23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss11.06.2010

Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Nichtgewährung einer Hinter­blie­be­nenrente bei eingetragener Leben­s­part­ner­schaft erfolglosRückwirkende Auszahlung der gesetzlichen Hinter­blie­be­nenrente bei eingetragener Leben­s­part­ner­schaft für die Zeit vor Gleichstellung mit verwitweten Ehegatten nicht möglich

Die Auszahlung der gesetzlichen Hinter­blie­be­nenrente beim Tod eines Partners einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft ist erst ab dem Jahr 2005 möglich. Eine Rückwirkende Auszahlung ist ausgeschlossen. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und nahm eine hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde eines nicht zur Entscheidung an.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls schloss im Oktober 2001 eine eingetragene Leben­s­part­ner­schaft. Nach dem Tod des anderen Mitglieds der Leben­s­part­ner­schaft im Juni 2002 beantragte der Beschwer­de­führer die Gewährung einer Hinter­blie­be­nenrente bei dem zuständigen Träger der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung. Dieser lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass Voraussetzung für die Zahlung einer Hinter­blie­be­nenrente unter anderem das Bestehen einer gültigen Ehe zur Zeit des Todes des Versicherten sei und eine eingetragene Leben­s­part­ner­schaft diese Voraussetzung nicht erfülle.

Gesetzgeber stellt mit Wirkung zum 1. Januar 2005 hinterbliebene Lebenspartner bezüglich der Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung dem verwitweten Ehegatten gleich

Das Wider­spruchs­ver­fahren sowie die Klage des Beschwer­de­führers vor dem Sozialgericht blieben erfolglos. Der Beschwer­de­führer legte die dagegen zugelassene Sprungrevision ein. Während des Revisi­ons­ver­fahrens stellte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Gesetz zur Überarbeitung des Leben­s­part­ner­schafts­rechts vom 15. Dezember 2004 die hinterbliebenen Lebenspartner bezüglich der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung dem verwitweten Ehegatten durch die Einfügung des § 46 Abs. 4 Sozial­ge­setzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gleich. Der Renten­ver­si­che­rungs­träger erkannte daraufhin den vom Beschwer­de­führer geltend gemachten Anspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 an. Der Beschwer­de­führer nahm dieses Teila­n­er­kenntnis an, führte den Rechtsstreit aber für die Zeit vom 22. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2004 weiter. Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Revision zurück.

Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen – Gesetzgeber nicht zu rückwirkenden Neuregelung verpflichtet

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Selbst wenn die bis zum 31. Dezember 2004 geltende gesetzliche Regelung zur Hinter­blie­be­nenrente im Hinblick auf die eingetragene Leben­s­part­ner­schaft nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, wäre die Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde zur Entscheidung nicht angezeigt, da der Gesetzgeber nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet wäre.

Frage, ob die bis zum 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 46 SGB VI mit Grundgesetz vereinbar ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde liegen nicht vor. Die hier aufgeworfene Frage, ob die bis zum 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 46 SGB VI mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Für nicht mehr geltendes Recht besteht in der Regel kein über den Einzelfall hinaus­grei­fendes Interesse, seine Verfas­sungs­mä­ßigkeit auch noch nach seinem Außer­kraft­treten zu klären. Die Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte oder grund­rechts­gleichen Rechte des Beschwer­de­führers angezeigt, weil er mit seinem zuletzt noch verfolgten Begehren – der Gewährung von Hinter­blie­be­nenrente für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 – keinen Erfolg mehr haben kann. Dabei kann dahinstehen, ob § 46 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar war. Beruht die Verfas­sungs­wid­rigkeit eines Gesetzes ausschließlich auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, namentlich darauf, dass – wie der Beschwer­de­führer geltend macht – eine Personen- oder Fallgruppe in eine begünstigende Regelung nicht einbezogen worden ist, kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nur die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellen und dem Gesetzgeber eine gesetzliche Neuregelung auferlegen.

Erstreckung der Renten­ver­si­cherung auf eingetragene Leben­s­part­ner­schaften für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 bislang verfas­sungs­rechtlich nicht geklärt

Im vorliegenden Fall käme jedoch ein Neure­ge­lungs­auftrag an den Gesetzgeber allenfalls für die Zeit ab der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes in Betracht und damit für einen Zeitraum, der zwischen den Beteiligten des Ausgangs­ver­fahrens nicht mehr streitig ist. Eine Pflicht des Gesetzgebers zur rückwirkenden Beseitigung eines mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Rechtszustandes hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bislang unter anderem in Fällen verneint, in denen die Verfas­sungs­rechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war. Dies ist hier der Fall. Denn die Frage, ob der Gesetzgeber verpflichtet gewesen war, die Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung schon in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 auf eingetragene Leben­s­part­ner­schaften zu erstrecken, ist bislang verfas­sungs­rechtlich nicht geklärt. Auch die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Gleichstellung von eingetragener Leben­s­part­ner­schaft und Ehe in der betrieblichen Alters­ver­sorgung bezieht sich nur auf den Zeitraum seit dem 1. Januar 2005 (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 -). Angesichts der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gleichstellung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern bezüglich der Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung bedarf es keiner Klärung mehr.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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