21.11.2024
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Dokument-Nr. 32004

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Beschluss01.06.2022Bundesverfassungsgericht1 BvR 2888/20, 1 BvR 1156/21, 1 BvR 1155/21, 1 BvR 1154/21, 1 BvR 1153/21 und 1 BvR 1152/21
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Bundesverfassungsgericht Beschluss01.06.2022

Erfolglose Verfassungs­beschwerden gegen das Fremd­per­so­na­l­verbot in der Fleis­ch­in­dustrieGesetzliche Fremd­per­so­na­l­verbot in Fleis­ch­in­dustrie bleibt vorerst bestehen

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Verfassungs­beschwerden eines Unternehmens der Wursther­stellung und mehrerer Zeitarbeits­unternehmen nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungs­beschwerden richten sich gegen das Verbot, in der Fleisch­wirt­schaft Personal als Werk­vertrags­beschäftigte oder in Leiharbeit einzusetzen. Die Beschwer­de­füh­renden sehen sich in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt; das Unternehmen der Wursther­stellung rügt zudem eine nicht zu rechtfertigende Ungleich­be­handlung mit anderen Branchen. Die Begründung der Verfassungs­beschwerden genügt den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht; sie sind daher unzulässig.

Mit der Vorschrift des § 6 a Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeit­neh­mer­rechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) verbietet der Gesetzgeber Betrieben der Fleisch­wirt­schaft seit dem 1. Januar 2021, die Schlachtung, Zerlegung und Fleisch­ver­a­r­beitung durch Selbstständige erledigen zu lassen, also mit Hilfe der bisher in weitem Umfang eingesetzten Werkver­trags­un­ter­nehmen. Die Arbeiten dürfen aufgrund des „Fremd­per­so­na­l­verbots“ nur noch durch eigenes Personal ausgeführt werden. Seit dem 1. April 2021 wird mit § 6 a Abs. 3 GSA Fleisch zudem die Leiharbeit in diesen Bereichen der Fleisch­wirt­schaft eingeschränkt und ab dem 1. April 2024 gänzlich untersagt. Für den Fall des Verstoßes sind Bußgelder vorgesehen. Dagegen wenden sich sowohl ein Unternehmen der Wursther­stellung wie auch mehrere Zeita­r­beits­un­ter­nehmen, die in unter­schied­lichem Umfang Beschäftigte an Schlacht-, Zerlege- und Fleisch­ver­a­r­bei­tungs­be­triebe überließen. Sie rügen, das Fremdpersonalverbot verletze sie in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Das Unternehmen der Wursther­stellung rügt zudem eine nicht zu rechtfertigende Ungleich­be­handlung mit anderen Branchen.

Betroffenheit durch Regelungen nicht hinreichend dargelegt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zu Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerden sind unzulässig, denn sie genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Begründung. Eine zulässige Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass die Möglichkeit der unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit in eigenen Rechten so konkret dargelegt wird, wie es § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz (BVerfGG) vorgeben. Daran fehlt es hier. Die Beschwer­de­füh­renden sind nur dann selbst von den angegriffenen Vorschriften betroffen, wenn diese auf sie und die von ihnen benannte Zusammenarbeit mit ihren Kunden auch tatsächlich Anwendung finden. Das ist jedoch nicht nur fachgerichtlich nicht geklärt, sondern nach dem Vorbringen auch nicht klar erkennbar. Dies lässt sich schon einfach­rechtlich nur auf der Grundlage von konkreten Angaben zu durchgeführten Tätigkeiten, Arbeits­zeit­an­teilen und Betrie­bss­truktur sowie zu Geschäfts­zwecken der jeweiligen Betriebe selbst oder als Kunden der Zeita­r­beits­un­ter­nehmen beurteilen. Dem genügt der Vortrag des beschwer­de­füh­renden Unternehmens der Wursther­stellung zur Beschäf­tig­tenzahl und zur Zahl der bei Auftrags- und Produk­ti­o­nss­pitzen eingesetzten Leiha­r­beits­kräfte nicht. Die Darlegung, dass sie die ganze Breite der Wurstproduktion abbilde, bleibt abstrakt. Auch die Aussage, „überwiegend (also mind. 50,1 %), faktisch sogar deutlich mehr Fleisch­ver­a­r­beitung im Sinne des Gesetzes“ zu verrichten, wiederholt letztlich die gesetzliche Regelung, zeigt aber nicht näher auf, wie der Betrieb konkret ausgestaltet ist. Konkreterer Vortrag ist hier auch nicht unmöglich.

Auch Selbst­be­trof­fenheit der Zeita­r­beits­un­ter­nehmen nicht klar erkennbar

Das gilt auch für Zeita­r­beits­un­ter­nehmen. Diese verfügen zwar nicht ohne weiteres über detaillierte Kenntnisse der Verhältnisse bei ihren Kunden als den Einsatz­be­trieben des Fremdpersonals. Doch erschließt sich weder, ob und gegebenenfalls welche Kenntnisse im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zu den Kunden vorhanden sind, noch, warum relevante Daten nicht in Erfahrung gebracht werden könnten. Die Zeita­r­beits­un­ter­nehmen beschränken ihren Vortrag auf Schätzwerte zu Perso­na­l­an­teilen eigener Arbeitskräfte der Kunden in Bereichen, in denen auch Leiha­r­beits­kräfte eingesetzt würden. Zur Klärung der Anwendbarkeit der angegriffenen Normen genügt die Angabe jedoch nicht, es werde „mindestens 50,1 %, faktisch aber 100 %“ Fleisch verarbeitet. Das gilt insbesondere, da geschildert wird, dass Arbeitskräfte auch zu Kommis­si­o­nierung, Etikettierung, Palettierung, Versand und Verladung oder als Schlosser und Elektriker eingesetzt würden, die zumindest nicht ohne weiteres der Fleisch­ver­a­r­beitung zuzurechnen sind. Die angegriffenen Regelungen für die Fleisch­wirt­schaft sind auf die Beschwer­de­füh­renden nach § 2 Abs. 2 GSA Fleisch zudem nur anwendbar, wenn das Fremdpersonal nicht in Handwerks­be­trieben mit bis zu 49 Arbeitskräften eingesetzt wird. Inwieweit dies der Fall ist, ist nicht für alle beschwer­de­füh­renden Zeita­r­beits­un­ter­nehmen hinreichend klar erkennbar.

Ungerecht­fertigte Ungleich­be­handlung nicht den prozess­recht­lichen Anforderungen entsprechend substantiiert

Auch die Rüge, in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil eine nicht zu rechtfertigende Ungleich­be­handlung vorliege, ist nicht den prozess­recht­lichen Anforderungen entsprechend substantiiert. Dazu gehört es, sich nicht nur mit maßgeblichen Vergleichs­sach­ver­halten, sondern auch mit naheliegenden Argumenten zur Rechtfertigung einer Ungleich­be­handlung ausein­an­der­zu­setzen. Das beschwer­de­führende Unternehmen der Wursther­stellung vergleicht sich zwar mit der Baubranche, Logistikzentren und der Landwirtschaft. Es befasst sich aber nicht damit, inwiefern die Arbeits­be­din­gungen sowie der Anteil und Einsatz von Fremdpersonal mit dem Kerngeschäft der Fleis­ch­in­dustrie vergleichbar seien, auf die der Gesetzgeber abgestellt hat.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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