18.10.2024
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Dokument-Nr. 28759

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Bundesverfassungsgericht Urteil19.05.2020

Auslands­über­wachung durch BND verfas­sungs­widrigDerzeitige Überwachung der Telekom­mu­ni­kation von Ausländern im Ausland verstößt gegen Grundrechte

Das Bundes­verfas­sungs­ge­richts entschieden, dass die Überwachung der Telekom­mu­ni­kation von Ausländern im Ausland durch den Bundes­nachrichten­dienst an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermächtigungs­grundlagen gegen das grundrechtliche Telekom­mu­ni­kations­geheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstößt. Dies betrifft sowohl die Erhebung und Verarbeitung der Daten als auch die Übermittlung der hierdurch gewonnenen Daten an andere Stellen wie ebenfalls die Kooperation mit anderen ausländischen Nachrich­ten­diensten. Eine verfas­sungs­mäßige Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen der Ausland-Ausland-Fernmel­deauf­klärung (auch: "Ausland-Ausland Telekom­mu­ni­kations­überwachung") ist jedoch möglich.

Im vorliegenden Fall waren die Beschwer­de­führer, überwiegend ausländische Journalisten, die im Ausland über Menschrechts­ver­let­zungen in Krisengebieten oder autoritär regierten Staaten berichten. Mit ihrer Verfas­sungs­be­schwerde wenden sich die Beschwer­de­führer gegen die Neufassung des BND-Gesetzes aus dem Jahr 2016 und ihnen hierdurch drohende Überwa­chungs­maß­nahmen. Mit der Regelung wurde die bisherige Praxis der strategischen Überwachung der Telekom­mu­ni­kation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.

Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nicht nur auf Deutschland begrenzt

Nach der Entscheidung ist die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt. Jedenfalls der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf Ausländer im Ausland. Das gilt unabhängig davon, ob die Überwachung vom Inland oder vom Ausland aus erfolgt. Da der Gesetzgeber demgegenüber von der Unanwendbarkeit der Grundrechte ausgegangen ist, hat er den hieraus folgenden Anforderungen weder in formeller noch in inhaltlicher Hinsicht Rechnung getragen. Weder ist er hinsichtlich Art. 10 Abs. 1 GG dem Zitiergebot nachgekommen noch genügen die Vorschriften zentralen Anforderungen der Grundrechte in inhaltlicher Hinsicht.

Unabhängige Kontrollinstanz für BND-Auslands­über­wachung erforderlich

Insbesondere ist die Überwachung nicht auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt und durch diese kontrollfähig strukturiert; auch fehlt es an verschiedenen Schutz­vor­keh­rungen, etwa zum Schutz von Journalisten oder Rechtsanwälten. Hinsichtlich der Daten­über­mittlung fehlt es neben anderem an der Gewährleistung eines hinreichend gewichtigen Rechts­gü­ter­schutzes und ausreichender Eingriffs­schwellen. Entsprechend enthalten die Vorschriften zu den Kooperationen mit ausländischen Nachrich­ten­diensten keine hinreichenden Begrenzungen und Schutz­vor­keh­rungen. Hinsichtlich all dieser Befugnisse fehlt es zudem an einer ausgebauten unabhängigen objek­ti­v­recht­lichen Kontrolle. Eine solche Kontrolle muss als kontinuierliche Rechtskontrolle ausgestaltet sein und einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglichen.

Gesetzgeber muss bei der Auslands­über­wachung nachbessern

Bei verhält­nis­mäßiger Ausgestaltung ist das Instrument der strategischen Ausland-Ausland-Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung demgegenüber mit den Grundrechten des Grundgesetzes im Grundsatz vereinbar. Die beanstandeten Vorschriften gelten daher bis zum Jahresende 2021 fort, um dem Gesetzgeber eine Neuregelung unter Berück­sich­tigung der grund­recht­lichen Anforderungen zu ermöglichen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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