21.11.2024
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Dokument-Nr. 9212

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Bundesverfassungsgericht Beschluss20.01.2010

BVerfG: Verfas­sungs­be­schwerde gegen Deckelung von Abmahnkosten unzulässigUnmittelbare Beein­träch­tigung durch Neuregelung im Urheber­rechts­gesetz nicht festzustellen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat eine Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Regelung des § 97 Abs. 2 UrhG, die den Koste­n­er­stat­tungs­an­spruch des Urhebers für eine anwaltliche Abmahnung wegen der Verletzung von Urheberrechten in einfach gelagerten Fällen auf 100,- EUR deckelt, für unzulässig erklärt. Der Beschwer­de­führer konnte nicht geltend machen, unmittelbar durch die angegriffene Vorschrift beeinträchtigt zu sein.

Der am 1. September 2008 in Kraft getretene § 97 a Abs. 2 Urheber­rechts­gesetz (UrhG) beschränkt den Koste­n­er­stat­tungs­an­spruch des Urhebers für eine anwaltliche Abmahnung wegen der Verletzung von im Urheber­rechts­gesetz geregelten Rechten in einfach gelagerten Fällen auf 100,- €. Vor dieser Geset­ze­s­än­derung konnten bei einer begründeten anwaltlichen Abmahnung die vollen Gebühren, die sich am Streitwert orientierten, vom Verletzer ersetzt verlangt werden.

Sachverhalt

Der Beschwer­de­führer veräußert bei eBay und in einem eBay-Shop gebrauchte Hifi-Geräte. Die dabei verwendeten Produktfotos stellt er mit erheblichem Aufwand selbst her. Weil diese Fotos von anderen eBay-Mitgliedern kopiert und im Rahmen eigener Auktionen verwendet wurden, beauftragte er einen Anwalt mit Abmahnungen. Die Abmahnungen waren teilweise außer­ge­richtlich erfolgreich, teilweise musste der Beschwer­de­führer seinen Unterlassungs- und Schaden­s­er­satz­an­spruch (§ 97 UrhG) gerichtlich durchsetzen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwer­de­führer eine von § 97 a Abs. 2 UrhG ausgehende Verletzung seines Grundrechts am geistigen Eigentum und eine unzulässige Rückwirkung, weil er nicht mehr die vollen Anwaltskosten für die Abmahnung vom Gegner erstattet erhält. Die Ansprüche von Urhebern bei Verletzung ihrer Rechte würden dadurch praktisch wertlos.

Beschwer­de­führer durch Vorschrift nicht unmittelbar beeinträchtigt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist unzulässig, weil der Beschwer­de­führer nicht geltend machen konnte, unmittelbar durch die angegriffene Vorschrift beeinträchtigt zu sein. Er nennt nicht einen konkreten Fall, in dem er unter Geltung des neuen § 97 a Abs. 2 UrhG nicht die vollen, von ihm aufgewendeten Anwaltsgebühren erstattet erhalten hat, und er beziffert auch nicht den ihm entstandenen oder voraussichtlich künftig entstehenden Schaden.

Beschwer­de­führer hätte sich zunächst an Fachgerichte wenden müssen

Vor einer Anrufung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts muss ein Beschwer­de­führer außerdem grundsätzlich die Fachgerichte mit seinem Anliegen befassen. Die fachge­richtliche Entscheidung verschiedener, durch die Neuregelung aufgeworfener Zweifelsfragen ist geeignet, die verfas­sungs­rechtliche Bewertung der Norm zu beeinflussen. Dabei macht der Beschwer­de­führer nicht geltend, dass schon das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel illegitim wäre, nämlich zu verhindern, dass die Verletzer von Urheberrechten in Bagatellfällen überzogene Anwaltshonorare bezahlen müssen. Dem Gesetzgeber muss Zeit gegeben werden, das mit der Neuregelung verfolgte Konzept auf seine Tauglichkeit und Angemessenheit hin zu beobachten. Dabei befinden sich auch die Honorarpraxis der Rechtsanwälte und mögliche, an der Neuregelung ausgerichtete Honorarmodelle noch in der Entwicklung.

Auslegung der Neuregelung auch für Altfälle möglich

Auch im Hinblick auf die gerügte „Rückwirkung“ der Norm ist derzeit eine Sachent­scheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht geboten. Denn in „Altfällen“ (Abmahnvorgänge, die vor Inkrafttreten des neuen § 97 a UrhG in Gang gesetzt, jedoch mangels Zahlung der Anwaltskosten durch den Verletzer nicht abgeschlossen wurden) dürfte eine Auslegung des § 97 a Abs. 2 UrhG möglich sein, welche die Urheber nicht ihres einmal entstandenen und somit als grund­recht­liches Eigentum geschützten Aufwen­dungs­er­stat­tungs­an­spruchs weitgehend beraubt.

Quelle: ra-online, BVerfG

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