21.11.2024
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Dokument-Nr. 8279

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Beschluss25.08.2009Bundesverfassungsgericht1 BvR 134/03
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2009, 480Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2009, Seite: 480
  • NJW-RR 2010, 470Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2010, Seite: 470
  • WM 2009, 1706Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2009, Seite: 1706
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss25.08.2009

Verfas­sungs­be­schwerde wegen Haftung für in einer Presseschau veröffentlichte Fremdbeiträge nicht zur Entscheidung angenommen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat eine Verfas­sungs­be­schwerde wegen Haftung für in einer Presseschau veröffentlichte Fremdbeiträge nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Beschwer­de­führerin verlegt eine Zeitschrift, die sich mit dem Börsengeschehen befasst. Im November 2000 veröffentlichte sie innerhalb der ständigen Rubrik „Meinungen - Presseschau - Nachrichten“, in der sie regelmäßig als solche gekennzeichnete fremde Berichte anderer Presseorgane wiedergibt, Auszüge aus einer zuvor in einer Tageszeitung erschienenen Berich­t­er­stattung, die sich mit einem straf­recht­lichen Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den Kläger des Ausgangs­ver­fahrens wegen des Verdachts der verbotenen Insider­ge­schäfte und des Betruges zum Nachteil von Kapitalanlegern befasst. Das Strafverfahren wurde kurz darauf durch die Staats­an­walt­schaft eingestellt, da eine Beteiligung des Klägers an den seinem Mitarbeiter vorgeworfenen Taten nicht nachgewiesen werden könne.

Landgericht Hamburg verurteilte die Zeitschrift zur Unterlassung

Das Landgericht Hamburg verurteilte die Beschwer­de­führerin zur Unterlassung der in der beanstandeten Wiedergabe des Fremdberichtes enthaltenen Tatsa­chen­be­hauptung, der Kläger sei an den betreffenden Taten beteiligt gewesen. Diese Behauptung komme zwar nicht offen, wohl aber verdeckt in der beanstandeten Presseschau zum Ausdruck. Ob in dieser auszugsweisen Darstellung eine eigene Erklärung der Beschwer­de­führerin zu sehen sei, könne offen bleiben, da sie jedenfalls als Verbreiterin fremder Äußerungen hafte. Eine Distanzierung, welche die Verbreiterhaftung ausschließen könne, liege hinreichend weder in der Veröf­fent­li­chungsform der kenntlich gemachten Wiedergabe fremder Beiträge innerhalb einer Presseschau, noch werde sie in genügender Weise durch den Hinweis bewirkt, die Beschwer­de­führerin zitiere an dieser Stelle nur fremde Meinungen und enthalte sich der eigenen Stellungnahme. Angesichts ihres Verschuldens sei die Beschwer­de­führerin auch dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.

Hanseatische Oberlan­des­gericht Hamburg wies Berufung zurück

Das Hanseatische Oberlan­des­gericht Hamburg wies die hiergegen gerichtete Berufung zurück. Mit Veröf­fent­lichung ihrer Presseschau habe die Beschwer­de­führerin auch nicht einen "Markt der Meinungen" eröffnet, der einer Verbrei­ter­haftung entgegenstehe könne, denn die beanstandete Wiedergabe des Fremdberichts sei thematisch isoliert und gerade nicht im Rahmen einer Zusam­men­stellung verschiedener Äußerungen zu demselben Thema veröffentlicht worden.

BVerfG nicht Verfas­sungs­be­schwerde nicht an

Die Verfas­sungs­be­schwerde, mit der die Beschwer­de­führerin insbesondere eine Verletzung ihrer Grundrechte auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) rügt, hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen. Die angegriffenen Entscheidungen begegnen allerdings Bedenken, soweit die Verurteilung zu Unterlassung und Schadensersatz auf eine unein­ge­schränkte Verbrei­ter­haftung gestützt wurde. Verfas­sungs­rechtlich ist es zwar dem Grundsatz nach nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte demjenigen, der die Äußerung eines Dritten verbreitet, ohne sie sich zu eigen zu machen, die Pflicht auferlegen, sich vom Wahrheitsgehalt der weitergegebenen Tatsa­chen­be­haup­tungen zu vergewissern. Auch bei Bemessung derjenigen Sorgfalts­pflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, darf die Wahrheits­pflicht aber nicht überspannt werden, um den von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten freien Kommu­ni­ka­ti­o­ns­prozess nicht einzuschnüren. Eine Presseschau beziehungsweise ein Pressespiegel stellt ein klassisches Instrument der Presse­be­rich­t­er­stattung dar, um dem Mediennutzer einen Überblick über das in der Presse referierte oder vertretene Meinungs­spektrum zu einem aktuellen Thema zu vermitteln. Ungeachtet dessen, ob eine solche Veröf­fent­lichung in Form einer gegen­über­stel­lenden Darstellung verschiedener Meinungen und Standpunkte zu einem bestimmten Thema erfolgt, die in der fachge­richt­lichen Rechtsprechung in Anwendung der Rechtsfigur der Eröffnung eines Marktes der Meinungen bereits eine Privilegierung durch Einschränkung der Haftung des Veröf­fent­li­chenden als Verbreiter erfährt, oder ob die Presseschau sich auf die Wiedergabe thematisch für sich stehender Fremdberichte beschränkt, nimmt die Presse auf diese Weise ihre Aufgabe wahr, in Ausübung der Meinungs­freiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken. Bereits aus der äußeren Form einer Presseschau, die in einer eigenständigen Rubrik publiziert wird und sich unter exakter Quellenangabe sowie Verzicht auf sprachliche Eleganz auf knappe Auszüge fremder Berichte beschränkt, ergibt sich aus Sicht des unvor­ein­ge­nommenen Lesers im Übrigen, dass an dieser Stelle ein Fremdbericht in stark verkürzter Form wiedergegeben wird, dem keine eigenen Recherchen des Verbreiters zu Grunde liegen. Aus verfas­sungs­recht­licher Sicht ist daher zumindest zweifelhaft, ob im Fall einer Presseschau den Verbreiter die Recher­che­pflicht uneingeschränkt trifft beziehungsweise ob nicht die eindeutige Kennzeichnung als gekürzter Fremdbericht im Regelfall als hinreichende Distanzierung anzusehen ist. Die angegriffenen Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass die Fachgerichte bei Bemessung der Sorgfalts- oder Distan­zie­rungs­pflichten des Verbreiters die Ausstrah­lungs­wir­kungen des Grundrechts der Meinungs­freiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG hinreichend berücksichtigt haben. Ebenso ist ihren Gründen nicht zu entnehmen, dass die Fachgerichte den Verbürgungen des Art. 10 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung, die sie durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfahren haben und die einer von den Gerichten angenommenen generellen Obliegenheit, sich von dem Inhalt einer wiedergegebenen Fremd­be­rich­t­er­stattung zu distanzieren, möglicherweise entgegenstehen, hinreichend Rechnung getragen haben.

Endgültige Entscheidung nicht notwendig

Einer endgültigen Entscheidung bedürfen die aufgeworfenen verfas­sungs­recht­lichen Fragen allerdings nicht, da deutlich absehbar ist, dass die Beschwer­de­führerin auch bei Zurück­ver­weisung in der Sache keinen Erfolg haben wird. Die Fachgerichte haben bei Beurteilung des den Schaden­s­er­satz­an­spruch tragenden Verschuldens in verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Beschwer­de­führerin durch Auslassung wesentlicher Tatsachen den Sinngehalt des Ursprungs­bei­trages verfälscht hat. Die darin liegende grobe Verletzung der pressemäßigen Sorgfalts­pflichten, die mit Rücksicht auf das Persön­lich­keitsrecht des von der wiedergegebenen Berich­t­er­stattung Betroffenen auch bei Verbreitung fremder Äußerungen in einer Presseschau Beachtung verlangen, ist geeignet, die angegriffenen Entscheidungen ungeachtet einer eventuell eingeschränkten Recher­che­pflicht oder einer eventuellen Distanzierung von der Richtigkeit der selektiv wiedergegebenen Tatsa­chen­be­haup­tungen im Rahmen einer Abwägung zu tragen. Die Entscheidungen lassen auch erkennen, dass die Gerichte im Fall der Zurück­ver­weisung im Rahmen der Abwägung zu keinem anderen Ergebnis kommen würden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 93/2009 vom 11. August 2009

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