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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.02.2023
Verfassungsbeschwerden gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung erfolglosBeschwerdevorbringen nicht hinreichend substantiiert und daher unzulässig
Das Bundesverfassungsgericht hat drei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Diese richteten sich unmittelbar gegen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und der Strafprozessordnung (StPO), die die anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten auf Vorrat (sogenannte anlasslose Vorratsdatenspeicherung) vorsahen. Aus den Begründungen der Verfassungsbeschwerden geht nicht hervor, inwieweit nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht. Der EuGH hatte darin die gesetzliche Pflicht von Telekommunikationsdienstleistern in Deutschland zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung für unionsrechtswidrig erklärt.
Die Beschwerdeführenden wenden sich gegen die gesetzlichen Vorschriften über die anlasslose Vorratsspeicherung, ursprünglich insbesondere geregelt in § 113 b Abs. 1 bis 4 sowie § 113 c Abs. 1 TKG und § 100 g Abs. 2 sowie § 100 g Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 100 g Abs. 2 StPO. Zur Begründung machten sie geltend, die darin vorgesehene Speicherung ihrer Verkehrsdaten verstoße unter anderem gegen ihre Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG (Telekommunikationsfreiheit), Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit). Seit Juni 2021 finden sich die hier maßgeblichen Vorschriften ihrem Inhalt nach in § 176 Abs. 1 bis 4 sowie § 177 Abs. 1 TKG n. F. und § 100 g Abs. 2 sowie § 100 g Abs. 3 in Verbindung mit § 100 g Abs. 2 StPO n. F. Dem Verfahren ging ein Vorlagebeschluss des BVerwG an den EuGH und dessen klärende Vorabentscheidung voraus.
BVerfG weist Verfassungsbeschwerden gegen Vorratsdatenspeicherung als unzulässig ab
Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig und haben damit keine Aussicht auf Erfolg. Beschwerdeführende sind angehalten, ihre Verfassungsbeschwerden bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch nachträglich zu ergänzen. Sie trifft eine Begründungslast für das (Fort-)Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen. Dieser Begründungslast sind die Beschwerdeführenden nicht nachgekommen, obschon Anlass dafür bestand, von einer entscheidungserheblichen Veränderung der Sach- und Rechtslage auszugehen. Sie waren jedenfalls nach dem Urteil des EuGH vom 20. September 2022 gehalten, ihren Vortrag substantiiert dahingehend zu ergänzen, ob und inwieweit ihr Rechtsschutzbedürfnis weiter fortbestand. Auf diese Vorlage hin hat der EuGH mit Urteil vom 20. September 2022 im Wesentlichen entschieden, dass die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation im Lichte von Art. 7 (Achtung des Privatlebens), Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 11 (Freiheit der Meinungsäußerung) sowie von Art. 52 Abs. 1 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehe, die präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsähen. Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten sei nur unter verschiedenen engen Voraussetzungen zulässig.
Beschwerdevorbringen nicht hinreichend substantiiert
Grundsätzlich gibt es für eine Überprüfung einer nationalen Norm im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde kein Bedürfnis, wenn schon feststeht, dass die Norm dem Unionsrecht widerspricht und deshalb innerstaatlich nicht angewendet werden darf. Jedenfalls nach dem Ergehen des Urteils des EuGH musste es sich den Beschwerdeführenden aufdrängen, zur Frage ihres fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses nachzutragen. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Vorlagebeschluss vom 25. September 2019 die Aussetzung des Verfahrens und die notwendige Vorlage an den EuGH ausdrücklich in Hinblick auf den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts mit einer möglichen Unanwendbarkeit der vorliegend angegriffenen Vorschriften begründet. Um den Substantiierungsanforderungen zu genügen, hätten die Beschwerdeführenden vor diesem Hintergrund vortragen müssen, inwieweit noch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Prüfung der angegriffenen Vorschriften am Maßstab des Grundgesetzes fortbestehen sollte. Unerheblich ist dabei, dass die Regelungen zwischenzeitlich neugefasst wurden. Zum einen ging hiermit gerade keine inhaltliche Änderung einher, zum anderen erstreckte sich die Vorlagefrage auf das insoweit unverändert gebliebene Regelungskonzept der deutschen anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Die Relevanz weiteren Vortrags hätte sich aber umso mehr aufdrängen müssen, als die Beschwerdeführenden wegen bestehender Zweifel an der Unionsrechtskonformität mit ihren Verfassungsbeschwerden ursprünglich selbst angeregt hatten, dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Unionsrecht vorzulegen. Nachdem dieser die Frage der (Un)Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht geklärt hat, haben die Beschwerdeführenden sich jedoch nicht mehr verhalten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.04.2023
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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