23.11.2024
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Dokument-Nr. 7205

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Beschluss05.12.2008Bundesverfassungsgericht1 BvR 1318/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2009, 49Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2009, Seite: 49
  • DÖV 2009, 253Zeitschrift: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), Jahrgang: 2009, Seite: 253
  • DVBl 2009, 243Zeitschrift: Das Deutsche Verwaltungsblatt (DVBl), Jahrgang: 2009, Seite: 243
  • NJW 2009, 749Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2009, Seite: 749
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss05.12.2008

Bezeichnung als "Dummschwätzer" nicht zwingend eine BeleidigungKontext der Äußerung maßgeblich

Wer einen anderen als "Dummschwätzer" bezeichnet, begeht damit nicht zwingend eine strafbare Beleidigung. Es kommt entscheidend auf den Kontext der Äußerung an. Dies geht aus einem Beschluss des Bundes­verfassungs­gerichts hervor.

Der Beschwer­de­führer ist Stadt­rats­mitglied. Während einer Rede zur kommunalen Integra­ti­o­ns­politik erwähnte er, dass er selbst früher in einem bestimmten Stadtteil das Gymnasium besucht habe. Diese Ausführungen unterbrach ein anderes Ratsmitglied durch einen Zwischenruf, der nach der bestrittenen Darstellung des Beschwer­de­führer folgenden Inhalt hatte: "Der war auf einer Schule? - Das kann ich gar nicht glauben!". In Erwiderung hierauf bezeichnete der Beschwer­de­führer den Zeugen als "Dummschwätzer". Das Amtsgericht verurteilte den Beschwer­de­führer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60 €. Die Revision des Beschwer­de­führers blieb erfolglos.

BVerfG: Grundrecht der Meinungs­freiheit (Art. 5 GG) verletzt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob die Entscheidungen der Gerichte wegen der Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) auf. Weder der Bedeu­tungs­gehalt der Äußerung des Beschwer­de­führers noch der vom Amtsgericht festgestellte Kontext tragen die Annahme einer der Abwägung entzogenen Schmähung des Zeugen. Der Anlass und Zusammenhang der Äußerung sind im Urteil nicht berücksichtigt worden, so dass nicht festgestellt werden kann, ob es sich bei dem vom Beschwer­de­führer verwendeten Begriffs des "Dummschwätzers" um eine sog. "Schmähkritik" handelt, bei der die Diffamierung des Zeugen im Vordergrund stand oder ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt war. Nur dann, wenn eine solche Äußerung nicht mehr der Ausein­an­der­setzung in der Sache dient, hat sie als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Es begegnet keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, dass das Amtsgericht die Bezeichnung des Zeugen als "Dummschwätzer" als ein ehrverletzendes Werturteil eingeordnet hat. Zu Unrecht hat es aber die Abwägung zwischen dem Persön­lich­keitsrecht des Zeugen und dem Grundrecht auf Meinungs­freiheit des Beschwer­de­führers nicht vorgenommen. Von dieser kann unabhängig von ihrem konkreten Zusammenhang nur bei einer Äußerung abgesehen werden, die stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter - etwa aus der Fäkalsprache- der Fall sein kann.

Für eine solche Konstellation ergeben sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts jedoch keine Anhaltspunkte. Es handelt sich zwar um eine ehrverletzende Äußerung, nicht aber um eine solche, die ihrem Bedeu­tungs­gehalt nach unabhängig vom Verwen­dungs­kontext die bezeichnete Person stets als ganze herabsetzt, ihr also ihren personalen Wert insgesamt abspricht und sie so vom Prozess der freien Kommunikation ausschließt. Vielmehr knüpft der Begriff seiner Bedeutung nach an ein Verhalten des Betroffenen an, nämlich dessen verbale Äußerungen. Dies schließt es zwar nicht von vornherein aus, in der Beschimpfung eines anderen als "Dummschwätzer" im Einzelfall gleichwohl eine Schmähkritik zu sehen, etwa wenn ohne sachlichen Anlass ausgedrückt werden soll, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Menschen handele, der ausschließlich Dummheiten zu äußern in der Lage sei und daher als Teilnehmer an einer sachlichen verbalen Ausein­an­der­setzung von vornherein ausscheide. Anders liegt der Fall aber, wenn sich das Schimpfwort nur als die sprachlich pointierte Bewertung im Kontext einer bestimmten Aussage des Betroffenen darstellt, wenn also der Gemeinte als "Dummschwätzer" tituliert wird, weil er nach Auffassung des Äußernden (im Rahmen einer Sachaus­ein­an­der­setzung) dumme Aussagen getroffen hat. Welche der beiden Verwen­dungs­weisen vorliegt, hängt aber gerade von den Umständen des Einzelfalles ab. Dazu hat das Amtsgericht hier keine Feststellungen in ausreichendem Umfang getroffen. Der Verwer­fungs­be­schluss des Oberlan­des­ge­richts teilt diese Fehler­haf­tigkeit des amtsge­richt­lichen Urteils, weil er keine eigenständige Begründung enthält.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 110/08 des BVerfG vom 30.12.2008

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