisationen sowie durch die Teilnahme an Veranstaltungen Dritter versuchte sie zudem, ihre Reichweite zu erhöhen. Im Rahmen des „Kampfes um den organisierten Willen“ strebt die Antragsgegnerin eine enge nationale und internationale Vernetzung mit anderen recht­s­ex­tre­mis­tischen Parteien und Gruppierungen an. Sie pflegt intensive Kontakte zu solchen Parteien und nicht partei­ge­bundenen Recht­s­ex­tre­misten und solidarisiert sich mit Holocaust-Leugnern. Insgesamt ergibt sich, dass die Antragsgegnerin trotz einer Entwicklung, die durch Mitglie­der­schwund, zurückgehende Wahlergebnisse und ein dadurch bedingtes Ausscheiden aus der staatlichen Partei­en­fi­nan­zierung sowie durch eine strategische Neuorientierung geprägt ist, mit einer Vielzahl von Aktivitäten versucht, ihre verfas­sungs­feind­lichen Ziele umzusetzen. Sie überschreitet damit die Schwelle vom bloßen Bekenntnis der Ablehnung zur Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ist auf deren Beseitigung ausgerichtet. Die Antragsgegnerin ist daher für die Dauer von sechs Jahren von staatlicher Finanzierung auszuschließen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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