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Bundesverfassungsgericht Urteil19.05.2020
Auslandsüberwachung durch BND verfassungswidrigDerzeitige Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland verstößt gegen Grundrechte
Das Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen gegen das grundrechtliche Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstößt. Dies betrifft sowohl die Erhebung und Verarbeitung der Daten als auch die Übermittlung der hierdurch gewonnenen Daten an andere Stellen wie ebenfalls die Kooperation mit anderen ausländischen Nachrichtendiensten. Eine verfassungsmäßige Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (auch: "Ausland-Ausland Telekommunikationsüberwachung") ist jedoch möglich.
Im vorliegenden Fall waren die Beschwerdeführer, überwiegend ausländische Journalisten, die im Ausland über Menschrechtsverletzungen in Krisengebieten oder autoritär regierten Staaten berichten. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Neufassung des BND-Gesetzes aus dem Jahr 2016 und ihnen hierdurch drohende Überwachungsmaßnahmen. Mit der Regelung wurde die bisherige Praxis der strategischen Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nicht nur auf Deutschland begrenzt
Nach der Entscheidung ist die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt. Jedenfalls der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf Ausländer im Ausland. Das gilt unabhängig davon, ob die Überwachung vom Inland oder vom Ausland aus erfolgt. Da der Gesetzgeber demgegenüber von der Unanwendbarkeit der Grundrechte ausgegangen ist, hat er den hieraus folgenden Anforderungen weder in formeller noch in inhaltlicher Hinsicht Rechnung getragen. Weder ist er hinsichtlich Art. 10 Abs. 1 GG dem Zitiergebot nachgekommen noch genügen die Vorschriften zentralen Anforderungen der Grundrechte in inhaltlicher Hinsicht.
Unabhängige Kontrollinstanz für BND-Auslandsüberwachung erforderlich
Insbesondere ist die Überwachung nicht auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt und durch diese kontrollfähig strukturiert; auch fehlt es an verschiedenen Schutzvorkehrungen, etwa zum Schutz von Journalisten oder Rechtsanwälten. Hinsichtlich der Datenübermittlung fehlt es neben anderem an der Gewährleistung eines hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutzes und ausreichender Eingriffsschwellen. Entsprechend enthalten die Vorschriften zu den Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten keine hinreichenden Begrenzungen und Schutzvorkehrungen. Hinsichtlich all dieser Befugnisse fehlt es zudem an einer ausgebauten unabhängigen objektivrechtlichen Kontrolle. Eine solche Kontrolle muss als kontinuierliche Rechtskontrolle ausgestaltet sein und einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglichen.
Gesetzgeber muss bei der Auslandsüberwachung nachbessern
Bei verhältnismäßiger Ausgestaltung ist das Instrument der strategischen Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung demgegenüber mit den Grundrechten des Grundgesetzes im Grundsatz vereinbar. Die beanstandeten Vorschriften gelten daher bis zum Jahresende 2021 fort, um dem Gesetzgeber eine Neuregelung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu ermöglichen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.05.2020
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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