15.11.2024
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Dokument-Nr. 21173

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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.04.2015

Nicht­a­n­er­kennung eines Bluts­pen­de­dienstes als karitativer Tendenzbetriebt verfas­sungsgemäßBluts­pen­de­dienst unterliegt betrieblicher Mitbestimmung

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass die Nicht­a­n­er­kennung eines Bluts­pen­de­dienstes als karitativer Tendenzbetriebt mit der Verfassung vereinbar ist. Das Gericht nahm damit eine gegen einen Beschluss des Bundes­arbeits­gerichts gerichtete Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung an. Das Bundes­arbeits­gericht hatte die Tenden­zei­gen­schaft der Beschwer­de­führerin im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Betriebs­verfassungs­gesetz (BetrVG) verneint. Die enge Auslegung des Begriffs „karitativ“ durch das Bundes­arbeits­gericht, wonach der Dienst den leidenden Menschen direkt zugutekommen muss, ist verfassungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Beschwer­de­führerin des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt einen Bluts­pen­de­dienst in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung; sie ist steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt und den internationalen Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalb­mond­be­wegung verpflichtet. Das gesammelte menschliche Blut wird von ihr medizinisch getestet, aufbereitet und anschließend entgeltlich an Krankenhäuser oder Ärzte abgegeben. Im Ausgangs­ver­fahren hat das Bundes­a­r­beits­gericht letzt­in­sta­nzlich festgestellt, dass die Beschwer­de­führerin kein Tenden­z­un­ter­nehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ist und demnach ein Wirtschafts­aus­schuss (§§ 106 ff. BetrVG) gebildet werden muss.

Beschwer­de­führerin wird nicht als Einrichtung einer Religions- oder Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft tätig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nahm die dagegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung an und begründete seine Entscheidung wie folgt: Soweit die Beschwer­de­führerin eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG mit der Begründung rügt, ihre karitative Betätigung sei weltanschaulich fundiert, fehlt es an einer hinreichend substantiierten Begründung. Die Beschwer­de­führerin trägt weder vor noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie als Einrichtung einer Religions- oder Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft tätig würde. Sie wird von einer übergreifend karitativ-humanitären Bestimmung geleitet. Eine religiöse oder weltan­schauliche Dimension ist jedoch kein bestimmendes Element ihrer Tätigkeit.

Keine Verletzung des Willkürverbots

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot liegt nicht vor. Gegen den Gleichheitssatz wird nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung eines Fachgerichts fehlerhaft ist. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht.

Kein Grund zur Ausnahme von betrieblicher Mitbestimmung

Die enge Auslegung des Merkmals der karitativen Tätigkeit durch das Bundes­a­r­beits­gericht folgt anerkannten Grundsätzen, denn die Regelung normiert eine Ausnahme von der gesetz­ge­be­rischen Entscheidung zugunsten betrieblicher Mitbestimmung. Es ist insofern nicht zu beanstanden, wenn das Bundes­a­r­beits­gericht davon ausgeht, dass die Ausnahme von der Mitbestimmung nur greife, wenn bei einer karitativen Tätigkeit der Dienst an leidenden Menschen direkt erbracht wird. Auch spezielle Freihei­heits­rechte zwingen hier nicht zu einer Ausnahme von der betrieblichen Mitbestimmung.

Pflicht zur Mitbestimmung durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt

Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Die im Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz normierte Mitbestimmung ist mit Blick auf den sozialen Bezug des Unter­neh­mer­berufs, der nur mit Hilfe anderer ausgeübt werden kann, durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Vorliegend fehlen auch jedwede Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit der Beschwer­de­führerin durch die Bildung eines Wirtschafts­aus­schusses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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