23.11.2024
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Dokument-Nr. 12896

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Beschluss21.12.2011Bundesverfassungsgericht1 BvR 2007/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JA 2012, 312 (Stefan Muckel)Zeitschrift: Juristische Arbeitsblätter (JA), Jahrgang: 2012, Seite: 312, Entscheidungsbesprechung von Stefan Muckel
  • NJW 2012, 1062Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 1062
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Bundesverfassungsgericht Beschluss21.12.2011

Gesetzliches Sonnen­stu­dio­verbot für Minderjährige verfasungsgemäßVerfassungs­beschwerde gegen gesetzliches Sonnenstudio-Verbot erfolglos

Das Verbot zur Nutzung von Sonnenbänken in Sonnenstudios durch Minderjährige ist verfas­sungsgemäß. Die gesetzliche Regelung verletzt Minderjährige nicht in ihrer allgemeinen Handlungs­freiheit. Auch für Betreiber von Sonnenstudios stellt die Regelung keine unver­hält­nis­mäßige Einschränkung der Berufsausübung dar. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts hervor.

Die am 4. August 2009 in Kraft getretene Vorschrift des § 4 des Gesetzes zum Schutz vor nichti­o­ni­sie­render Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) bestimmt, dass Minderjährigen die Nutzung von Sonnenbänken in Sonnenstudios, ähnlichen Einrichtungen oder sonst öffentlich zugänglichen Einrichtungen nicht gestattet werden darf.

Beschwer­de­führer sehen sich in Handlungs­freiheit, elterlichen Grunderechten bzw. in der Berufsfreiheit verletzt

Die 1994 geborene Beschwer­de­führerin zu 1. nutzt gelegentlich öffentliche Solarien und sieht sich durch die Verbotsregelung in ihrer allgemeinen Handlungs­freiheit verletzt. Ihre Eltern, die Beschwer­de­führer zu 2. und 3., rügen die Verletzung ihres Eltern­grund­rechts, weil der nach ihrer Ansicht unver­hält­nis­mäßige Eingriff sie daran hindere, ihrer Tochter die Solariennutzung zu erlauben. Der Beschwer­de­führer zu 4. ist Betreiber eines Sonnenstudios und macht im Wesentlichen eine Verletzung seiner Berufsfreiheit geltend.

Beschwer­de­führer durch Verbot der öffentlichen Solariennutzung für Minderjährige nicht in Grundrechten verletzt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annah­me­vor­aus­set­zungen nicht vorliegen. Die Beschwer­de­führer sind durch das Verbot der öffentlichen Solariennutzung für Minderjährige nicht in ihren Grundrechten verletzt.

Verbot der Benutzung von Sonnenstudios legt Minderjährigen keine unzumutbare Einschränkung der allgemeinen Handlungs­freiheit auf

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Die Beschwer­de­führerin zu 1. wird durch das Nutzungsverbot nicht in ihrer allgemeinen Handlungs­freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, weil der Grund­recht­s­eingriff gerechtfertigt ist. Die Regelung verfolgt das legitime Ziel, Minderjährige vor UV-Strahlung zu schützen, die nach der verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers gerade im jugendlichen Alter Schäden an den Hautzellen verursachen kann, die zu Hautkrebs führen. Im Hinblick auf dieses wichtige Gemein­schafts­an­liegen ist das Nutzungsverbot verhältnismäßig. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass der Ausschluss dieser - neben der natürlichen UV-Strahlung durch die Sonne - zusätzlichen Bestrah­lungs­mög­lichkeit geeignet ist, eine deutliche Reduzierung der auf Kinder und Jugendliche einwirkenden UV-Strahlung zu erreichen. Die Regelung ist zur Verfolgung des angestrebten Ziels auch erforderlich. Angesichts des dem Gesetzgeber im Bereich der Gefah­ren­ver­hütung zustehenden Beurtei­lungs­spielraums ist seine auf wissen­schaft­lichen Untersuchungen beruhende Einschätzung nicht zu beanstanden, dass UV-Strahlung im Allgemeinen und bei Kindern und Jugendlichen im Besonderen eine für die Haut negative Wirkung vor allem im Hinblick auf die Entstehung und den Verlauf von Hautkrebs hat. Durch das Verbot der Benutzung von Sonnenstudios wird den Minderjährigen auch keine unzumutbare Einschränkung ihrer allgemeinen Handlungs­freiheit auferlegt. Das Verbot wirkt nur eingeschränkt, da den Minderjährigen die Möglichkeit des „Sonnenbadens“ im Freien und der Nutzung privater Solarien bleibt. Andererseits ist der Eingriff in die allgemeine Handlungs­freiheit für die betroffenen Minderjährigen keineswegs belanglos. Ihnen wird die Dispo­si­ti­o­ns­be­fugnis über die Gestaltung ihres Aussehens und ihrer Freizeit­ge­staltung teilweise genommen, ohne dass es sich dabei um ein gemein­wohl­schäd­liches Verhalten handelt. Zudem verfolgt die angegriffene Verbotsregelung mit dem Schutz vor selbst­schä­di­gendem Verhalten ein Ziel, das nur in besonders gravierenden Fällen in der Abwägung mit einem Eingriff in die allgemeine Handlungs­freiheit zu bestehen vermag. Denn diese umfasst gerade auch im Freizeitbereich die Freiheit, Handlungen vorzunehmen, die gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Anderes gilt jedoch im Bereich des Jugendschutzes, der als Recht­fer­ti­gungsgrund für Grund­recht­s­ein­griffe im Grundgesetz ausdrücklich anerkannt ist. Das verfas­sungs­rechtlich bedeutsame Interesse an einer ungestörten Entwicklung der Jugend berechtigt den Gesetzgeber zu Regelungen, durch welche der Jugend drohende Gefahren abgewehrt werden. Da Aufklä­rungs­kam­pagnen und freiwillige Selbst­ver­pflich­tungen bislang nicht den gewünschten Erfolg hatten, musste der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass Minderjährige schon vor der Vollendung des 18. Lebensjahres die notwendige Einsichts­fä­higkeit haben, den Besuch von Sonnenstudios und ähnlichen Einrichtungen aus freien Stücken zu unterlassen.

Eingriff in grundrechtlich geschützte Erziehungsrecht der Eltern gerechtfertigt

Der durch das Sonnenstudio-Verbot bewirkte Eingriff in das nach Art. 6 Abs. 2 GG grundrechtlich geschützte Erziehungsrecht der Beschwer­de­führer zu 2. und 3. ist ebenfalls gerechtfertigt. Es bleibt den Eltern unbenommen, ihrem Kind im privaten Lebensbereich den Zugang zu einer UV-Bestrahlung zu eröffnen, wenn sie dies für verantwortbar und richtig halten. Angesichts der daher geringen Eingriff­sin­tensität durfte der Gesetzgeber sich auf ein umfassendes, nicht nach Altersgruppen und daran anknüpfende Einver­ständ­nis­pflichten diffe­ren­zie­rendes und damit für alle Beteiligten leicht praktikables Verbot entscheiden.

Einschränkung der Berufsausübung für Sonnen­stu­dioe­treiber durch gesetzliche Regelung unver­hält­nismäßig

Schließlich ist auch der Beschwer­de­führer zu 4. durch das Nutzungsverbot von Sonnenstudios für Minderjährige nicht in seinem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. In Anbetracht der hohen Bedeutung des Jugendschutzes und der vom Gesetzgeber vertretbar eingeschätzten Gefahr, die Kindern und Jugendlichen durch die Nutzung von Sonnenbänken droht, erweist sich die mit der Regelung verbundene Einschränkung der Berufsausübung für die Betreiber von Sonnenstudios ebenfalls nicht als unver­hält­nismäßig.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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