18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss11.06.2010

Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Nichtgewährung einer Hinter­blie­be­nenrente bei eingetragener Leben­s­part­ner­schaft erfolglosRückwirkende Auszahlung der gesetzlichen Hinter­blie­be­nenrente bei eingetragener Leben­s­part­ner­schaft für die Zeit vor Gleichstellung mit verwitweten Ehegatten nicht möglich

Die Auszahlung der gesetzlichen Hinter­blie­be­nenrente beim Tod eines Partners einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft ist erst ab dem Jahr 2005 möglich. Eine Rückwirkende Auszahlung ist ausgeschlossen. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und nahm eine hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde eines nicht zur Entscheidung an.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls schloss im Oktober 2001 eine eingetragene Leben­s­part­ner­schaft. Nach dem Tod des anderen Mitglieds der Leben­s­part­ner­schaft im Juni 2002 beantragte der Beschwer­de­führer die Gewährung einer Hinter­blie­be­nenrente bei dem zuständigen Träger der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung. Dieser lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass Voraussetzung für die Zahlung einer Hinter­blie­be­nenrente unter anderem das Bestehen einer gültigen Ehe zur Zeit des Todes des Versicherten sei und eine eingetragene Leben­s­part­ner­schaft diese Voraussetzung nicht erfülle.

Gesetzgeber stellt mit Wirkung zum 1. Januar 2005 hinterbliebene Lebenspartner bezüglich der Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung dem verwitweten Ehegatten gleich

Das Wider­spruchs­ver­fahren sowie die Klage des Beschwer­de­führers vor dem Sozialgericht blieben erfolglos. Der Beschwer­de­führer legte die dagegen zugelassene Sprungrevision ein. Während des Revisi­ons­ver­fahrens stellte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Gesetz zur Überarbeitung des Leben­s­part­ner­schafts­rechts vom 15. Dezember 2004 die hinterbliebenen Lebenspartner bezüglich der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung dem verwitweten Ehegatten durch die Einfügung des § 46 Abs. 4 Sozial­ge­setzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gleich. Der Renten­ver­si­che­rungs­träger erkannte daraufhin den vom Beschwer­de­führer geltend gemachten Anspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 an. Der Beschwer­de­führer nahm dieses Teila­n­er­kenntnis an, führte den Rechtsstreit aber für die Zeit vom 22. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2004 weiter. Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Revision zurück.

Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen – Gesetzgeber nicht zu rückwirkenden Neuregelung verpflichtet

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Selbst wenn die bis zum 31. Dezember 2004 geltende gesetzliche Regelung zur Hinter­blie­be­nenrente im Hinblick auf die eingetragene Leben­s­part­ner­schaft nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, wäre die Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde zur Entscheidung nicht angezeigt, da der Gesetzgeber nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet wäre.

Frage, ob die bis zum 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 46 SGB VI mit Grundgesetz vereinbar ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde liegen nicht vor. Die hier aufgeworfene Frage, ob die bis zum 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 46 SGB VI mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Für nicht mehr geltendes Recht besteht in der Regel kein über den Einzelfall hinaus­grei­fendes Interesse, seine Verfas­sungs­mä­ßigkeit auch noch nach seinem Außer­kraft­treten zu klären. Die Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte oder grund­rechts­gleichen Rechte des Beschwer­de­führers angezeigt, weil er mit seinem zuletzt noch verfolgten Begehren – der Gewährung von Hinter­blie­be­nenrente für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 – keinen Erfolg mehr haben kann. Dabei kann dahinstehen, ob § 46 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar war. Beruht die Verfas­sungs­wid­rigkeit eines Gesetzes ausschließlich auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, namentlich darauf, dass – wie der Beschwer­de­führer geltend macht – eine Personen- oder Fallgruppe in eine begünstigende Regelung nicht einbezogen worden ist, kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nur die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellen und dem Gesetzgeber eine gesetzliche Neuregelung auferlegen.

Erstreckung der Renten­ver­si­cherung auf eingetragene Leben­s­part­ner­schaften für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 bislang verfas­sungs­rechtlich nicht geklärt

Im vorliegenden Fall käme jedoch ein Neure­ge­lungs­auftrag an den Gesetzgeber allenfalls für die Zeit ab der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes in Betracht und damit für einen Zeitraum, der zwischen den Beteiligten des Ausgangs­ver­fahrens nicht mehr streitig ist. Eine Pflicht des Gesetzgebers zur rückwirkenden Beseitigung eines mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Rechtszustandes hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bislang unter anderem in Fällen verneint, in denen die Verfas­sungs­rechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war. Dies ist hier der Fall. Denn die Frage, ob der Gesetzgeber verpflichtet gewesen war, die Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung schon in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 auf eingetragene Leben­s­part­ner­schaften zu erstrecken, ist bislang verfas­sungs­rechtlich nicht geklärt. Auch die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Gleichstellung von eingetragener Leben­s­part­ner­schaft und Ehe in der betrieblichen Alters­ver­sorgung bezieht sich nur auf den Zeitraum seit dem 1. Januar 2005 (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 -). Angesichts der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gleichstellung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern bezüglich der Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung bedarf es keiner Klärung mehr.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss9945

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI