23.11.2024
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Dokument-Nr. 32481

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Bundesverfassungsgericht Beschluss04.10.2022

Verfassungs­beschwerde gegen Höher­grup­pierung von Servicekräften eines Amtsgerichts erfolglosVerfassungs­beschwerde insgesamt unzulässig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwer­de­füh­renden, das Land Berlin und eine Arbeit­geber­vereinigung, wendeten sich gegen zwei Urteile des Bundes­arbeits­gerichts, in denen es um die Eingruppierung von Servicekräften eines Amtsgerichts in eine höhere Entgeltstufe des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ging. Das Land Berlin kann sich jedoch nicht auf die hier in Betracht kommenden Grundrechte und grund­rechts­gleiche Rechte berufen. Die Arbeit­geber­vereinigung ist nicht beschwer­de­befugt, weil sie nicht Partei des fachge­richt­lichen Verfahrens war; zudem hätte sie den Inhalt der tarif­ver­trag­lichen Regelung zunächst vor den Fachgerichten klären lassen müssen.

Beschäftigte von Service­ein­heiten hatten letztlich erfolgreich die Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe des TV-L und damit eine höhere Vergütung eingeklagt. Das Land Berlin und die tarif­schließende Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung wandten sich gegen die Urteile des Bundes­a­r­beits­ge­richts. Es habe die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie verletzt und die spezifischen Grenzen der zulässigen Auslegung von tarif­ver­trag­lichen Regelungen überschritten.

BVerfG: Land Berlin nicht beschwer­de­be­rechtigt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie sei insgesamt unzulässig. Das beschwer­de­führende Land Berlin ist nicht beschwerdeberechtigt. Es kann sich weder auf die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) noch auf Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG berufen. Zwar ist das tarif­ver­tragliche Handeln kollektiv ausgeübte Privatautonomie. Auch betätigt sich das Land als Privat­rechts­subjekt, soweit es Personen auf arbeits­recht­licher Grundlage beschäftigt. Doch ergibt sich daraus keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht auf Grundrechte berufen können. Das Land ist hier keine eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtung, die – wie etwa Rundfunk­an­stalten, Universitäten oder Kirchen – unmittelbar dem durch ein spezifisches Grundrecht geschützten Lebensbereich zuzuordnen wäre und in diesem Lebensbereich den Bürgerinnen und Bürgern zur Verwirklichung ihrer Grundrechte diente. Es wäre mit dem vorrangigen Sinn der Grundrechte, den Schutz der Einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu gewährleisten, nicht mehr vereinbar, die Grund­rechts­fä­higkeit auf juristische Personen des öffentlichen Rechts weiter auszudehnen. Es könnte vielmehr dazu führen, dass die Grundrechte in ihr Gegenteil verkehrt werden, wenn Grund­rechts­schutz zugunsten der öffentlichen Hand damit letztlich gegen die Bürgerinnen und Bürger gewendet wird.

Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung nicht beschwer­de­befugt

Die beschwer­de­führende Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung ist nicht beschwer­de­befugt. Sie ist durch die angegriffenen Entscheidungen des Bundes­a­r­beits­ge­richts nicht unmittelbar adressiert, da sie weder Partei noch Beteiligte des Ausgangs­ver­fahrens war. Zwar hat sie den verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Tarifvertrag abgeschlossen, doch bindet die gerichtliche Entscheidung rechtlich nur im Verhältnis zwischen den Prozessparteien. Dass die hier angegriffenen Entscheidungen mittelbar auf das Tarifgeschehen einwirken, genügt für die Beschwerdebefugnis nicht.

Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung hätte zunächst Fachgerichten anrufen müssen

Darüber hinaus genügt die Verfas­sungs­be­schwerde der Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung nicht dem Grundsatz der Subsidiarität. Danach müssen vor Einlegung einer Verfas­sungs­be­schwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfas­sungs­ver­letzung zu erwirken oder eine Grund­rechts­ver­letzung zu verhindern. Hier hätte die Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung den Inhalt des Tarifvertrages gerichtlich verbindlich klären lassen können. So ist eine Verbandsklage auch dann zulässig, wenn sie lediglich die Gültigkeit oder Auslegung einer einzelnen Tarifnorm betrifft. Hier ist nicht erkennbar, weshalb dies unzumutbar sein sollte. Die Beschreitung des Rechtswegs würde auch verhindern, dass das Bundes­ver­fas­sungs­gericht über eine solche fachliche Frage auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage entscheidet.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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