15.11.2024
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Dokument-Nr. 7617

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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.02.2009

BVerfG: Neufassung des § 19 Abs. 1 EEG 2009 verfas­sungsgemäßRichter lehnen Antrag eines "EEG-Stromerzeugers" auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Am 18. Februar 2009 hatte der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts den mit einer Rechts­satz­ver­fas­sungs­be­schwerde verbundenen Antrag der Betreiberin eines Bioenergieparks und der zur Errichtung des Bioenergieparks gegründeten Projekt­ge­sell­schaft abgelehnt, § 19 Abs. 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2009 im Wege einer einstweiligen Anordnung einstweilen außer Kraft zu setzen. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen hatten geltend gemacht, dass - anders als unter Geltung des EEG 2004 - die 40 technisch selbständigen Anlagen des Bioenergieparks ab dem Inkrafttreten des EEG 2009 am 1. Januar 2009 als eine Großanlage gälten und sie daher pro eingespeister Kilowattstunde Strom eine geringere Vergütung erhielten; in Folge der dadurch erheblich verringerten Einnahmen müsste die Anlagen­be­treiberin innerhalb kürzester Zeit Insolvenz anmelden

Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien haben gegen den zuständigen Netzbetreiber einen gesetzlichen Anspruch auf Abnahme und Vergütung des erzeugten Stroms. Die Höhe der Vergütung für Strom aus Biomasse ist dabei nach Leistungs­klassen gestaffelt, so dass kleinere Anlagen eine höhere Vergütung pro Kilowattstunde erhalten als größere Anlagen. Zum 1. Januar 2009 wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2004 (EEG 2004) unter Beibehaltung dieses Fördersystems neu gefasst. Gemäß § 19 Abs. 1 EEG 2009 gelten mehrere Anlagen für die Berechnung der gesetzlich garantierten Mindest­ver­gütung als eine (Groß-)Anlage, wenn sie sich auf demselben Grundstück oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden, sie Strom aus gleichartigen Erneuerbaren Energien erzeugen, der in ihnen erzeugte Strom in Abhängigkeit von der Leistung der Anlage vergütet wird und sie innerhalb von zwölf aufein­an­der­fol­genden Kalendermonaten in Betrieb gesetzt worden sind. In der Geset­zes­be­gründung wird ausgeführt, diese Regelung beinhalte lediglich eine Klarstellung der bisher geltenden Rechtslage.

§ 19 Abs. 1 EEG 2009 soll außer Kraft gesetzt werden

Gegen diese Regelung haben unter anderem die Betreiberin eines Bioenergieparks und die zur Errichtung des Bioenergieparks gegründete Projekt­ge­sell­schaft Verfas­sungs­be­schwerde erhoben. Gleichzeitig haben sie beantragt, § 19 Abs. 1 EEG 2009 im Wege einer einstweiligen Anordnung einstweilen außer Kraft zu setzen.

Der Bioenergiepark besteht aus 40 Biogasanlagen, die sukzessive im Zeitraum zwischen November 2006 und Dezember 2007 in Betrieb genommen wurden. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen machen geltend, aufgrund der angegriffenen gesetzlichen Regelung gälten die 40 Anlagen des Bioenergieparks entgegen der bisherigen Rechtslage erstmals als eine Großanlage. Der Bioenergiepark könne angesichts der hiermit verbundenen Vergü­tungs­einbußen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Die Anlagen­be­treiberin müsse innerhalb kürzester Zeit Insolvenz anmelden.

Richter lehnen Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Mit Beschluss vom 18. Februar 2009 hat der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Entscheidung erging mit fünf gegen drei Stimmen. Die Entschei­dungs­gründe werden den Beteiligten gesondert übermittelt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, weil die Verfas­sungs­be­schwerde offensichtlich unbegründet ist. Erst in einem Haupt­sa­che­ver­fahren zu klärende Fragen wirft sie nicht auf.

§ 19 Abs. 1 EEG 2009 verstößt nicht gegen das Grundrecht der Beschwer­de­füh­re­rinnen auf Eigentum. Es kann offenbleiben, ob der EEG-Vergü­tungs­an­spruch, der dem Anlagen­be­treiber einen über den Marktpreis hinausgehenden Erlös für Strom aus Erneuerbaren Energien sichern soll, von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird. Auch wenn man davon ausgeht, ist eine Grund­rechts­ver­letzung nicht festzustellen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Vergü­tungs­an­spruch unter Geltung des EEG 2004 in der von den Beschwer­de­füh­re­rinnen angenommenen Höhe bestanden hat. Auf die hierfür maßgebliche Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EEG 2004 kommt es im Ergebnis jedoch nicht an. Selbst wenn man der verfas­sungs­recht­lichen Prüfung zugrunde legt, dass die Strom­e­in­spei­sungen des betroffenen Bioenergieparks bislang einze­l­an­la­gen­bezogen zu vergüten waren, und § 19 Abs. 1 EEG 2009 ausgehend hiervon eine nach altem Recht erworbene Rechtsposition der Beschwer­de­füh­re­rinnen verkürzt, ist die Regelung als verfas­sungs­rechtlich zulässige Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung des Eigentums nicht zu beanstanden. Zwar führt sie zu einer erheblichen Reduzierung der mit dem Betrieb des Bioenergieparks erzielbaren Einspei­se­ver­gütung. Diese gesetzliche Kürzung des Vergü­tungs­an­spruchs genügt jedoch den Anforderungen des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes sowie des im Gewähr­leis­tungs­bereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu berück­sich­ti­genden Grundsatzes des Vertrau­ens­schutzes.

Unnötig hohe finanzielle Belastung der Netzbetreiber und Letztversorger soll vermieden werden

§ 19 Abs. 1 EEG 2009 dient dem legitimen Ziel, eine unnötig hohe finanzielle Belastung der Netzbetreiber, Letztversorger und schließlich der Stromkunden, die wegen des im EEG 2009 geregelten Ausgleichs­me­cha­nismus die sog. Differenzkosten tragen müssen, infolge der Aufteilung einer oder mehrerer großer Biomasseanlagen in eine Vielzahl kleiner Anlagen zu vermeiden. Die Regelung ist zur Verfolgung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinne. Die nachträgliche Änderung der Vergü­tungs­vor­schriften könnte sich nur dann als unangemessen erweisen, wenn die Beschwer­de­füh­re­rinnen auf den Fortbestand des nach ihrem Verständnis in § 3 Abs. 2 EEG 2004 geregelten Anlagenbegriffs vertrauen durften.

Dies ist jedoch nicht der Fall. § 19 Abs. 1 EEG 2009 genügt den Anforderungen des Grundsatzes des Vertrau­ens­schutzes. Zwar entfaltet die Vorschrift insoweit rückwirkende Kraft, als sie auch auf vor dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommene Biomasseanlagen Anwendung findet. Diese Rückwirkung ist jedoch verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Denn jedenfalls konnten die Beschwer­de­füh­re­rinnen zu keinem Zeitpunkt auf den Fortbestand der in § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 nach ihrer Auffassung getroffenen Regelung vertrauen.

Bereits vor Beginn der Planungen für die Errichtung des Bioenergieparks wurde in der Kommen­ta­r­li­teratur zu § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 die Auffassung vertreten, dass es für die Frage der Zusammenfassung mehrerer Anlagen auf den wirtschaft­lichen Zusammenhang der Investition am gewählten Standort ankomme. Zudem diente § 3 Abs. 2 EEG 2004 ausweislich der Geset­zes­be­gründung "auch dazu, die dem Gesetzeszweck widersprechende Umgehung der für die Vergütungshöhe geltenden Leistungs­schwellen durch Aufteilung in kleinere Einheiten zu verhindern". Auch die Bundesregierung und der Bundesrat hatten in der Folge festgestellt, dass die bewusste Aufteilung von Biogasanlagen in mehrere Einheiten allein zum Zwecke der Erlangung höherer Vergütungen dem Gesetzeszweck des EEG widerspreche.

Änderung war abzusehen

Die Beschwer­de­füh­re­rinnen mussten daher jedenfalls mit einer künftigen Änderung dieser Rechtspraxis durch den Gesetzgeber rechnen. Auch § 12 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004, auf den sich die Beschwer­de­füh­re­rinnen berufen hatten, statuiert keinen unein­ge­schränkten Anspruch der Anlagen­be­treiber auf Aufrecht­er­haltung des vergü­tungs­recht­lichen status quo, der von Verfassungs wegen einer Schließung im Nachhinein erkannter Gesetzeslücken entgegenstünde.

Das zögerliche Vorgehen des Gesetzgebers, dem die bestehenden Rechts­un­si­cher­heiten und die missbilligte Praxis des Anlagen­splittings jedenfalls seit August 2006 bewusst waren, mag unverständlich erscheinen. Für die verfas­sungs­rechtliche Beurteilung spielt dies ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob die Erstreckung der nunmehr getroffenen Regelung auf Bestandsanlagen mit Blick auf die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 und 2 EEG 2009 rechts- und umweltpolitisch sinnvoll ist.

Quelle: ra-online (pt)

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