21.11.2024
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Dokument-Nr. 30643

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Beschluss28.07.2021Bundesverfassungsgericht1 BvR 1727/17, 1 BvR 1746/17, 1 BvR 1729/17 und 1 BvR 1728/17
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Bundesverfassungsgericht Beschluss28.07.2021

Erfolglose Verfassungs­beschwerden gegen einzelne Vorschriften des Kulturgu­tschutz­gesetzesAnforderungen an Subsidiarität nicht erfüllt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat mehrere Verfassungs­beschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen einzelne Vorschriften des Gesetzes zum Schutz von Kulturgut (Kulturgut­schutz­gesetz - KGSG) richteten. Die Verfassungs­beschwerden sind unzulässig, weil sie insbesondere nicht die Subsidiaritäts­anforderungen erfüllen.

Mit dem am 6. August 2016 in Kraft getretenen Kultur­gut­schutz­gesetz wurde eine umfassende Neuregelung des Rechts des Kultur­gut­schutzes angestrebt. Es enthält Regelungen über die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern, die Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern sowie über das Inver­kehr­bringen von Kulturgütern und die dabei vom Handel zu beachtenden Sorgfalts­pflichten. § 21 Nr. 2, § 24 Abs. 1 KGSG verbietet die Ausfuhr jeglichen Kulturguts, das die angeführten Wert- und Altersgrenzen überschreitet. Es besteht jedoch ein Geneh­mi­gungs­vor­behalt. § 28 KGSG normiert ein strafbewehrtes Einfuhrverbot bei illegaler Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat. Es findet keine Anwendung auf Kulturgut, das sich zum 6. August 2016 rechtmäßig im Bundesgebiet befunden hat, soweit nicht unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union Abweichendes anordnen. § 21 Nr. 3 KGSG enthält ein Ausfuhrverbot nach einer unrechtmäßigen Einfuhr. § 40 KGSG verbietet das Inver­kehr­bringen von abhan­den­ge­kommenem, rechtswidrig ausgegrabenem oder unrechtmäßig eingeführtem Kulturgut und knüpft umfangreiche zivilrechtliche Folgen daran, unter anderem die Nichtigkeit von Verpflichtungs- und Verfü­gungs­ge­schäften über solches Kulturgut. § 42 Abs. 1 KGSG regelt zudem besondere Sorgfalts­pflichten für das gewerbliche Inver­kehr­bringen von Kulturgut. Bei den Beschwer­de­füh­re­rinnen handelt es sich um Kunst- und Antiqui­tä­ten­händler sowie Auktionshäuser, die unter anderem einen Verstoß gegen ihre Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und ihr Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG geltend machen. Sie rügen zudem überwiegend eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.

BVerfG: Verfas­sungs­be­schwerden unzulässig - Zunächst müssen Fachgerichte angerufen werden

Das BVerfG hat die Verfas­sungs­be­schwerden als unzulässig verworfen. Das Vorbringen erfüllt bereits teilweise nicht die Anforderungen an die eigene Betroffenheit und zeigt keinen möglichen Verstoß gegen die Eigen­tums­freiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG auf. Darüber hinaus wahren die Verfas­sungs­be­schwerden nicht die Subsi­dia­ri­täts­an­for­de­rungen, von deren Erfüllung die Beschwer­de­füh­re­rinnen auch nicht deshalb befreit sind, weil sie einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG wegen mangelnder Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes rügen. Die angegriffenen Regelungen enthalten ausle­gungs­be­dürftige und -fähige Rechtsbegriffe, zu deren Auslegung und Anwendung zunächst die Fachgerichte berufen sind.

Fachge­richtliche Auslegung der Vorschriften notwendig

Zur Klärung der fachrechtlichen Maßstäbe erweist sich zunächst eine fachge­richtliche Auslegung des „zumutbaren Aufwands“ gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 KGSG und seiner Auswirkungen auf die Verhält­nis­mä­ßigkeit der Anforderungen beim gewerblichen Inver­kehr­bringen von Kulturgütern (§ 44 KGSG) als notwendig. Auch besteht ein fachge­richt­licher Klärungsbedarf für das Merkmal des Abhandenkommens in § 40 Abs. 1 KGSG, das anzuwendende ausländische Fachrecht gemäß § 28 Nr. 1, § 30 KGSG sowie die Aufzeich­nungs­pflicht nach § 45 KGSG. Das Ausfuhrverbot mit Geneh­mi­gungs­vor­behalt aus § 21 Nr. 2, § 24 Abs. 1 KGSG erfordert ebenfalls eine fachge­richtliche Klärung, ohne die nicht zu erkennen ist, ob massive Verzögerungen in einer signifikanten Anzahl von Fällen auftreten, die kurzfristige Ausfuhren unmöglich machten.

Mögliche Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb vorab zu überprüfen

Zunächst geklärt werden muss zudem, ob die in § 24 Abs. 7 KGSG vorgeschriebene Zehn-Tages-Frist für die Bearbeitung der Ausfuhranträge und die Möglichkeit der Inanspruchnahme von verwal­tungs­ge­richt­lichem Eilrechtsschutz nicht ausreichen, um Beschleu­ni­gungs­er­for­der­nissen des Handels ausreichend Rechnung zu tragen. Den Fachgerichten bleibt auch die Klärung der in den Verfas­sungs­be­schwerden vorgebrachten Befürchtung überlassen, wegen ungewisser oder mangelnder Ausfuhr­fä­higkeit eines Kulturguts sinke die Nachfrage aus dem Ausland, so dass ein erheblicher Wettbe­wer­bs­nachteil im international ausgerichteten Kunsthandel entstehe.

Fachge­richtliche Prüfung der Erfahrungen mit Auswirkungen des Gesetzes notwendig

Ohne eine vorherige fachge­richtliche Prüfung der Erfahrungen seit Inkrafttreten des Gesetzes kann auch nicht beurteilt werden, inwiefern die Beschwer­de­füh­re­rinnen angesichts der Stich­tags­re­ge­lungen (§ 29 Nr. 1, § 32 Abs. 1 KGSG) durch das Ausfuhrverbot unver­hält­nismäßig belastet sind. Einer fachge­richt­lichen Prüfung der Entwicklung seit Inkrafttreten des Gesetzes bedarf es letztlich auch im Hinblick auf den wirtschaftlich zumutbaren Aufwand zur Erfüllung der Prüfungspflicht für die Provenienz von Kulturgut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 KGSG.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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