21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss08.12.2015

Sexuelle Handlungen mit Tieren dürfen mit Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werdenDurch Verbot bewirkter Eingriff in sexuelles Selbst­bestimmungs­recht verfassungs­rechtlich gerechtfertigt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde gegen einen Ordnungs­widrigkeiten­tat­bestand im Tierschutz­gesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Danach können sexuelle Handlungen mit Tieren, durch die sie zu einem artwidrigen Verhalten gezwungen werden, mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Die zwei Beschwer­de­führer fühlen sich zu Tieren sexuell hingezogen. In Anbetracht des vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzwecks ist der durch das Verbot bewirkte Eingriff in das sexuelle Selbst­bestimmungs­recht der Beschwer­de­führer verfassungs­rechtlich gerechtfertigt. Der Ordnungs­widrigkeiten­tat­bestand genügt darüber hinaus den Anforderungen des Bestimmt­heits­gebots.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Verfas­sungs­be­schwerde richtet sich gegen § 3 Satz 1 Nr. 13 des Tierschutz­ge­setzes (TierSchG), wonach es verboten ist, ein Tier für eigene sexuelle Handlungen zu nutzen oder für sexuelle Handlungen Dritter abzurichten oder zur Verfügung zu stellen und dadurch zu artwidrigem Verhalten zu zwingen. Verstöße können nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 TierSchG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden.

BVerfG nimmt Beschwerde nicht zur Entscheidung an

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen und entschieden, dass die angegriffenen Vorschriften nicht gegen den Bestimmt­heits­grundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Der Tatbestand des § 3 Satz 1 Nr. 13 TierSchG wird in doppelter Hinsicht durch die Merkmale der "sexuellen Handlung" und des "Zwingens" zu einem "artwidrigen Verhalten" begrenzt. Diese unbestimmten Geset­zes­be­griffe sind zwar weder im angegriffenen Tierschutz­gesetz noch in der Geset­zes­be­gründung definiert. Sie sind aber der näheren Deutung im Wege der Auslegung zugänglich; die Bedeutung etwa des Begriffs des "Zwingens" ergibt sich im Zusammenhang des Gesetzes in Abgrenzung zu einem bloßen "Abverlangen" und setzt ein Verhalten voraus, welches mit der Anwendung von körperlicher Gewalt vergleichbar ist. Auch im Übrigen ist davon auszugehen, dass im Wesentlichen Einigkeit über den Bedeu­tungs­gehalt der Begriffe besteht und sie in Anknüpfung an den Alltags­sprach­ge­brauch durch die Gerichte weiter konkretisiert werden können.

Grundrecht auf sexuelle Selbst­be­stimmung nicht verletzt

Die angegriffenen Vorschriften verletzen nicht das Grundrecht der Beschwer­de­führer auf sexuelle Selbst­be­stimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG). Der Einzelne muss, soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebens­ge­staltung eingegriffen wird, staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­gebots ergriffen werden. So liegt es hier.

Schutz des Wohlbefindens von Tieren muss gewahrt werden

Der Schutz des Wohlbefindens von Tieren durch einen Schutz vor artwidrigen sexuellen Übergriffen ist ein legitimes Ziel. Diesem in § 1 Satz 1 TierSchG zum Ausdruck kommenden Grundprinzip kommt nach Art. 20a GG Verfassungsrang zu. Es liegt im - grundsätzlich weiten - Einschätzungs- und Beurtei­lungs­spielraum des Gesetzgebers, zum Wohlbefinden der Tiere und ihrer artgerechten Haltung auch den Schutz vor erzwungenen sexuellen Übergriffen zu rechnen.

Norm bezieht sich nicht auf Strafrecht sondern auf bloße Ordnungs­wid­rigkeit

Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Insbesondere steht die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zum erstrebten Erfolg. Zwar greift § 3 Satz 1 Nr. 13 TierSchG in die sexuelle Selbst­be­stimmung der Beschwer­de­führer ein. Jedoch greift der Tatbestand nur, wenn das Tier zu einem artwidrigen Verhalten gezwungen wird. Zudem bedient sich der Gesetzgeber hier nicht des Strafrechts, sondern gestaltet die Norm als bloße Ordnungs­wid­rigkeit aus, deren Verfolgung und Ahndung dem Oppor­tu­ni­täts­prinzip (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 des Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ge­setzes) folgt und damit im pflichtgemäßen Ermessen der Verfol­gungs­behörde liegt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss22245

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI